Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
WILKEN
(getauft am
09.04.2021)
Bereits auf der Vorhersage der
Bodenwetterkarte vom 09.04. für den darauffolgenden Tag, den 10.04. um 12 UTC
(Universal Time Coordinated, Weltzeit) wurde über
Nordwestfrankreich ein Gebiet geringen Luftdruckes prognostiziert. Der kommende
Tag zeigt das Gebiet geringen Luftdruckes zwar etwas weiter westlich, über der
Biskaya, dennoch konnte es bereits auf der Bodenwetterkarte vom 10.04. um 01
Uhr MEZ (Mitteleuropäische Zeit) als Tiefdruckgebiet eingeordnet und
schließlich von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen WILKEN
getauft werden. Zu Beginn der Entstehungsgeschichte, hatte es die Zyklone
WILKEN noch recht schwer neben den, über Europa befindlichen, sehr weiträumigen
und intensiven Hoch- und Tiefdruckgebieten Fuß zu fassen. Es konnte weder eine
eigenständige Zirkulation, noch einen besonders hervorstechenden Tiefdruck im
Zentrum vorweisen, da es sich zwischen dem Hochdruckgebiet PEGGY (1025 hPa),
von Russland bis weit über das Mittelmeer reichend, und dem Hochdruckgebiet
QUEEN (1030 hPa), südlich von Grönland und Island, über dem nahen Ostatlantik
positionierte. Etwas Raum zur Entfaltung bot sich lediglich nach Südwesten sowie
nach Nordosten zum intensiven Tiefdruckkomplex VINCENT über Skandinavien. So
erstreckte sich nach Nordosten/Osten über Frankreich und Deutschland hinweg
bereits eine Warmfront und nach Südwesten über die Biskaya eine kurze
Kaltfront. Die in einem weiten Bogen, östlich um die Ostsee herum bis nach
Irland, verlaufende Kaltfront der Zyklone VINCENT, bildete in Kombination mit der vergleichsweise kurzen Warmfront von Tiefdruckgebiet
WILKEN eine markante Luftmassengrenze, etwa entlang des Ärmelkanals bis nach
Berlin. Während die Kaltfront von Norden her feuchte Luftmassen arktischen und
polaren Ursprungs nach Süden führte, brachte die allmählich nach Norden
vorankommende Warmfront von Tief WILKEN feuchte Subtropikluft entgegen. Die
mitgeführte Feuchtigkeit in Kombination mit einer Abkühlung der Luft
resultierte in Deutschland in einem Niederschlagsband von der Eifel bis nach
Thüringen. Bis in die Morgenstunden des 10.04. kamen hierbei 5 bis 12 l/m², mit
den höchsten Mengen in der Eifel zusammen. Noch ergiebiger fielen die
Regenfälle im Norden Frankreichs aus, so vermeldete eine Wetterstation in Paris
12-stündig 15 l/m² und die Station Lorient in der Bretagne sogar 35 l/m².
Auf der Bodenwetterkarte vom
11.04. konnten die großräumigen und intensiven Hochdruckgebiete QUEEN
nordwestlich und PEGGY südöstlich von Zentraleuropa ihre dominante Position
weiterhin behaupten und teilweise sogar noch verstärken. So verlagerte sich die
Zyklone WILKEN erwartungsgemäß etwas weiter nordöstlich, in Richtung der
gedachten Tiefdruckrinne, die erst bei Tief VINCENT endete. Das Zentrum der
Zyklone WILKEN befand sich nun etwa über den Beneluxländern sowie dem
Nordwesten Deutschlands, nahe Münster mit einem Kerndruck von etwas weniger als
1006 hPa, dabei konnte sich nun auch schlussendlich eine eigenständige
Zirkulation ausbilden. Ausgehend vom Tiefdruckzentrum von WILKEN erstreckte
sich die Kaltfront nach Südwesten über die Benelux-Länder und Frankreich hinweg
bis über die Pyrenäen. Die Warmfront nach Osten von Tief WILKEN bildete um 01
Uhr MEZ die Fortsetzung der bereits okkludierten Front der Zyklone VINCENT und
somit weiterhin eine markante Luftmassengrenze zwischen arktischer Kaltluft im
Norden und subtropischer Luft im Süden. Zur Erklärung: Eine Okklusion oder
okkludierte Front ist eine Mischfront, welche entsteht, wenn die schnellere
Kaltfront die vorlaufende, jedoch langsamere Warmfront einholt und so die
wärmere Luft aufsteigen lässt. Der Punkt, an dem sich die Okklusion in Kalt-
und Warmfront aufteilt, wird als sogenannter Okklusionspunkt definiert. Unter
dieser Luftmassengrenze blieb der Himmel in weiten Teilen Deutschlands bedeckt.
