Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet XANDRA
(getauft am 27.11.2014)
Auf der Rückseite eines Tiefdruckgebiets
über dem Norden der USA gelangte am Abend des 23.11.2014 sehr kalte Luft
subpolaren Ursprungs in Bodennähe und in höheren Luftschichten vom Norden her
bis in den mittleren Westen der USA. In der Nacht zum 24.11. erreichte die
Kaltluft die amerikanischen Südstaaten, vor allem im Bereich der Bundesstaaten
Texas und Louisiana, wo sie auf feuchtwarme Luft traf, welche vom Golf von
Mexiko herangeführt wurde. Infolgedessen entstand in bodennahen Schichten ein
Tiefdruckgebiet, welches mit der dominierenden Höhenströmung nordostwärts
geführt wurde. Um 12 Uhr UTC des 24.11.2014 hatte das Tief einen Kerndruck von
980 hPa erreicht und war bis in den Bereich der Großen Seen gezogen. Dort
sorgte es den ganzen Tag über für starke Regenfälle im Warmluftsektor auf der
Tiefvorderseite und auf der Rückseite des Tiefs im Bereich der Kaltluft für
starke Schneefälle.
Am 25.11.2014 01 Uhr MEZ war der
Tiefdruckwirbel erstmals auf der Bodenkarte der Berliner Wetterkarte im Bereich
des nordöstlichen Kanadas erkennbar. Eine vorlaufende, schwach ausgeprägte
Warmfront und der nachfolgende Warmluftsektor waren vom Tiefzentrum, welches
einen Luftdruck von ca. 980 hPa aufwies, Richtung Südosten bis nach Neufundland
ausgebildet. Die nachfolgende Okklusionsfront reichte bis zur Atlantikküste, wo
sie sich im Bereich der kanadisch-amerikanischen Grenze in eine Warmfront,
welche auf den Atlantik hinaus Richtung Bermuda
reichte und eine Kaltfront, welche entlang der amerikanischen Atlantikküste
verlief, aufspaltete. Als Okklusion bezeichnet man in der Meteorologie den
Bereich der Front, bei dem die auf der Vorderseite des Tiefdruckgebiets
liegende Warmfront von der nachfolgenden, schneller ziehenden Kaltfront
eingeholt wurde, wodurch sich eine Mischfront ausbildet.
Das Tief zog im weiteren Verlauf weiter
nordostwärts und lag mit seinem Zentrum am 26.11. um 01 Uhr MEZ über der
Labradorsee zwischen Neufundland und Südgrönland. Die Okklusionsfront hatte
sich, gebunden an den Tiefdruckkern des Tiefsdruckgebiets mit einem
zentrumsnahen Druck von unter 980 hPa, ebenfalls in nordöstliche Richtung
verlagert und teilte sich am Okklusionspunkt, dem Punkt an dem Kalt- und
Warmfront zusammentreffen, ungefähr 600 km südlich des Tiefzentrums in eine
kurze Warmfront und eine parallel zur US-Atlantikküste
liegende Kaltfront auf. Auf der Rückseite des Tiefdruckwirbels wurde in
Richtung des amerikanischen Festlandes eine zweite, nachfolgende Kaltfront
identifiziert.
Am 27.11.2014 wurde der nun südöstlich von
Grönland befindliche und schon deutlich okkludierte Tiefdruckwirbel auf den
Namen XANDRA getauft und in der Analyse der Berliner Wetterkarte von 01 MEZ
erstmals unter diesem Namen erwähnt. Der Kerndruck betrug nun etwa 973 hPa. Die
sich um das Zentrum herum ausgebildete Okklusion reichte ca. 1000 km weit
nach Süden und teilte sich dort in eine Warmfront in Richtung der Azoren und
eine Kaltfront, welche südöstlich von Neufundland in die Warmfront eines
nachfolgendes Tiefs überging.
Der Tiefdruckwirbel XANDRA verlagerte sich
mit seinem Frontensystem in der Folgezeit bis 01 Uhr MEZ des 28.11. rasch südostwärts,
wobei sich das Tiefzentrum in zwei Kerne aufgespalten hatte, einem nördlichen
vor der Westküste Irlands liegenden namens XANDRA I und einem südlichen vor der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinseln befindlichen mit dem Namen XANDRA II.
