Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XANDER

(getauft am 21.07.2013)

 

Am 20.07.2013 waren in der mittleren Troposphäre, was einer Höhe von 5,5 km entspricht, ein Höhenhoch mit Zentrum über Großbritannien und der Nordsee, sowie ein aus zwei Höhentiefs bestehender Kaltluftbereich, der vom Baltikum bis zur Halbinsel Kola reichte, die bestimmenden Systeme über Europa. Die Hauptströmung verlief dabei von Island über Skandinavien und Weißrussland nach Norden bis zum Weißen Meer.

Im Scheitelpunkt des südlichen Höhentiefs bildete sich innerhalb der langgestreckten Kaltfront von Tief WERNER über Weißrussland im Laufe des Tages ein neues Tiefdruckgebiet, welches am folgenden Tag auf den Namen XANDER getauft wurde.

Tiefdruckgebiet XANDER wurde am 21.07. um 02 Uhr MESZ mit einem Kerndruck von 1004 hPa südöstlich von Moskau analysiert. Es hatte zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend das Frontensystem vom Vorgänger Tief WERNER übernommen. Die Warmfront war nur kurz ausgebildet und reichte vom Zentrum aus bis über den Westen des Nordrussischen Tieflands, wo sie in die Okklusionsfront des Tiefs WERNER überging. Eine Okklusion ist ein Frontentyp, welcher die Eigenschaften von Kalt- und Warmfront in sich vereint. Außerdem erstreckte sich eine Kaltfront vom Zentrum aus über die Halbinsel Krim und Rumänien bis nach Kroatien. Insbesondere im Bereich des Zentrums waren dichte Wolkengebiete und darin eingebettete, schauerartig verstärkte Regengebiete vorhanden, die z.B. in Moskau 24 l/m² innerhalb von 24 Stunden brachten. Bereits am Vortag wurden hier 14 l/m² registriert. Im südlichen Bereich der Kaltfront bildeten sich in der Nacht zum 22.07. größere Gewitterzellen, die z.B. in Thessaloniki 15 l/m² Niederschlag innerhalb von 12 Stunden brachten.

Ab dem 22.07. befand sich der Höhenwirbel mit seinem Zentrum stationär über Moskau. Die Strömung um das Zentrum herum verlief vom Baltikum über Kiew, Wolgograd, Nischni Nowgorod nach St. Petersburg. Das Zentrum von Tief XANDER lag etwa unter dem des Höhentiefs. Da die Warmfront bis zur Kola-Halbinsel reichte, wurde auf der Nordseite von Tief XANDER subtropische Luft bis zur Barentssee transportiert. An der nordwestlich des Urals und der Mündung des Flusses Petschora gelegenen Station Narjan-Mar wurden als Höchsttemperatur 27°C gemessen. In Workuta am Nordural und nördlich des Polarkreises, waren es sogar 33°C. Im Bereich der Warmfront hatte sich ein großräumiges Regengebiet gebildet, welches von Nordosten her das Baltikum erreichte. In den Hauptstädten der baltischen Staaten Tallinn, Riga und Wilna fielen bei Höchsttemperaturen von 17°C bis 19°C im Tagesverlauf zwischen 7 l/m² und 11 l/m² Regen.

Am 23.07. um 02 Uhr MESZ wurde das Zentrum von Tief XANDER mit einem Kerndruck von 997 hPa südlich der Waldaihöhen über dem Grenzgebiet zwischen Russland und Weißrussland analysiert. Während nördlich und nordöstlich des Zentrums weiterhin subtropische Warmluft bestimmend war, strömte südlich von Tief XANDER von Osteuropa her immer mehr polare Kaltluft über die Ukraine nach Südwestrussland. So wurde aus Kiew als Tagesmaxima 20°C gemeldet, in Workuta waren es hingegen erneut 33°C. Das ehemals kompakte Regengebiet im Bereich der Warmfront von XANDER teilte sich in kleinere Gebiete auf, sodass nur noch örtlich größere Niederschlagssummen registriert wurden. In Minsk waren es 14 l/m², in Wilna 5 l/m² und in Riga nur 0,2 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Unter dichten Wolken blieben die Höchstwerte in den drei genannten Städten unter 20°C. Die weiter nördlich gelegene Stadt St. Petersburg befand sich dagegen im Warmluftsektor und meldete 24°C.

Am folgenden Tag hatte sich Tiefdruckgebiet XANDER nur wenig nach Südosten verlagert und wurde nun südwestlich von Moskau analysiert. Gleichzeitig hatte sich der Kerndruck abgeschwächt und war auf 1003 hPa angestiegen. Auch die Fronten waren nur noch schwach ausgeprägt, sodass örtlich begrenzte Regenschauer und Gewitter für die unterschiedlich hohen Niederschlagsmengen verantwortlich waren. In Wilna wurde mit 20 l/m² innerhalb von 24 Stunden die höchste Menge registriert, in Moskau und Minsk waren es je 5 l/m².

Am 25.07. hatten sich die Luftmassengegensätze abgeschwächt. Die in dem Großteil von Westrussland eingeflossene polare Kaltluft hatte sich inzwischen erwärmt und wurde nun als Luft der mittleren Breiten geführt. Dadurch waren in den beeinflussten Regionen wieder Höchsttemperaturen über 20°C möglich.

