Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WOLFGANG

(getauft am 20.06.2021)

 

Zum Ende der dritten Juni-Woche zeigte die 500-hPa-Karte zum einen über dem Westen Europas einen Langwellentrog, also einen Kaltluftvorstoß nach Süden, der vom Nordmeer über Großbritannien und die Biskaya bis nach Spanien reichte, mit einem eingebetteten Höhentief über der westlichen Biskaya und zum anderen einen Höhenkeil, also ein Warmluftvorstoß nach Norden, der von Algerien und Tunesien bis in den Osten Deutschlands reichte und mit einem weiteren Höhenkeil über Russland verbunden war. Im Bodendruckniveau lagen korrespondierend dazu das Tiefdruckgebiet VOLKER über der westlichen Biskaya und das Hochdruckgebiet ZOE über Russland. An der Vorderseite des beschriebenen Langwellentroges wurden so mit der süd- bis südwestlichen Strömung warme Luftmassen aus Süden nach Mitteleuropa gelenkt, während im Bereich des Langwellentrogs kühlere Luftmassen vorherrschten. Da diese Druckkonstellation bereits seit mehreren Tagen Bestand hatte, konnte sich im Bereich der Trogvorderseite im Bodendruckniveau eine zur Wellenbildung neigende Luftmassengrenze über Mitteleuropa und Skandinavien etablieren, die sehr heiße Luft im östlichen Bereich von kühlerer Meeresluft über dem Westen Europas trennte. So wurden im Bereich des Höhenkeils und der tropischen Luftmassen vom Mittelmeerraum bis nach Finnland Tageshöchsttemperaturen von über 30°C verzeichnet, während vom Nordwesten Spaniens über Großbritannien bis nach Norwegen nur Tageshöchstwerte von 15 bis 20°C erreicht wurden. Außerdem bildeten sich an der Ostflanke des Langwellentrogs mehrere nordwärts laufende Kurzwellentröge aus, wodurch entlang der Luftmassengrenze in den vorangegangenen Tagen immer wieder Tiefdruckgebiete mit kräftigen Gewitterkomplexen von Spanien und Frankreich über Westdeutschland nach Skandinavien zogen. Den Anfang dieser Reihe bildete das Tief STEFAN, das am 20.06.2021 bereits mit seinem Kern über dem Norden Russlands lag. Es folgten die beiden Randtiefs THANANONT, mittlerweile mit seinem Kern über dem Skagerrak, und ULFERT, mit einem Kern über dem Ärmelkanal und einem zweiten über dem Osten Belgiens. Im Laufe der zweiten Tageshälfte des 20.06. bildete sich schließlich an der Vorderseite eines neuen von Südwesten her laufenden Kurzwellentrogs durch zusätzlichen Hebungsantrieb ein weiteres Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von 1005 hPa über dem Grenzbereich zwischen Frankreich und der Schweiz aus, das noch am selben Tag von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen WOLFGANG getauft wurde.

Bereits am Nachmittag nahm dadurch die Gewitteraktivität zunächst im Bereich des Französischen und Schweizer Jura nach kurzer Beruhigung wieder zu. Zu kräftigen Unwettern mit Starkregen, Hagel und schweren, teilweise sogar orkanartigen Sturmböen kam es mit nördlicher Verlagerung des Wirbels WOLFGANG vor allem im Grenzbereich zwischen der Schweiz und Deutschland. Die heftigste Böe meldete die Station Beringer Randenturm um 19 Uhr MESZ mit 157 km/h. Zur selben Uhrzeit verzeichneten die nahegelegenen Ortschaften Hallau und Schaffhausen ebenfalls Böen mit 107 bzw. 100 km/h. Auch im westschweizerischen Grenchen meldete man eine Böe mit 119 km/h. Außerdem kamen innerhalb von nur einer Stunde lokal beachtliche Niederschlagssummen zustande.  Im Kanton Laufenberg fielen zwischen 17 und 18 Uhr MESZ beispielsweise verbreitet 20 bis 30 mm Regen. Am Paul Scherrer Institut in Würenlingen sogar 34,2 mm. Ähnliche Niederschlagsmengen wurden eine Stunde später auch westlich des Bodensees gemeldet. In Schleitheim-Luckete und in Bonndorf fielen sogar 40,6 bzw. 46,2 mm innerhalb einer Stunde.