Der Tiefdruckkomplex XANDRA hatte sich zudem bis in die höheren Schichten der
Troposphäre durchgesetzt, sodass sich in 500 hPa, was etwa einer Höhe von 5,5
km entspricht, der Trog weit nach Süden bis zur Nordwestküste Afrikas erstrteckte. Dabei
verlief an der Nordseite des Tiefs eine etwa 800 km lange Okklusionsfront südsüdwestwärts, deren Zugrichtung sich im Tiefzentrum umkehrte
und an der Südflanke von XANDRA II südostwärts in Richtung Portugal zog. Der
Okklusionspunkt lag um 01 Uhr MEZ direkt über Lissabon. Zu dieser Zeit
erreichte die vorlaufende Warmfront die Atlantikküste Marokkos, während die
nachfolgende Kaltfront die Azoren südwärts überquerte. Im Bereich der Okklusions- und Warmfront setzten vermehrt starke
Niederschläge über Portugal ein, welche in Marokko sogar unwetterartig
ausfielen. An der Station Faro/Aeroporto im Süden
Portugals wurden bis 07 Uhr MEZ diesen Teges
24-stündig 27,0 mm Niederschlag registriert, in Cabo Carvoeiro
ca. 75 km nördlich von Lissabon 25,1 mm. Im spanischen Jerez
De La Fronteraaeropuerto fielen im gleichen Zeitraum
53,8 mm, im marokkanischen Chefchaouen sogar 118,0 mm
Niederschlag. Zudem wurden
stürmische Böen von 70 bis 80 km/h in diesem Bereich gemessen. Der gesamte
Tiefdruckkomplex und die an die Fronten gebundenen Niederschlagsgebiete, die
vor allem in Marokko und Algerien sehr intensiv auftraten, verlagerten sich in
den Folgestunden weiter in Richtung Südosten. Der Tiefdruckkomplex teilte sich
dabei weiter in voneinander getrennte Zentren auf.
In der Analyse vom 29.11. um 01 Uhr MEZ
wurden daher 3 Tiefdruckkerne identifiziert, das Zentrum XANDRA I lag mit
einem Kerndruck von 985 hPa westlich der Straße von Gibraltar, die Tiefs XANDRA
II und XANDRA III befanden sich mit einem zentrumsnahen Druck von 995 hPa nördlich
bzw. nordwestlich der Iberischen Halbinsel. An das Tief XANDRA I waren eine
ostwärts über die marrokanisch-algerische Grenze
ziehende und bis auf den Atlantik reichende Kaltfront und eine neu
ausgebildete, über Südspanien westwärts ziehende Warmfront gebunden. Die
Kaltfront war zuvor über die kanarischen Inseln südwärts gezogen. Zwischen den
Tiefs XANDRA II und XANDRA III verlief eine kurze Okklusionsfront. Aufgrund der
jedoch nur langsamen Zuggeschwindigkeit der Tiefdruckgebiete verlagerten sich
die Niederschlagsgebiete nur langsam, wodurch örtlich bis zum Morgen des 29.11.
um 07 Uhr MEZ erneut sehr hohe Niederschlagssummen registriert wurden. Die
stärksten Niederschläge traten im Bereich der Kaltfront von Tief XANDRA I auf.
An der Wetterstation Lanzarote/Aeropuerto wurden
binnen 24 Stunden 132 mm Niederschlag und zudem Windböen in Sturmstärke von
96,4 km/h gemessen. Im marokkanischen Agadir fielen durch starke Gewitter und
Stauung der Niederschläge am Atlasgebirge 117 mm. Ungewöhnlich viel
Niederschlag gab es auch an der algerischen Station Bechar
am Nordrand der Sahara. Dort wurden im 24 stündigen
Zeitraum 70 mm Niederschlag registriert. Der Tiefdruckkomplex XANDRA zog im
Tagesverlauf ostwärts Richtung Mittelmeer und löste ab den Mittagsstunden im
Umfeld der Pyrenäen im Zusammenhang mit der Okklusionsfront heftige Gewitter
aus. Diese verlagerten sich nordwärts und brachten vereinzelt Böen in
Orkanstärke wie beispielsweise im südfranzösischen Leucate
mit 133,4 km/h.
