Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
XANDRÉ
(getauft am
28.10.2015)
Auf der Rückseite eines Kaltluftvorstoßes
in der mittleren Atmosphäre bildete sich Ende Oktober an der damit
einhergehenden wellenförmigen Strömungsdeformation ein Tiefdrucksystem am Boden
aus, welches um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, des 28.10.2015 von den
Meteorologen der Berliner Wetterkarte am Boden analysiert wurde und noch am
selben Tag auf den Namen XANDRÉ getauft wurde.
Die Zyklone XANDRÉ befand sich zu diesem
Zeitpunkt südlich von Angmagssalik in etwa auf dem Breitengrad Dublins und
somit zentral über dem nördlichen Atlantik. Der Wirbel XANDRÉ war bereits eine
vollständig ausgebildete Zyklone, das bedeutet, sie wies schon eine
Okklusionsfront auf. Hierunter versteht man eine Mischfront mit Eigenschaften
einer Warm- und Kaltfront, die durch die Vereinigung beider entsteht, da die
Kaltfront sich schneller verlagert und somit die Warmfront im Okklusionspunkt
einholt und diese anhebt. Diese Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern nordwärts
und ging vor Grönland in die Okklusion eines ungetauften Tiefs bei Angmagssalik
über. Die Warmfront erstreckte sich vom Kern ausgehend, der einen Kerndruck von
etwas unter 985 hPa aufwies, südwärts in einem Bogen und reichte bis zum
gleichen Breitegrad wie Gibraltar. Die Kaltfront verlief weiter westlich und wies
einen deutlich stärker gekrümmten westwärts gerichteten Bogen auf, so dass sie
sich bis zu den Bermudas, wo sie den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ,
erstreckte.
Bis zum 29.10.2015 hatte sich der Wirbel
XANDRÉ nur rund 1000 km in nordöstliche Richtung verlagert. Der Kern befand
sich südlich von Reykjavík auf dem Breitengrad Edinburghs und hatte sich
abermals deutlich auf einem Kerndruck von unter 965 hPa verstärkt. Somit konnte
der Wirbel XANDRÉ als Sturmtief klassifiziert werden. Vom Kern in östliche
Richtung erstreckte sich eine Okklusion, die zunächst als Höhenokklusion
analysiert wurde, über der Westküste Irlands aber im Bodenniveau Einfluss nahm.
Sie erstreckte sich bis zum Okklusionspunkt, der sich westlich der Bretagne
über der nördlichen Biskaya befand. Von dort zog sich eine kurze Warmfront bis
zum nordöstlichen Portugal bei Bragança. Die Kaltfront reichte weiterhin weit
hinaus über den Atlantik. In den Mittagsstunden brachte der Wirbel XANDRÉ im
schottischen Cairnwell orkanartige Böen mit bis zu 106 km/h. In Bragança
stiegen mit Durchzug der Warmfront die Tageshöchsttemperaturen vom Vortag von
12,0°C auf 14,6°C bei wiederholt einsetzenden leichten Sprühregen, der in 24
Stunden bis um 06 Uhr UTC des Folgetages insgesamt 2,3 l/m² brachte. In Brest
in der Bretagne setzten bereits in der Nacht Regenfälle ein, wobei bis 12 Uhr
UTC in 6 Stunden 6 l/m² fielen und ab dem späten Abend bis 06 Uhr UTC des
nächsten Tages in 12 Stunden weitere 23 l/m² verursachten.
Sich retrograd verlagernd, dies bedeutet
entgegen der üblichen östlichen Grundströmung, erreichte das Tief XANDRÉ mit
unverändertem Kerndruck in den Morgenstunden des 30.10.2015 den südlichen Bereich
der Irmingersee. Dabei erstreckte sich das Frontensystem vom zentralen Atlantik
bis über Westeuropa. Nördlich des Kerns verliefen eine Okklusion nach Süden und
eine weitere nach Nordosten, die einen Bogen um Island beschrieb, sich dann über
die Nordsee zog, wo die Okklusion den Charakter einer Kaltfront annahm. Über
Südostengland spaltete diese sich in eine nach Le Mans führende Warmfront und
eine Kaltfront auf, welche über London in eine Warmfront überging. Durch den
Durchzug der Warmfront stieg in Paris im Vergleich zum Vortag die Tageshöchsttemperatur
von 11,7 °C auf 16,2 °C. Demgegenüber sanken in Reykjavík die
Tageshöchsttemperaturen innerhalb von zwei Tagen von 12,1°C auf 8,5°C. Außerdem
konnten Gewitter beobachtet werden, wobei die 24-stündige Niederschlagsmessung
um 09 Uhr UTC nur 1 l/m² ergab.
Am 31.10.2015 wurde das Tiefdrucksystem
XANDRÉ mit zwei Kernen analysiert. Der ursprüngliche Kern befand sich weiterhin
südwestlich von Reykjavík und hatte sich leicht auf etwas unter 985 hPa
abgeschwächt. Der Kern wies eine Konvergenzlinie
auf, die sich vom Zentrum südwärts erstreckte. Konvergenzlinien sind Bereiche,
in denen strömungsbedingt Luftmassen zusammenfließen, was zu Hebungsprozessen
führt und es damit häufig zur Niederschlagsbildung oder auch zu Gewittern kommt.
Der zweite Kern der Zyklone XANDRÉ befand sich nordwestlich von Trondheim
einige hundert Kilometer vor der Küste Norwegens über der norwegischen See. Von
ihm ging eine kurze Okklusionsfront aus, die schon über der Nordsee in die
Warmfront des nachfolgenden Tiefs YORSCH überging.
Im Laufe des Tages wurde der zweite Kern
bis zu den Mittagstunden von dem Tief YORSCH aufgenommen, während der Kern
XANDRÉ I in den Abendstunden in dessen Zirkulation überging. Somit war dies der
letzte Tag an dem das Tief XANDRÉ in der Berliner Wetterkarte analysiert werden
konnte.
Geschrieben
am 06.02.2016 von Patrick Ilmer
Wetterkarte
: 30.10.2015
Pate: Hans-Jürgen
Schlicke