Entlang der Warm- und Kaltfront, sowie mit Annäherung des Tiefdruckkernes der
Zyklone WILKEN kam es zu teils kräftigen Hebungsprozessen der entsprechenden
Luftmassen. Mit der Hebung kühlten diese Luftmassen aus und konnten die
mitgeführte Feuchtigkeit nicht mehr halten. So fielen innerhalb eines
Zeitraumes von 24 Stunden im Norden und Westen Deutschlands oftmals 5 bis 15
l/m², im Bereich des Tiefdruckkernes auch bis 21 l/m². Beispielsweise
vermeldete die Station Duisburg 21,3 l/m².
Das Tiefdruckgebiet WILKEN
verlagerte sich auf der Bodenwetterkarte vom 12.04. etwas weiter nach
Nordosten, nun über der Nordspitze Dänemarks gelegen, dabei erhöhte sich der
Kerndruck leicht von 1006 hPa auf 1008 hPa. Die mittlerweile langgestreckte
Warmfront erstreckte sich nach Osten bis zu einem blockierenden Hochdruckgebiet
über Russland und bildete weiterhin die Fortsetzung der Okklusionsfront bzw.
Kaltfront des sich hartnäckig über der Barentssee haltenden Tiefdruckgebietes
VINCENT. Die nachfolgende Kaltfront hingegen erstreckte sich mittlerweile nach
Süden über die Grenze zwischen Deutschland und Polen, sowie über den westlichen
Teil der Alpen hinweg. Mit dem Durchzug der Kaltfront des Tiefdruckgebietes
WILKEN verdrängte arktische Kaltluft in vielen Gebieten Deutschlands die vorher
befindliche, deutlich wärmere Subtropikluft. So wurden um 14 Uhr MEZ im
bayerischen Mühldorf am Inn lediglich noch 3°C gemessen. 24 Stunden zuvor
vermeldete die Station noch 22°C. Auch in Garmisch-Partenkirchen im gleichen
Bundesland gab es eine ähnlich heftige Temperaturveränderung. Um 17 Uhr MEZ
zeigte das Thermometer an der Station 0°C an, tags zuvor waren es noch 19°C. Am
11.04. stellte die Station Regensburg mit 22,4°C den Spitzenreiter bei der
Höchsttemperatur in Deutschland dar. Im Vergleich dazu bildete mit einer
Höchsttemperatur von gerade einmal 10,5°C die Station Pabstorf
in Sachsen-Anhalt am 12.04. den doch recht traurig anmutenden, nachfolgenden
Spitzenreiter.
Auf der Bodenwetterkarte vom
13.04. fand die nördliche Zugrichtung des Tiefs WILKEN ihre Fortsetzung, zudem
teilte sich die Zyklone in zwei Tiefdruckteilzentren namens WILKEN I und WILKEN
II auf. Während sich das Teilzentrum WILKEN I an der Westküste des Bottnischen
Meerbusens, etwa über der schwedischen Stadt Sundsvall positionierte, befand
sich das Teilzentrum WILKEN II etwas weiter nördlich, etwa über dem 65.
