Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XANTHOS

(getauft am 13.02.2021)

 

Am 13. Februar 2021 herrschte eine Blockierungswetterlage über Mitteleuropa. Das Hoch HELIDA erstreckte sich von den Alpen hoch nach Skandinavien und wurde im Westen und Osten von Tiefs flankiert. Das Tief VOLKER lag hierbei über Westrussland, und ein nicht benanntes, aber dennoch recht kräftiges Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von 956 hPa lag über dem Atlantischen Ozean. Insgesamt erinnerte diese Lage etwas an ein Omegahoch, welche im Sommer bekannter sind und dort meist Hitze und Dürre nach Mitteleuropa bringen. Die Druckgebiete hier waren so markant, dass sie sich bis in die Höhe durchsetzten. Auf einer Druckfläche von 500 hPa, was etwa 5,5 Kilometern entspricht, war das Hoch etwas weiter im Westen anzufinden. Der Keil, also ein Warmluftvorstoß nach Norden, lag dort über den Britischen Inseln und erstreckte sich hoch bis nach Island, was zu einer Blockierung des Jetstreams führte. Der Jetstream ist ein starkes Westwindband in der Höhe, was normalerweise über Mitteleuropa verläuft. In diesem Fall wurde er allerdings vor Irland nach Norden abgelenkt und strömte hoch nach Grönland. Auf der Rückseite dieses Keils über dem Atlantischen Ozean wurde die Entstehung eines Randtiefs am unbenannten Tiefdruckgebiet prognostiziert, welches auf den Namen XANTHOS getauft wurde.

Am kommenden Tag um 01 Uhr deutscher Zeit hatte sich das Randtief XANTHOS bereits gebildet. Zu dem Zeitpunkt lag es mit einem Kerndruck von etwa 980hPa südlich von Island. Vom Kern aus verlief eine Okklusion nach Süden. Eine Okklusion entsteht, wenn eine Warmfront von einer ebenfalls zum Tief gehörenden Kaltfront eingeholt wird, sich die kalte Luft dann in der Folge unter die warme schiebt und diese in die Höhe anhebt. An der nordwestlichen Küste Irlands spaltete sich die Okklusion am sogenannten Okklusionspunkt schließlich in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die Warmfront ging von da aus weiter nach Süden an der Westküste Irlands entlang auf den Atlantik hinaus. Die Kaltfront hingegen bewegte sich allerdings entgegengesetzt, sodass sie schon als Warmfront eines anderen unbenannten Randtiefs gesehen werden konnte, welches nördlich der Azoren lag. Im Tagesverlauf verlagerte sich Tief XANTHOS mit dem Jetstream nach Norden in Richtung Island. Die Warmfront hingegen bewegte sich etwas nach Osten über die Britischen Inseln hinweg. Der gefallene Niederschlag war an diesem Tag allerdings nicht allzu hoch. In Großbritannien fiel meist nicht mehr als 1 mm in 24 Stunden, in Irland und an der schottischen Westküste gab es allerdings etwas mehr. In Schottland in Port Ellen wurden zum Beispiel 9 mm und auf Tiree 14 mm gemessen. In Nordirland fielen mit 10 mm die größten Niederschlagssummen in der Zeit. In Irland selbst lagen die Regenmengen ebenfalls in diesem Bereich, am meisten gab es mit 12 mm in Valentia. Aber die Warmfront veränderte auch viel an der Temperatur. Lag am Vortag die Maximaltemperatur in Irland noch bei 4,0°C in Dublin, erreichte sie 12,7°C nach Durchzug der Warmfront. Auch in Belfast in Nordirland ging die Temperatur steil nach oben: Von 3,0°C auf bis zu 11,5°C. Auch in Großbritannien lagen die Höchsttemperaturen meist um 5 bis 8 Kelvin höher als am Vortag.