 

In der Nacht zog das Gewittertief WOLFGANG dann von Südwest nach Nordost über Deutschland hinweg, wobei die Gewitterlinie rasch verclusterte und als sogenanntes mesoskaliges konvektives System (kurz „MCS“), also einem zusammengeschlossenen Gewitterkomplex, weiterzog. Dieser Gewitterkomplex sorgte örtlich für Starkregen, lokal auch für Hagel und Sturmböen. In einem breiten Streifen von Baden-Württemberg über Franken, Thüringen und Sachsen-Anhalt bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen wurden 12-stündig bis 8 Uhr MESZ verbreitet 15 bis 30 mm Regen verzeichnet. Spitzenreiter war mit 55,2 mm das fränkische Veilsdorf. In diesem beschriebenen Streifen gab es auch die stärkste Gewitteraktivität. Besonders starke Gewitterböen mit 70 bis 80 km/h wurden dabei in Baden-Württemberg registriert. Ein zweiter Niederschlagsschwerpunkt reichte vom Niederrhein bis zum westlichen Niedersachsen, wo im selben Zeitraum ähnliche Niederschlagsmengen fielen. Entlang des Niederrheins gab es bei ungewittrigem Starkregen verbreitet sogar 30 bis über 40 mm, wie beispielsweise in Geldern-Walbeck mit 45,0 mm und in Xanten mit 43,2 mm. In den übrigen Regionen Deutschlands verzeichneten die Niederschlagsmesser verbreitet 5 bis 15 mm. Nur im Südosten Bayerns und vom Osten Sachsens bis nach Usedom blieb es trocken. Mit dem Durchzug des Tiefdruckgebiets WOLFGANG wurde nun die heiße tropische Luftmasse allmählich abgedrängt und kühlere Luft vom Atlantik strömte nach Mitteleuropa, sodass in weiten Teilen Deutschlands wieder nächtliche Tiefstwerte unter 20°C verzeichnet werden konnten.  Nur in einem Streifen vom Elbsandsteingebirge bis nach Usedom wurde mit Tiefstwerten von 22 bis 20°C zum wiederholten Male eine Tropische Nacht erreicht. Um 14 Uhr MESZ des 21.06. wurde der Tiefdruckwirbel WOLFGANG mit einem Kerndruck von knapp unter 1005 hPa bereits über Pommern analysiert. Dabei reichte die Kaltfront ausgehend vom Tiefdruckkern in südliche Richtung über den Westen Polens und Tschechiens bis in ein unbenanntes Tief über den Alpen. Die Warmfront reichte in nordöstliche Richtung bis in das Tiefdruckgebiet ULFERT mit seinem Kern über Mittelskandinavien. Außerdem lag ausgehend vom Tiefdruckkern eine Okklusionsfront in südwestliche Richtung entlang der Ostseeküste und über Niedersachsen bis über das Ruhrgebiet. Von der Kieler Bucht bis ins Emsland sorgten dabei die nächtlichen Gewittercluster noch bis zum Nachmittag für teils kräftigen Regen und es wurden verbreitet 10 bis 30 mm Regen registriert. In diesem Bereich machten sich die deutlich kühleren von der Nordsee einsickernden Luftmassen besonders bemerkbar. So verzeichnete man beispielsweise in Hamburg und Münster nur noch Tageshöchstwerte von rund 16°C, wo es am Vortag noch rund 26°C waren.  Im übrigen Bundesgebiet blieb es bei einer leichten Abkühlung um rund 2K mit Tageshöchstwerten von 23 bis 29°C überwiegend trocken. Nur im Süden Deutschlands bildeten sich am Abend im Zusammenhang mit dem Tief VOLKER erneut schwere Unwetter. Ein Heißer Tag mit Tageshöchstwerten über 30°C wurde nur noch im Osten Deutschlands erreicht. Im brandenburgischen Manschnow und in Cottbus wurden beispielsweise maximal 31,7°C bzw. 33,1°C gemessen. In Berlin-Dahlem gab es mit rund 31°C den fünften Heißen Tag in Folge. Auch entlang der Kaltfront des Wirbels WOLFGANG entstanden bei Temperaturen über 30°C vor allem in der zweiten Tageshälfte teils kräftige Gewitter mit lokalen Regenschauern. Im polnischen Zielona Góra und im tschechischen Luká verzeichnete man dabei 12-stündig bis 20 Uhr MESZ rund 25 mm Regen.