Die Tiefdruckgebiete XANDRA II und XANDRA
III schwächten sich jedoch im Verlauf stark ab, sodass am Morgen des 30.11. nur
ein Tief, welches nun wieder nur den Namen XANDRA trug, in der Analyse der
Berliner Wetterkarte mit seinem Kern über dem südlichen Spanien zu erkennen
war. Der Druck im Zentrum betrug etwa 996 hPa. Die Okklusionsfront des nun
schon stark okkludierten Wirbels reichte von der Nordwestspitze Spaniens im
Uhrzeigersinn um das Tiefzentrum herum bis zum nördlichen Teil der algerischen
Sahara. Auf der Vorderseite des Tiefs wurden jedoch sehr warme und trockene
Luftmassen aus dem Bereich der nördlichen Sahara bis in den Mittelmeerraum nach
Süditalien geführt, wodurch in Palermo / Punta Raisi
für Ende November ungewöhnlich warme 29,6°C gemessen wurden. Die 24-stündige
Niederschlagsmessung von 07 Uhr MEZ lieferte abermals sehr hohe, im
Zusammenhang mit Tief XANDRA aufgetretene Niederschlagssummen. Entlang der am
Vorabend von Nordspanien über Südfrankreich gezogenen Gewitterlinie kamen in
französischen Cap Bear 169,5 mm Niederschlag und im
spanischen Gerona 63,7 mm zusammen.
Bedingt durch das wärmere Mittelmeerwasser
konnte sich das Tiefdruckgebiet XANDRA bei seiner Verlagerung ostwärts bis zum
01.12. wieder leicht verstärken. Eine Warmfront erstreckte sich von den
Balearen bis Norditalien und eine Kaltfront verlief südostwärts nach Tunesien.
Das Tiefzentrum mit einem Druck von ca. 992 hPa befand sich genau über den Balearen.
In Gerona summierte sich der Niederschlag in 24
Stunden bis 07 Uhr MEZ erneut auf 73,1 mm, sodass dort 48-stündig 136,8 mm
Niederschlag fielen. Im italienischen Mondovi wurden
zudem 53,0 mm und im französischen Cannes 43,4 mm Niederschlag gemessen.
Das Tief XANDRA zog in den darauffolgenden
beiden Tagen nur langsam ostwärts und schwächte sich merklich ab. Am Morgen des
03.12. befand sich das Tiefdruckzentrum zwischen Sizilen
und Sardinien und wies einen Kerndruck von nur noch ca. 1002 hPa auf. In
Italien traten bis zum 02.12. und 03.12. um 07 Uhr MEZ verbreitet Niederschlagssummen
von 30 bis 40 mm innerhalb von 24 Stunden auf, welcher jedoch in Form von
Dauerregen fiel. Auf der Rückseite von Tief XANDRA wurde zudem Kaltluft bis
nach Nordafrika geführt, welche beim Zusammentreffen mit der heißen Saharaluft
erneut für Starkniederschläge in Algerien mit 58,0 mm Niederschlag innerhalb
von 24 Stunden bis zum 02.12. um 07 Uhr MEZ in Alger Port an der
Mittelmeerküste, sowie 51,0 mm in Tizi-Ouzou im Landesinneren
bis zum 03.12. 07 Uhr MEZ sorgte.
In der Nacht zum 04.12. kam es westlich des
ehemaligen Tiefdruckzentrums südlich der Balearen zur Ausbildung eines
Tiefdruckkerns mit einer daran gebundenen, schwachen Okklusionsfront. Dieser
neue Tiefdruckkern befand sich im Tiefdruckkomplex von Tief XANDRA. An der noch
schwach ausgeprägten Okklusionsfront des weiter östlich liegenden Tiefzentrums
von Tief XANDRA kam es binnen 24 Stunden in Rimini an der italienischen Adriaküste
zu 72,6 mm Niederschlag. In den folgenden Tagen lag das Tief XANDRA quasistationär
über dem Golf von Genua. Am 06.12. wurden in Südfrankreich innerhalb von 24
Stunden mit Schwerpunkt um die Stadt Hyeres 80 bis 90
mm Niederschlag gemessen. In den darauffolgenden Tagen schwächte sich der Wirbel
XANDRA weiter ab, so dass es am 08.12. nicht mehr auf den Bodenwetterkarten zu
erkennen war.
Das Tiefdruckgebiet XANDRA hatte eine für
ein Tief ungewöhnlich lange Lebensdauer von 14 Tagen mit diversen Spaltungen
und Neubildungen des Tiefdrucksystems. Die Zugbahn verlief vom Süden des
nordamerikanischen Kontinents über den Süden Grönlands, der Nordwestküste
Afrikas bis über Italien.
Geschrieben
am 23.01.2014 von Maximilian Steinbach
Berliner
Wetterkarte: 01.12..2014
Pate:
Andreas Graap