Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XANDER

(getauft am 05.05.2017)

 

Am 05.05. wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, das entspricht 14 Uhr MESZ, des folgenden Tages die Entstehung eines Tiefdruckwirbels über Südnorwegen vorhergesagt und auf den Namen XANDER getauft. Dieser Wirbel ging im Laufe des 06.05. aus einer sich wellenförmig deformierenden und vom Nordmeer in Richtung Mitteleuropa verlagernden Front eines sich zu diesem Zeitpunkt über Nordrussland nahe Vorkuta befindenden Tiefdrucksystems hervor.

Das Tief XANDER konnte erstmalig am 07.05. auf der Berliner Wetterkarte für 00 Uhr UTC analysiert werden. Mit einem Druck von knapp unter 1015 hPa befand sich dessen Zentrum unweit von Bergen. Vom Kern des Wirbels erstreckte sich eine Warmfront über Oslo und Südschweden in Richtung Danzig, wo sie in die Kaltfront des Tiefdrucksystems überging, aus dem sich Tief XANDER zuvor entwickelt hatte. Des Weiteren war dem Tief eine eigenständige Kaltfront zugehörig, die sich vom Kern über die Nordsee und Schottland bis nach Island erstreckte. Hebungsprozesse entlang des nach Südosten ziehenden Frontensystems ließen im Tagesverlauf über Mittel- und Osteuropa ein ausgeprägtes Niederschlagsband entstehen, das zunächst über Teilen Ostpolens und anschließend über Weißrussland, dem Westen Russlands sowie Teilen der Ukraine gebietsweise ergiebige Regenmengen mit sich brachte. Bis 06 Uhr UTC am 08.05. fielen innerhalb von 24 Stunden in Warschau 9,7 mm, in Minsk und Moskau je 10 mm und im polnischen Ostroleka 22,9 mm. Die Messstation im ebenfalls polnischen Bialystok registrierte gar bis zu 87,7 mm Niederschlag. Ein einzelnes kurzes Gewitter brachte in nur 6 Stunden im ukrainischen Volodymyr-Volynskyi 38 mm mit sich. Aus dem südskandinavischen Raum wurden im Vergleich dazu oft nur leichte Niederschläge oder vereinzelte lokale Schauer gemeldet. Am Flughafen von Oslo kamen so im selben Zeitraum 1,2 mm, im dänischen Herfølge 6,7 mm und im schwedischen Naven 9,8 mm Regen zusammen.

Bis zum 08.05. zog die Zyklone XANDER nach Osten und befand sich gegen 00 Uhr UTC mit einem Druck von unter 1000 hPa nahe Gomel über Weißrussland, mittig zwischen Kiew und Minsk. Vom Zentrum erstreckten sich drei Fronten. Eine Warmfront reichte über Saratov nach Osten bis weit nach Kasachstan. Eine Kaltfront erstreckte sich über Polen und Nordostdeutschland nach Westen bis westlich von Dänemark und eine Okklusionsfront führte über die Ukraine und Bulgarien in Richtung Südwesten und verband den Wirbel XANDER mit einem über der Adria liegenden Tief. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die aus dem Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und Eigenschaften beider in sich vereint. Die Niederschläge dehnten sich unter allgemeiner Abschwächung im Tagesverlauf auf weitere Regionen Weiß- und Westrusslands sowie Teile der Ukraine aus. Besonders entlang der nach Norden voranschreitenden Warmfront konnten diese jedoch nochmals an Stärke gewinnen. Schauer und Gewitter brachten im ukrainischen Sumy 5,3 mm, im weißrussischen Mazyr 8,5 mm und in Vasilevici 11,4 mm mit sich. Im russischen Vladimir wurden durch anhaltenden Dauerregen 19 mm, in Mzensk durch gewittrige Schauer 20 mm und in Moskau durch Regen- sowie Schneeschauer 26 mm registriert.

Am 09.05. lag das Zentrum des Wirbels XANDER, dessen Kerndruck gegenüber dem Vortag um 5 hPa gefallen war, über Ryazan in Westrussland. Nordöstlich des Kerns erstreckte sich erneut eine Warmfront über weite Teile Russlands hinweg nach Osten, wohingegen die ihr nacheilende Kaltfront einen weiten Bogen über Odessa, Bukarest bis nach Genua beschrieb. Eine zweite, jedoch nicht mit dem Kern des Tiefs XANDER direkt verbundene Kaltfront verlief in etwa parallel zu der ersten und zog sich von Gomel über Wien bis nach Paris. Mit dem Zentrum verlagerten sich auch die Niederschläge nach Norden und hatten am 09.05. ihren Schwerpunkt entlang der Gebirgsausläufer des Urals. Dabei konnten sich diese beim Auftreffen auf die Gebirgskette durch Aufgleitvorgänge in kältere Luftschichten lokal erneut leicht intensivieren. Binnen 24 Stunden wurden aus Surskoe Regenschauer mit 7 mm, aus Syktyvkar Schneeschauer und nachfolgend leichter Regen mit 17 mm, und aus Gajny Regen- und Schneeschauer mit 22 mm gemeldet. In Novyj Tor'Jal wurden im selben Zeitraum 23,7 mm registriert. Über der Balkanhalbinsel hatte sich entlang der Kaltfront bereits in der ersten Tageshälfte ein neuer Tiefdruckwirbel ausbilden können, der im Laufe des 08.05. sowie in den Folgetagen für den Schwarzmeerraum wetterbestimmend wurde.