Bis zum 02 Uhr MESZ Termin des 22.06. hatte sich Tief WOLFGANG entlang der Vorderseite des noch immer beständigen Langwellentroges über Westeuropa, der sich nur leicht nach Osten verlagert hatte, unter leichter Abschwächung weiter nordwärts bis über den Südosten Schwedens verlagert. Noch immer wurde eine rasche Verlagerung in Richtung Osten durch das Hochdruckgebiet ZOE mit Zentrum über Moskau verhindert, welches durch subtropische bis tropische Luftmassen in seinem Einflussbereich mit Temperaturen von über 30°C weiterhin für heißes Sommerwetter sorgte. Die Kaltfront, die gleichzeitig die Luftmassengrenze markierte, lag weiterhin in südliche Richtung über dem Westen Polens und Tschechiens bis zum unbenannten Tief über dem Alpenraum, während die Okklusionsfront über Niedersachsen und dem Rheinischen Schiefergebirge bis in den Tiefdruckkern VOLKER II über den Norden Frankreichs reichte. Die Warmfront lag ausgehend vom Tiefdruckkern über der Ostsee und Finnland bis sie sich schließlich mit dem Wirbel ULFERT, westlich von Murmansk gelegen, verband. Im Bereich des Tiefdruckkerns, der sich im Tagesverlauf in nordöstliche Richtung verlagerte und entlang der Warmfront hielt der teilweise kräftige und schauerartige Regen den Tag über an. Zum Nachmittag meldete man im Westen Finnlands mit Eintreffen des Tiefs WOLFGANG zudem erhöhte Gewitteraktivität. So fielen innerhalb von 12 Stunden in einem Streifen nördlich von Stockholm bis nach Sundsvall bis 8 Uhr MESZ verbreitet 10 bis 24 mm Regen und im gleichen Zeitraum bis 20 Uhr MESZ in einem Streifen von Sundsvall über die Mitte Finnlands bis nach Karelien ebenfalls 10 bis 25 mm. Im Vergleich zum Vortag gingen die Temperauren im Bereich des Tiefdruckkerns nur leicht zurück. Noch immer wurden im Südosten Schwedens Tageshöchstwerte von 22 bis 29°C gemessen, weiter nördlich sank die Temperatur im Vergleich zum Vortag um rund 5 K, wie beispielsweise in Åmot, wo nach einer Tageshöchsttemperatur von 22°C am Vortag nur noch maximal 16°C erreicht wurden. In Finnland dagegen wurden wiederholt überwiegend Höchsttemperaturen von 30 bis 33°C gemeldet. Zu heftigen Gewittern kam es den ganzen Tag über auch entlang der Kaltfront über Polen, wobei lokal auch kräftige Regenschauer auftraten. In Posen registrierte man so 12-stündig bis 20 Uhr MESZ sogar 79,0 mm Regen. Dabei wurden in weiten Teilen Polens noch immer Tageshöchstwerte von über 30°C erreicht. In Westpolen dagegen machte sich die einströmende kühlere Luftmasse bemerkbar. Wie auch in weiten Teilen Deutschlands lag hier die Höchsttemperatur nur knapp über 20°C. Im Vergleich zum Vortag war dort ein Temperaturrückgang von rund 10 K zu verzeichnen. Wurden in Berlin-Dahlem beispielsweise am Vortag noch maximal 30,6°C gemessen, waren es am 22.06. nur noch höchstens 21,3°C. Nur im Südwesten Deutschlands wurden noch einmal maximal 25°C bis 28°C erreicht.

 

Am 23.06. um 02 Uhr MESZ lag der Tiefdruckwirbel WOLFGANG mit einem Kerndruck von nur noch knapp unter 1015 hPa über dem Süden Finnlands. Die Kaltfront hatte das Tief bis dahin aufgegeben. Stattdessen reichte eine Okklusionsfront in südliche Richtung über die Ostsee, Polen und die Karpaten bis in den Tiefdruckkern des Tiefs VOLKER über dem Süden Baden-Württembergs. Ausgehend vom Tiefdruckkern erstreckte sich die Warmfront bis zum Weißen Meer, wo sie in die Kaltfront des über der Barentssee liegenden Wirbels ULFERT überging. Noch immer wirkte das kräftige Hoch ZOE über Russland blockierend, so dass die von Westen kommenden Tiefdruckgebiete eine nördliche Zugbahn einschlagen mussten. So wurden zwischen Hoch ZOE und Tief WOLFGANG weiterhin extrem warme Luftmassen nach Norden gelenkt. Das führte in Moskau und Sankt Petersburg mit 34,8°C bzw. 35,8°C zu den höchsten Juni-Maxima seit Aufzeichnungsbeginn. Auch in Estland, Belarus und Armenien gab es neue Juni-Rekorde. Im Einflussbereich des Tiefdruckkerns des Wirbels WOLFGANG kam es am Vormittag entlang der Küsten des Finnischen Meerbusen immer wieder zu Gewittern und teils heftigen Regenschauern. In Helsinki beobachtete man währenddessen sogar leichte Schneeregenschauer und verzeichnete eine Sturmböe mit 100 km/h. Mit der nördlichen Verlagerung von Tief WOLFGANG zogen die Gewitter und Regenschauer im Tagesverlauf bis über die finnische Seenplatte. Auch hier wurden lokal noch Böen mit über 70 km/h gemessen. Innerhalb von 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ fielen in einem Streifen von Tallinn bis an den nordöstlichen Rand der finnischen Seenplatte 16 bis 44 mm Regen. In Juuka Niemelä gab es sogar 57,1 mm. Im Südosten Finnlands verzeichnete man dabei wiederholt einen Heißen Tag mit Höchsttemperaturen bis 33°C. Von Westen her machte sich jedoch allmählich die kühlere Luftmasse bemerkbar. Hier stieg die Temperatur nur noch auf maximal 15 bis 25°C.