Tief XANDER lag mit seinem Zentrum um 02 Uhr MESZ einige hundert Kilometer östlich von Moskau. Das Frontensystem bestand an diesem Tag nur noch aus einer langgezogenen Okklusionsfront, die vom Zentrum ausgehend zum Asowschen Meer und weiter über die Ukraine bis nach Weißrussland verlief. Von dort wurde eine Kaltfront bis zum nördlichen Ural analysiert, bei deren Durchzug z.B. in Workuta in der vorangegangenen Nacht fast 6 Stunden lang Gewitter, aber weniger als 1 l/m² Regen registriert wurden. Die Kaltfront verlagerte sich dabei nur langsam und brachte auch nur wenig Abkühlung für das Einflussgebiet, sodass am Tag darauf in Workuta wieder 31°C verzeichnet wurden. An vielen Stationen in Westrussland wurde kaum oder gar kein Niederschlag registriert.

Das Zentrum von Tief XANDER befand sich auch am 26.07. fast stationär über der Region Perm, wobei sich der Kerndruck aufgrund des sich verstärkenden Höhenwirbels nochmals auf 997 hPa vertiefen konnte. Die Okklusionsfront verlief vom Zentrum aus über den zentralen Ural nach Westsibirien und löste dabei Schauer und Gewitter aus. In Perm wurden trotz beobachteter Gewitter nur 1 l/m² innerhalb von 24 Stunden registriert. Der Durchzug der Gewitterfront ging mit einer Abkühlung einher, sodass hier nach 28°C am Vortag nur noch 23°C registriert wurden. Am Nordural verlagerte sich die vormals nach Osten gezogene Kaltfront durch das Tief XANDER nach Westen und wurde, da sich hinter der Front die subtropische Warmluft befand, wieder als Warmfront geführt. Mit einem Tagesmaximum von 29°C verfehlte Workuta einen heißen Tag nur knapp.

Das Zentrum von XANDER lag am 27.07. um 02 Uhr MESZ über der Region Uljanowsk an der Wolga. Das Frontensystem verlief als Okklusionsfront vom Zentrum aus nordwestlich bis nördlich zur Region Archangelsk. Von dort an wurde das Frontensystem als Warmfront analysiert, die nordöstlich entlang der Küstenregion der Barentssee bis zur Karasee reichte. Durch die Warmluft aus Westsibirien stiegen die Temperaturwerte in Workuta erneut bis auf 29°C. Auch Perm lag im Warmluftsektor, wodurch hier 25°C als Höchstwert gemessen wurden. Das neu formierte Frontensystem konnte sich allerdings nicht weiter nach Westen verlagern, sodass Moskau und Archangelsk nicht mehr in den Warmluftbereich gelangten und in diesen Städten nur Höchsttemperaturen von 17°C bzw. 18°C erreicht wurden. Grund dafür war ein Hochdruckgebiet mit Zentrum über der Barentssee, welches sich langsam nach Osten zur Inselgruppe Nowaja Semlja verlagerte.

Mit dem sich abschwächenden Höhentief, welches sich weiterhin mit dem Zentrum zwischen Moskau und Wolgograd befand, lag das Tief XANDER am 28.07. mit seinem Zentrum um 02 Uhr MESZ über dem Südural. Die Okklusionsfront verlief bogenförmig vom Zentrum ausgehend einige hundert Kilometer bis nach Kazan, bevor sie den Charakter einer Warmfront annahm und als solche bis über das zentrale Uralgebirge reichte, wo sie in eine Kaltfront überging. Dabei löste die Okklusion Schauer und Gewitter aus, wodurch im Einflussbereich bis zu 6 l/m² Niederschlag innerhalb von 12 Stunden fielen. Die Stadt Workuta profitierte an diesem Tag letztmalig von der Warmluft, weshalb nochmals eine Tageshöchsttemperatur von 28°C erreicht wurde. Der Luftmassenwechsel zur polaren Kaltluft vollzog sich hier ohne Niederschläge oder signifikanten Wettererscheinungen, sodass am nächsten Tag der Höchstwert nur noch bei 16°C lag.

Vom 29.07. bis zum 31.07. befand sich das Zentrum von Tief XANDER fast stationär über den Wolgaregionen Uljanowsk, Samara und Saratow. Da die Fronten in diesem Zeitraum überwiegend nördlich bis nordöstlich des Zentrums lagen, wurde z.B. die Stadt Perm durchgehend von Tief XANDER beeinflusst. Innerhalb dieser 3 Tage sank der Kerndruck auf ca. 1002 hPa und es wurden einzelne Gewitter oder kurze Regenschauer beobachtet, die aber nur geringe Niederschlagsmengen von maximal 0,5 l/m² innerhalb von 12 Stunden brachten. Das höchste Tagesmaximum wurde am 30.07. mit 28°C gemessen.

Der Kerndruck von Tief XANDER erreichte am 01.08. mit etwa 995 hPa einen neuen Tiefstwert. Die zugehörigen Fronten hatten sich aber weitgehend aufgelöst. Es konnte lediglich eine schwache Okklusionsfront analysiert werden, welche vom Zentrum aus über den zentralen Ural bis nach Westsibirien reichte.

Tiefdruckgebiet XANDER erschien zwar noch bis zum 03.08. über dem Südural auf der Berliner Wetterkarte, war aber fast ausschließlich über Westsibirien aktiv, wobei trotz des Kerndrucks von etwa 995 hPa nur schwach ausgeprägte Fronten analysiert wurden und von einer dementsprechend geringen Wetteraktivität ausgegangen werden musste. Aufgrund des stabilen und langlebigen Höhenwirbels erreichte Tief XANDER eine Lebensdauer von 15 Tagen und verließ am 03.08.2013 den Analysebereich der Berliner Wetterkarte mit östlicher Zugrichtung nach Kasachstan.

 

 

Geschrieben am 12.09.2013 von Matthias Treinzen

Wetterkarte: 24.07.2013

Pate: Nils Römeling