Bis zum 10.05. war das Tief XANDER nach Norden in Richtung Perm gezogen und hatte bis 00 Uhr UTC einen zweiten Kern ausbilden können, die beide einen minimalen Druck von weiterhin etwa 995 hPa aufwiesen. Vom ersten Kern westlich von Perm erstreckte sich eine Warmfront über das Uralgebirge und Surgut hinweg nach Osten sowie eine Kaltfront über Sarapul nach Süden, die sich nahe Volgograd mit dem Frontensystem eines über der Krim liegenden Wirbels verband. Vom zweiten Kern, der sich südöstlich von Perm befand, reichte eine Okklusionsfront nach Südosten. Das Maximum der Niederschläge konzentrierte sich um die beiden Zentren. Während das Erste begann nach Westen zu ziehen, verlagerte sich das Zweite unter Intensivierung seiner Niederschläge nach Nordosten, auch gingen die Niederschläge zunehmend in Schnee über. So fielen 24-stündig in Ufa durch Regenschauer 5 mm, in Beretovo durch leichten bis mäßigen, teils auch starken Schneefall 9 mm, aus Gari wurden Regen- und aus Pechora Schneeschauer mit je 10 mm Niederschlag gemeldet. Im vom zweiten Kern des Tief XANDER beeinflussten Oktjabrskoe, östlich des Urals gelegen, brachte anhaltender und teils schauerartig verstärkter sowie zeitweise auch mit Schnee vermengter Regen im selben Zeitraum bis zu 30 mm Niederschlag mit sich.

Mit einem auf 1000 hPa angestiegenen Kerndruck und wieder einem einzelnen eigenständigen Kern befand sich das Zentrum des sich allmählich abschwächenden Tiefdrucksystems XANDER um 00 Uhr UTC am 11.05. über Nordrussland, östlich von Archangelsk. Die Warmfront war von der ihr nacheilenden Kaltfront vollständig eingeholt worden, sodass sich entlang dieser eine Okklusionsfront ausbilden konnte. Diese reichte vom Kern des Wirbels XANDER über Uchta nach Osten und verband diesen mit dem tags zuvor entstandenen zweiten Kern, der als eigenständiger Wirbel nach Nordosten gezogen war. Die dem Tief XANDER zugehörigen Niederschläge hatten sich weitestgehend abgeschwächt und verblieben mit dem Wirbel nahezu stationär über dem Weißmeerraum. Binnen 24 Stunden wurden durch anhaltenden leichten bis mäßigen, lokal auch starken sowie lokal schauerartig verstärkten Schneefall in Kolezma und Sojna je 6 mm, bei Kem 7,4 mm und auf den Solowezki-Inseln bis zu 12 mm Niederschlag gemessen. In Archangelsk selbst blieb es trocken, jedoch wurden aus dem nur 35 km westlich gelegenem Sewerodwinsk kurze Schnee- und Hagelschauer gemeldet, die 0,5 mm Niederschlag brachten. Die anhaltenden Schneefälle ließen auch die noch vorhandenen Schneedecken nochmals anwachsen. So stieg die Schneehöhe in Kem von 4 auf 9 cm und auf den Solowezki-Inseln von 9 auf 19 cm.

Sich zunehmend in Auflösung befindend verlagerte sich das Tiefdruckgebiet XANDER nach Westen und lag am 12.05. gegen 00 Uhr UTC mit einem nur geringfügig veränderten Kerndruck und ohne zugehöriges Frontensystem über dem Weißen Meer. Im Laufe der folgenden Stunden schwächte sich der Wirbel XANDER zusehends ab, sodass dieser am 13.05. nicht mehr als eigenständiges Tief auf der Berliner Wetterkarte analysiert und somit auch nicht mehr namentlich auf jener verzeichnet werden konnte. Größere Niederschlagmengen kamen zuvor jedoch nicht mehr zusammen. Innerhalb von 24 Stunden wurden auf den Solowezki-Inseln 1,5 mm, in Raznavolok 2,8 mm und in Lesukonskoe noch bis zu 5 mm registriert.

 


Geschrieben am 18.07.2017 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 08.05.2017

Pate: Frank-Jochen Diener