Breitengrad. Beide Teilzyklonen besaßen zu diesem Zeitpunkt einen Kerndruck von
etwas weniger als 1015 hPa. Verbunden wurden die Tiefdruckteilzentren von einer
kurzen Okklusionsfront, bis zum sogenannten Okklusionspunkt, der sich in
unmittelbarer Umgebung zu WILKEN II befand. Etwa vom Okklusionspunkt ausgehend
verlief die vergleichsweise kurze Warmfront weiter nach Osten in Richtung des
blockierenden Russlandhochs. Nach Süden, über Finnland und den Baltischen
Staaten bis über Polen erstreckte sich hingegen die nachfolgende Kaltfront. Die
Positionierung der beiden Tiefdruckteilzentren über Skandinavien in Kombination
mit dem Hochdruckgebiet QUEEN über Großbritannien und Frankreich resultierte in
einer nördlichen Anströmrichtung, in der maritim arktische Kaltluft über das
Nordmeer und Deutschland hinweg bis zum nördlichen Teil der Alpen gesteuert
wurde. Wettertechnisch sorgten sowohl die beiden Tiefdruckzentren, als auch das
Frontensystem für zahlreiche, signifikante Niederschläge über Skandinavien. So
kam es durch die mitgeführte Feuchtigkeit, aus der Nacht heraus bis weit in die
Nachmittagsstunden des 13.04. hinein, in einem breiten Streifen von Norwegen
über Schweden bis nach Nordfinnland zu leichten, bis teilweise sogar mäßigen bis starken Schneefällen. Die an der Grenze zwischen
Schweden und Finnland befindliche Station Pello
beispielsweise vermeldete in den Vormittagsstunden, bei Temperaturen knapp über
dem Gefrierpunkt zunächst noch Regen und schließlich, über 10 Stunden hinweg
leichten Schneefall. Anschließend kam es noch kurzzeitig zu Schneegriesel, also
Niederschlag in Form von aus Schneekristallen bestehenden Körnchen, bevor der
Tag schließlich trocken zu Ende ging.
Auf der Bodenwetterkarte vom
14.04. konnten sich die beiden Teiltiefdrucksysteme WILKEN I und WILKEN II
wieder zu einer Zyklone namentlich WILKEN vereinen. Das Tiefdruckgebiet ließ
sich nicht von einem kräftigen, mit mehr als 1035 hPa ausgestatteten, Hochdruckgebiet
in blockierender Lage über Russland beeinflussen, sondern hatte sich unbeirrt
auf einen Kerndruck von etwas weniger als 1005 hPa intensivieren können. Die
Zyklone WILKEN befand sich um 01 Uhr MEZ etwa über der nördlich des
Polarkreises gelegenen Hafenstadt Murmansk auf der russischen Halbinsel Kola.
Neben einer kurzen Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt, erstreckte sich die
Warmfront weiter nach Südosten, während die nachfolgende Kaltfront wellend nach
Süden bis nach Weißrussland verlief. Unmittelbaren Einfluss auf das
Wettergeschehen über Zentraleuropa konnte die Zyklone WILKEN zu diesem
Zeitpunkt zwar nicht mehr ausüben, jedoch führte das Zusammenspiel mit dem über
Großbritannien befindlichen Hochdruckgebiet QUEEN zu einer weiterhin nördlich
geprägten Anströmrichtung, in der das südliche Skandinavien mit feuchter Luft
arktischen Ursprungs versorgt wurde.
Der Weg der Zyklone WILKEN führte
auf der Bodenwetterkarte vom 15.04. knapp südlich entlang des Polarkreises
weiter nach Osten. Innerhalb von lediglich 24 Stunden konnte sich das
Tiefdruckgebiet weiter auf einen Kerndruck von etwas weniger als 995 hPa
intensivieren. Aufgrund der, sich hinter der vorlaufenden Warmfront nur langsam
verlagernden Kaltfront, blieb die, etwa vom Zentrum ausgehende Okklusionsfront
weiterhin kurz ausgeprägt. Die räumlich recht stark ausgebildeten
Luftdruckgegensätze von dem Tiefdruckgebiet WILKEN mit dem Hochdruckkomplex
QUEEN I und QUEEN II, als auch mit dem blockierenden Hochdruckgebiet über
Russland resultierten in teils kräftige Windverhältnisse von Nordskandinavien
über das Weiße Meer hinweg bis weit über den nördlichen Teil des Urals. Über
dem Europäischen Nordmeer konnte dieser Wind auch ungehindert an Fahrt
aufnehmen, sodass eine Station an der nordwestlichen Küste von Norwegen um 13
Uhr MEZ eine 6-stündige Windböe von 119 km/h, also „Orkan“-Windstärke vermelden
konnte.
Nach einer recht stattlichen
Lebensdauer von insgesamt 6 Tagen und unmittelbarem Einfluss auf das
Wettergeschehen, um und in Zentraleuropa, verließ das Tiefdruckgebiet WILKEN
auf der darauffolgenden Bodenwetterkarte vom 16.04. den Darstellungsbereich der
Berliner Wetterkarte, sodass die Zyklone von den Meteorologen nicht mehr
nachverfolgt werden konnte.