Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet WOLF

(getauft am 08.07.2017)

 

Am 8. Juli 2017 reichte eine verwellte Luftmassengrenze als südwestliche Fortsetzung der zum Tief VINCENT bei Island gehörenden Kaltfront von Südwestengland bis zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet etwa 1000 km nordnordöstlich der portugiesischen Inselgruppe der Azoren. An dieser verwellten Front, die teils mehr von der wärmeren Luft aus Süden angeströmt wurde, teils mehr von der kälteren Luft aus Norden, bildete sich gemäß den Erwartungen der Prognose der Berliner Wetterkarte vom 8. Juli für den Folgetag ein eigenständiges Wellentief, das auf den Namen WOLF getauft wurde.

Das Zentrum des Tiefdruckgebietes WOLF befand sich am 9. Juli über der südlichen Irischen See. Der Luftdruck betrug dort ungefähr 1015 hPa. Vom Kern verlief einerseits eine Warmfront über England und die südliche Nordsee, um ungefähr über den südlichen Niederlanden in die Kaltfront des etwa im Bereich der schwedischen Hauptstadt Stockholm liegenden Tiefs UWE überzugehen. Andererseits schloss sich westlich bis südwestlich an das Zentrum des Tiefdruckgebietes WOLF eine Kaltfront an, die etwa 250 km südlich von Irland die Warmfront eines unbenannten Tiefs westlich der Biskaya folgte. Im Laufe des Tages kam es im Zusammenhang mit dem nach Südosten ziehenden und sich verstärkenden Tiefs WOLF zu teils schauerartigem Regen und Gewittern. Da aber in der Umgebung weitere Tiefdruckgebiete und Fronten aktiv waren, ist eine eindeutige Zuordnung von Niederschlagssummen ausschließlich zum Tief WOLF schwierig.

Zumindest lässt sich sagen, dass ein großer Teil der Regenmenge, die im westlichen Mitteleuropa fiel, auf das Tiefdruckgebiet WOLF zurückzuführen ist. Als Beispiele in Deutschland seien der Kahle Asten im Rothaargebirge genannt, wo bis zum Morgen des 10. Juli innerhalb von 24 Stunden 14,2 l/m² zusammenkamen, und das rheinland-pfälzische Andernach mit 24,7 l/m². Im Raum der französischen Hauptstadt Paris gab es große Unterschiede innerhalb von wenigen Kilometern. So fielen am südlich gelegenen Flughafen Orly 9 l/m², in Saint-Maur südöstlich der Stadt 43 l/m² und in Montsouris am südlichen Rand der Innenstadt 68 l/m², während am Hippodrome de Longchamp westlich der Innenstadt 17 l/m² zusammenkamen. Dies ist typisch für konvektiv geprägte Niederschläge, also Schauer oder Gewitter, bei denen das Stationsmeßnetz gar nicht dicht genug sein kann, um die Details der räumlichen Verteilung des Niederschlages erfassen zu können. Aber auch in der Nähe von Tiefdruckkernen kann es bei zunächst auf die Fläche verteilt recht gleichmäßig erscheinendem Niederschlag große Intensitätsunterschiede auf kleinem Raum geben.

Das Tief WOLF lag mittlerweile mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa über dem südwestlichen Deutschland. In östlicher bis südöstlicher Richtung folgte eine Warmfront, die über das mittlere Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Serbien bis nach Bulgarien führte und dort in eine Kaltfront eines unbenannten Tiefs über dem Asowschen Meer überging. Südwestlich des Zentrums der Zyklone WOLF zog sich eine Kaltfront über Frankreich bis nach Nordspanien, wo Anschluss an eine Warmfront bestand, die zu einem unbenannten Tief etwas südlich des Zentrums des Landes gehörte. Mittags befand sich das Tiefdruckgebiet WOLF mit seinem Kern, in dem nun ein Luftdruck von unter 1006 hPa herrschte, etwa in der Mitte Deutschlands im Dreieck Kassel – Erfurt – Harz. Die Warmfront reichte nördlich von Berlin entlangziehend bis über den Norden Polens, während sich die Kaltfront über den Südwesten Deutschlands und den Nordosten Frankreichs erstreckte und ihren Verlauf nach Südwesten fortsetzte. Wieder ist eine eindeutige Zuordnung der 24-stündigen Niederschlagsmengen ausschließlich zum Tiefdruckgebiet WOLF und seinen Fronten schwierig. Dies gelingt besser mit Regensummen kleinerer Zeiträume. So fielen innerhalb von drei Stunden am Morgen des 10. Juli in Bitburg in Rheinland-Pfalz 36 l/m². In Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern kamen nachmittags ebenfalls in drei Stunden 22 l/m² und in Ellrich-Werna in Thüringen 28 l/m² zusammen. Der zuletzt genannte Wert wurde im gleichen Zeitraum auch im französischen Macon gemessen.