Bis zum 24.06. um 02 Uhr MESZ hatte sich an der Druckkonstellation über Europa kaum etwas verändert. Im Kernbereich des Tiefs WOLFGANG, aus dem sich nun eine schwache Okklusion bis zum Okklusionspunkt über dem Osten Finnlands erstreckte, kam es dabei bis zum Morgen immer wieder zu teils kräftigem Regen. Ausgehend vom Okklusionspunkt verlief in südwestliche Richtung eine Kaltfront, die südöstlich von Riga in die Warmfront des Tiefs VOLKER überging. Die schwach ausgeprägte Warmfront reichte bogenförmig in nordöstliche Richtung, bis sie sich über dem nordrussischen Tiefland mit der Kaltfront des Tiefs ULFERT verband. Auch über der Barentssee hatte sich inzwischen vom Norden Skandinaviens her Hochdruckeinfluss breit gemacht. Entlang der Kaltfront kam es in der Nacht über dem Baltikum wiederholt zu kräftigen Gewittern und lokalen Starkregenereignissen. In dem im Nordosten Lettlands gelegenen Gulbene fielen 12-stündig bis 08 Uhr MESZ beispielsweise 41,5 mm. Auch im Bereich des Tiefdruckkerns hielten die Schauer die Nacht über an. In einem Streifen vom Norden der finnischen Seenplatte bis zum Weißen Meer verzeichnete man im selben Zeitraum 10 bis 25 mm Regen. Im Tagesverlauf des 24.06. wanderte Tief WOLFGANG schließlich weiter ostwärts über den Norden Russlands, wo am Nachmittag einzelne Gewitter beobachtet werden konnten. In ganz Finnland wurden nach Abzug von Tief WOLFGANG nur noch maximal 24°C verzeichnet. Nur im Grenzbereich zu Russland wurden noch einmal 25 bis 28°C erreicht.

 

Bis zum 25.06. um 02 Uhr MESZ hatte sich Tief WOLFGANG mit noch einmal verstärktem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa bis über den Timanrücken nordwestlich des Urals verlagert. Die kurze Okklusionsfront reichte in südliche Richtung bis zum Okklusionspunkt über dem Nordrussischen Landrücken, von wo aus die Warmfront südöstlich entlang des Urals bis außerhalb des Kartenabschnittes verlief und die Kaltfront sich in südwestliche Richtung bis über Sankt Petersburg erstreckte, wo sie schließlich in die Warmfront von Wirbel VOLKER I mit Kern südlich von Riga überging. Bei langsamer Ostverlagerung füllte sich auch der ehemalige Langwellentrog über Mitteleuropa weiter auf, während das Hochdruckgebiet ZOE weiterhin mit Zentrum über Moskau lag und für heiße Temperaturen sorgte, wenngleich sich die extreme Hitze der vergangenen Tage bereits abzuschwächen begann. So wurde beispielsweise in Sankt Petersburg mit 29°C die 30°C-Marke nicht mehr überschritten, während jedoch in Moskau nochmals 33°C erreicht wurden. Auch in Kiew wurde es mit maximal 35,4°C im Vergleich zum Vortag nur einen Müh weniger heiß. In den folgenden beiden Tagen konnte Tief WOLFGANG noch einmal mit seinem Kern über dem Ural analysiert werden. Die Kaltfront reichte weiterhin in westliche Richtung, bis sie über dem Nordrussischen Landrücken in die Warmfront des Tiefs VOLKER mit Kern über Finnland überging. Im Laufe des 26.06. hatte sich auch das Hoch ZOE über Russland aufgelöst, wodurch die Hitzewelle über Osteuropa langsam ein Ende fand. Zuletzt konnte Tief WOLFGANG am 27.06. um 02 Uhr MESZ östlich des Urals verortet werden, bevor es schließlich im Tagesverlauf aus dem Kartenausschnitt der Berliner Wetterkarte verschwand.