Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet XANTHIPPE
(getauft am
16.05.2012)
In der ersten Maihälfte entstand aus einer
Wellenstörung eine Zyklone über dem westlichen Nordatlantik. Sie verlagerte
sich langsam ostwärts und erreichte am 15.05. die Azoren. Als am 16.05.
ersichtlich wurde, dass dieses Tiefdruckgebiet das Wetter in Europa
beeinflussen sollte, wurde es auf den Namen XANTHIPPE getauft.
Das Tiefdruckgebiet befand sich an der
Vorderseite eines Troges, eines Vorstoßes kalter Luft nach Süden. In der 500
hPa Höhenwetterkarte, die dem Niveau von rund 5,5 km entspricht, ist eine
deutliche Ausbildung des Tiefs XANTHIPPE in der Höhe zu sehen. Dadurch konnte
sich letztendlich auch das korrespondierende Bodentief ausbilden. Wegen der zyklonalen Drehung des Tiefdruckgebietes,
also der Drehung entgegen des Uhrzeigersinns, musste sein Frontensystem
bestehend aus einer Kalt– und Warmfront ihm folgen. Da die Kaltfront in ihrer
Verlagerung stets schneller als die der Warmfront ist, holte sie langsam die
Warmfront ein. Die daraus entstandene Mischfront wird Okklusion genannt. Sie
führt in den meisten Fällen zu reichlichen Niederschlägen im Frontenbereich.
Zum Zeitpunkt der Taufe besaß die Zyklone einen über den Azoren liegenden Kern
mit einem Druck von ca. 1015 hPa und eine mehr als 2000 km lange Okklusionsfront.
Sie erstreckte sich spiralförmig zuerst
nach Norden über die Azoren hinweg, dann rund 1000 km östlich auf Breite der
Stadt Lissabon und ging schließlich in eine nach Süden reichende Kaltfront
über, die sich bis weit hinaus aus dem Bereich der Berliner Wetterkarte zog.
Schon am nächsten Tag befand sich das
Tiefdruckgebiet mit seinem Kern knapp nordwestlich über der Nordwestspitze der
Iberischen Halbinsel. Der Kern des Wirbels XANTHIPPE wies dabei einen Druck von
ca. 1010 hPa auf. Die daran angeschlossene Warmfront, die über mehr als 1000 km
nach Südosten quer über die Iberische Halbinsel reichte, hatte sich fast nahezu
geradlinig entlang des Flusses Ebro ausgebildet. Die zum Frontensystem
gehörende Kaltfront beschrieb einen Bogen über die Westküste der Iberischen Halbinsel
und ging nach ca. 3000 km in ein anderes Frontensystem über. Außerdem wies
die Zyklone an diesem Tag noch eine rücklaufende Okklusion auf, die vom Kern
ausgehend rund 500 km nach Südwesten über den Atlantik reichte.
Im Laufe des Tages überquerte die Kaltfront
die Nordwesthälfte der Iberischen Halbinsel und brachte kühle maritim erwärmte
Subpolarluft mit sich. An der Wetterstation in Lissabon, die sich am 16.05. im
Warmluftsektor mit maritimer Tropikluft befand, lag die Höchsttemperatur des
Tages bei 34°C. Am 17.05, nach dem Durchzug der Kaltfront wurde nur noch eine
Höchsttemperatur von 24°C registriert.
Das Tiefdrucksystem verlagerte sich weiter
entlang der Höhenströmung nach Nordosten, überquerte dabei den Golf von Biskaya
und lag am 18.05. um 01:00 Uhr MEZ mit seinem Zentrum über der Stadt Brest in der Bretagne. Die ca. 800
km lange Okklusionsfront erstreckte sich bogenförmig um den Kern herum über den
Ärmelkanal bis Paris, wo sie sich erneut aufspaltete. Die Warmfront reichte ca.
600 km nach Südosten und endete über den Alpen und die Kaltfront zog sich nach
Südwesten und ging nach ca. 1000 km in ein nachfolgendes Frontensystem über. Im
Laufe des Tages erreichten die Ausläufer des Tiefs XANTHIPPE auch Westdeutschland
und sorgten dort für örtliche Niederschläge. In Wiesbaden und Hahn fielen z. B.
2 l/m².
Am nächsten Tag, dem 19.05., verlagerte
sich das Frontensystem der Zyklone XANTHIPPE einige Hundert Kilometer weiter nach
Nordosten. Der Einflussbereich des Tiefs dehnte sich über den Britischen Inseln
stark aus, dabei hat sich erneut eine rücklaufende Okklusion entwickelt, die
aber am Boden hauptsächlich als Kaltfront zu analysieren war. Diese sogenannte
Kaltfrontokklusion erstreckte sich vom Kern aus ca. 1500 km nach Südwesten über
den Nordatlantik. Die vorlaufende Okklusion beschrieb einen Bogen vom Kern aus
über die Nordsee bis nach Bremen und dann nach Köln und spaltete sich dort in eine
Warm– und Kaltfront auf. Die Kaltfront erstreckte sich über Frankreich nach
Südwesten. Dabei entstand an der Kaltfront nach ca. 2000 km über Spanien eine
frontale Welle, die zur Bildung des Tiefs YVI führte. Die Warmfront reichte von
Köln aus bis über Süddeutschland und endete über den Alpen.
Das Tief XANTHIPPE brachte erneut gebietsweise
Niederschläge mit sich. Die Station in Stuttgart registrierte im Laufe dieses
Tages ca. 5 l/m². Um 15:00 Uhr MEZ wurde an der Station Berlin–Dahlem,
die zu der Zeit im Bereich des Warmluftsektors lag, eine Temperatur von 24,8°C
gemessen. Im Gegensatz dazu wurde an der Wetterstation Kap Arkona, die nur
knapp 300 km Luftlinie von Berlin entfernt ist, in der gleichen Zeit nur noch
12,4°C registriert. Diese zuletzt genannte
Station befand sich zu dem Augenblick in den kälteren Luftmassen knapp Hundert
Kilometer vor der Warmfront.
Am 20.05. verlagerte sich das
Tiefdruckgebiet weiter nach Nordosten und lag mit seinem Kern und einem Druck
von rund 1013 hPa über der Nordsee. Die ca. 500 km lange Okklusionsfront
erstreckte sich über die Nordsee bis zum Okklusionspunkt knapp südwestlich von
Oslo. Die Kaltfront beschrieb einen südlichen Bogen und ging nur ca. 100 km
westlich von Bremen in das Frontensystem YVI über. Die Warmfront erstreckte
sich dagegen nach Nordosten, verlief über Schweden, die nördliche Ostsee,
Nordwestrussland und ging ca. 500 km vor dem Uralgebirge in die Kaltfront des
Tiefs WIEBKE über. Es gab erneut teils ergiebige Niederschläge. Die Station in
Amsterdam meldete innerhalb von 24 Stunden bis zum nächsten Morgen eine
Niederschlagsmenge von 13 l/m² und im hessischen Michelstadt–Vielbrunn wurden sogar 16 l/m² registriert.
Am nächsten Tag, dem 21.05.,
schwächte sich das Tiefdruckgebiet XANTHIPPE auf seinem Weg nach Nordosten deutlich
ab, wodurch es nicht mehr als eigenständiges Tiefdruckgebiet auf der Berliner
Wetterkarte analysiert werden konnte.
Geschrieben am 28.06.2012 von
Anastasia Karb
Berliner Wetterkarte:
18.05.2012
Pate: Kalinka Tiburtius