Bei den 12-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen des 11. Juli zeigte sich ein Schwerpunkt im brandenburgischen Neuruppin, wo 16 l/m² fielen, während im polnischen Danzig 20 l/m² und in Leba an der polnischen Ostseeküste 21 l/m² zusammenkamen. Etwa im Bereich der letztgenannten Städte, also im nördlichen Polen an der Ostseeküste, war mittlerweile das Zentrum des Wirbels WOLF angekommen, dessen Kerndruck nun unter 1005 hPa lag. Über das nördliche und östliche Polen bis über das nördliche Rumänien beschrieb die Warmfront einen Bogen. Die westlich folgende Kaltfront zog sich über das südwestliche Polen und verlief weiter bis ungefähr zum Erzgebirge, wo sie in eine Warmfront eines unbenannten Tiefs über der Nordsee überging. Im sächsischen Löbau fielen morgens innerhalb von drei Stunden 37 l/m. Nachmittags kamen, ebenfalls innerhalb von drei Stunden, in Folge von kräftigen Schauern und Gewittern im rumänischen Batos 30 l/m² zusammen. Dort traten zudem Sturmböen bis 80 km/h auf. Dank des sich zwischen Warmfront und Kaltfront aufspannenden Warmsektors des Tiefdruckgebietes WOLF stieg die Temperatur im weißrussischen Berasino auf 28°C. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurde mit einer Höchsttemperatur von 31°C sogar ein Heißer Tag nach meteorologischer Definition erreicht. Dagegen machte sich im polnischen Lebork die auf der Rückseite des Tiefs WOLF folgende, deutlich kühlere Luft mit maximal 20°C bemerkbar, wo es am Vortag mit einer Höchsttemperatur von 26°C noch einen meteorologischen Sommertag gegeben hatte. Im ebenfalls in Polen gelegenen Kolo war der Temperaturunterschied mit 21°C am 11. Juli gegenüber 30°C am Vortag noch markanter.

In der Nacht zum 12. Juli verlagerte sich der Schwerpunkt der Niederschläge nach Nordosten, wie die dreistündigen Regenmengen bis zum frühen Morgen mit jeweils 16 l/m² in Roslavl in der russischen Oblast Smolensk und im estnischen Voru zeigen. Im russischen Sankt Petersburg sank die Temperatur aufgrund der herangeführten Warmluft und auch der zeitweise dichten, eine Ausstrahlung und damit Auskühlung verhindernden Wolken mit 19°C nur ein Grad unter die Schwelle, die nach meteorologischer Definition für das Erreichen einer Tropischen Nacht nötig gewesen wäre. Das Tief WOLF lag nun mit unter 1005 hPa über dem Südwesten Finnlands. Von dort zog sich eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, bis über das östliche Lettland, wo sich ein unbenanntes Tiefdruckgebiet befand, von dem sich die ursprünglich zum Tief WOLF gehörenden Fronten über Ost- und Südosteuropa fortsetzten.

Die bis zum Morgen des 13. Juli recht eindeutig dem Tiefdruckgebiet WOLF zuzuordnenden 24-stündigen Niederschlagsmengen erreichten in Finnland mit 36 l/m² an der Wetterstation Rautavaara Ylä-Luosta ihren Höhepunkt. Hatte es am Vortag in Kargopol in der nordwestrussischen Oblast Archangelsk mit einer Höchsttemperatur von 26°C einen Sommertag gegeben, erreichte die Temperatur dort am 13. Juli bei zeitweiligem Regen nur noch 18°C. Am 13. Juli war das Tiefdruckgebiet WOLF zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. In den folgenden Tagen lagen diverse Tiefdruckgebiete und Fronten über dem Nordosten Europas, ohne dass sie einem einzelnen benannten und relevanten Tiefdruckgebiet hätten zugeordnet werden können.

 

 

Geschrieben am 06.10.2017 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 10.07.2017

Pate: Wolf Eisenmann