Am 15. Februar lag der Kern von XANTHOS mit einem Kerndruck knapp über 970 hPa südwestlich vor Reykjavik, ein zweiter Kern mit einem ähnlichen Druck lag etwas östlich davon. Vom Hauptkern aus verlief eine Okklusion um Island herum an der Westküste Norwegens entlang und dann weiter nach Süden über die Nordsee bis hinunter nach Paris. Vom zweiten Kern erstreckte sich ebenfalls eine Okklusion etwas westlich von der anderen Okklusion an der Ostküste Großbritanniens entlang über London und den Nordwestzipfel Spaniens, von wo aus sie als Kaltfront weiter auf den Atlantik hinaus ging. Im Tagesverlauf wanderte das Randtief um den Hauptkern von XANTHOS gegen den Uhrzeigersinn herum und löste sich schließlich auf, während der Hauptkern sich weiter nach Nordwesten bewegte. Die Front über dem Atlantischen Ozean blieb relativ stationär, südlich von Norwegen allerdings bewegte sich der Teil der Okklusion nach Osten über die Benelux-Staaten und Westdeutschland hinweg und in der Nacht auch über Ostdeutschland. Der Niederschlag, der durch die Okklusion verursacht wurde, fiel zunächst als Schnee und ging dann rasch in gefrierenden Regen und Regen über, bevor sich hinter der Front meist feuchter Dunst oder Nebel bildete. Im Süden Deutschlands am Ende der Front fielen die Niederschlagsmengen geringer aus als im Norden. In Regionen in Bayern und Baden-Württemberg fielen beispielsweise bis zum frühen Morgen des 16. Februars in 24 Stunden nur 1 bis 2 mm Niederschlag, abgesehen von den Staulagen zum Beispiel an den Alpen. Im Norden gab es deutlich mehr Niederschlag, gebietsweise über 10 mm, zum einen in einer Linie zwischen Hamburg und Bremen und zum anderen über Mecklenburg-Vorpommern. Im Bremer Bürgerpark wurden hierbei 10,2 mm gemessen, in Wesselburen an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins 13,0 mm. Ähnliche Werte gab es auch in Wismar mit 10,5 mm und im mecklenburgischen Rüting-Diedrichshagen mit 13,8 mm. Hinter der Okklusion machten die Temperaturen ebenfalls wieder einen ordentlichen Sprung nach oben. Wurden in der vorherigen Nacht unter dem Einfluss von Hoch HELIDA noch Temperaturen von -14,7°C in Berlin-Schönefeld oder -23,3°C in Dachwig in Thüringen gemessen, waren es in der kommenden Nacht nur noch -2,3°C in Dachwig und -2,9°C in Berlin-Schönefeld. Damit beendete das Tief XANTHOS die seit mehreren Tagen andauernde, extreme Kälte in Deutschland.

Entlang der Front bildete sich zum kommenden Tag hin ein weiterer Tiefdruckkern, der XANTHOS II genannt wurde. Mit einem Kerndruck von knapp 1020 hPa war dieses Druckgebiet sehr schwach ausgeprägt und nur als kleine Welle in den Isobaren erkennbar. Das Zentrum des Kerns lag hierbei um 01 Uhr MEZ über Dänemark und war weiterhin über die Okklusion, die am Boden durch die Temperaturunterschiede den Charakter einer Warmfront hatte, mit dem ursprünglichen Kern XANTHOS I verbunden, der mit einem nahezu unverändertem Kerndruck jetzt vor der Ostküste Grönlands lokalisiert wurde. Von XANTHOS II aus lag die Front zu der Zeit über Berlin, dem Alpenraum bis hinunter nach Marseille. Während die Okklusion ostwärts zog, blieb Kern stationär über Dänemark liegen. XANTHOS I verlagerte sich im Gegensatz dazu unter Abschwächung nach Südwesten an der grönländischen Ostküste entlang. Auch an diesem Tag brachte die Okklusion vor allem in Dänemark und in Südnorwegen zweistellige Niederschlagswerte, in Kopenhangen-Kastrup fielen zum Beispiel 17,1 mm, in Silstrup in Norden Dänemarks sogar 19,9 mm. An der norwegischen Südküste waren es ebenfalls 20,7 mm in Landvik.

 

Am 17. Februar lag XANTHOS I mit 983 hPa im Südosten Grönlands, besaß allerdings keine Front mehr. XANTHOS II hatte sich minimal auf knapp 1010 hPa verstärkt und lag über dem Nordosten Dänemarks, westlich von YUKON II. Die Okklusion beziehungsweise Warmfront am Boden verlief von dort nach Osten über Südschweden nach Warschau. Die Niederschläge an der Front fielen nur noch gering aus, im Maximum gab es noch 3 bis 4 mm, bevor die Front mitsamt des Kerns sich auflöste.

Am 18. Februar lag der verbliebene Kern (ehemals XANTHOS I) immer noch über dem Südosten Grönlands, wo er mit einer kleinen Okklusion an der Küste für geringe Schneefälle sorgte. Dabei hatte sich das Tiefdruckgebiet auf 977 hPa verstärkt und blieb stationär dort stehen. Die Okklusion, die vom Kern aus nach Nordosten an der Küste entlang lief, um später auf den Atlantik hinaus zu gehen, löste sich nach wenigen Stunden auf. Südlich von XANTHOS war ein weiteres Tiefdruckgebiet auf den Atlantischen Ozean gewandert: BELREM. Zum nächsten Tag hin war XANTHOS mit einem Kerndruck von knapp 980 hPa mit seiner Stationarität zu einem Randtief des immer stärker werdenden Tiefs BELREM geworden, welches einen Kerndruck von 955 hPa besaß. Erneut war XANTHOS frontenlos und in der Folge auch nicht weiter wetterwirksam. Ohne daran groß etwas zu ändern, löste sich auch der letzte Rest von Tief XANTHOS bis zum frühen Morgen des 19. Februars vor der Südostküste Grönlands auf.