Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
XAVERIA
(getauft
am 20.07.2016)
Am 20.07.2016 dominierten das
Hochdruckgebiet BURKHARD mit Zentrum über der Lausitz und das mit seinen
Ausläufern weitreichende Tief WALTRAUD über dem Nordostatlantik das
Wettergeschehen West- und Mitteleuropas. Aufgrund des Drehsinns der
Druckgebilde wurden von Süden und Südwesten her äußerst warme und trockene
Luftmassen subtropischen und tropischen Ursprungs in den Warmluftsektor, d.h.
in den Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, des Tiefs WALTRAUD herangeführt.
Es stellte sich vom Westen Frankreichs bis zu den Britischen Inseln ein starker
Temperaturgradient ein, wodurch sich ein weiteres Frontensystem ausbildete, in
dessen Warmluftsektor die Tropikluft einfloss. So konnten an diesem Tag im
Osten Frankreichs Temperaturhöchstwerte von bis zu 35°C registriert werden,
während in der Bretagne lediglich maximal 22°C erreicht wurden. Außerdem
bildete sich im Warmluftsektor des eingebetteten Frontensystems eine
Konvergenzlinie vom Ärmelkanal über Westfrankreich bis zu den Pyrenäen aus, an
welcher Luft zusammen strömte und zum Aufsteigen gezwungen wurde. In
Kombination mit den in diesem Gebiet auftretenden hohen Taupunktstemperaturen
entwickelten sich entlang dieser im Tagesverlauf nach Osten ziehenden Linie
Gewitter, die jedoch nur geringe Niederschlagsmengen mit sich brachten. Die
Taupunktstemperatur beschreibt hierbei die Temperatur, die die Luft in einem
wasserdampfgesättigten Zustand hätte, also wenn die relative Luftfeuchtigkeit
100% betragen würde.
Entlang der Kaltfront des eingebetteten
Frontensystems konnte des Weiteren ein Tiefdruckzentrum analysiert werden,
welches bereits an den Tagen zuvor von Nordspanien aus über die Biskaya bis
nach Cornwall zog. Dieses Tief sollte im Laufe des Tages mit weiterer
nordöstlicher Verlagerung die Kontrolle über den südlichen Teil der Kaltfront
des Wirbels WALTRAUD übernehmen und wurde daher in der Prognose für den
Folgetag auf den Namen XAVERIA getauft.
Um 01 Uhr MEZ des 21.07. befand sich der
Kern des Tiefs XAVERIA mit einem Druck von knapp unter 1010 hPa zentral über
der Nordsee etwa 200 km östlich von Aberdeen. Südwestlich des Zentrums
verlief eine kurze Warmfront nach Nordwesten, wo sie über Nordschottland in die
Kaltfront des Wirbels WALTRAUD überging. Außerdem führte vom selben
Ausgangspunkt eine Kaltfront nach Süden über Westbelgien und Frankreich bis
nach Bordeaux. Die Konvergenzlinie verlagerte sich ebenfalls nach Nordosten und
verlief zu diesem Zeitpunkt vom Tiefzentrum über Niedersachsen, Hessen und
Baden-Württemberg bis über die westliche Schweiz. Dabei fielen innerhalb von 6
Stunden in Troyes 13 l/m² und an der Station Metz-Nancy-Lorraine 17 l/m² Regen.
Bis 07 Uhr MEZ konnten in Deutschland des Weiteren 6-stündige
Niederschlagswerte von je 11 l/m² in Waibstadt und Ulm-Mähringen, 12 l/m² in Trier-Petrisberg, jeweils 13 l/m² in Berus
und Mühlacker sowie 14 l/m² in Deuselbach gemessen
werden. Im österreichischen Alberschwende wurden sogar
in nur einer Stunde 21 l/m² registriert. Im Laufe des Tages sorgten die
einfließenden Luftmassen weitreichend für Werte über der 25°C-Marke. In
Frankreich blieb der Temperaturgradient zwischen Ost und West aufgrund der dort
verlaufenden Kaltfront des Tiefs XAVERIA bestehen, schwächte sich jedoch im
Vergleich zum Vortag ab. In Deutschland sorgten der vor allem im Osten und in
der Mitte auftretende Niederschlag und die damit verbundene Bewölkung für ein
Absinken der Temperaturmaxima. Vom Erzgebirge über Thüringen bis nach Hessen
lagen die Höchstwerte nur im Bereich zwischen 18 und 24°C. Weiter südlich in
Bayern und Baden-Württemberg wurden noch 24 bis 27°C erreicht. Am wärmsten
wurde es in der Nordhälfte des Landes mit Tagesmaxima von 29 bis 31°C. Entlang
der Konvergenzlinie kam es bis zum Abend um 19 Uhr MEZ zu kräftigen Schauern
und Gewittern mit teils ergiebigen Niederschlagsmengen. In 6 Stunden konnten
dabei in Schmücke 19 l/m², in Neuhaus am Rennweg 21 l/m², in Eisenach 33 l/m²
und in Erfurt-Bindersleben 38 l/m² verzeichnet
werden. Sogar nur 3-stündig wurden 17 l/m² in Nürburg-Barweiler, 19 l/m² in
Soltau, 21 l/m² in Tholey, 27 l/m² in Hof-Hohensaas und 29 l/m² an der Station Münster/Osnabrück
registriert. Die ergiebigsten Niederschläge fielen jedoch in Bad Hersfeld.
Bereits um 10 Uhr MEZ konnten dort innerhalb von 3 Stunden bei ebenfalls
auftretendem Hagel 29 l/m² gemessen werden. Dieser Wert summierte sich bei
anhaltendem Regen bis 13 Uhr MEZ auf 74 l/m², bevor der Niederschlag nachließ,
aber dennoch bis zum Abend für nochmals 8 l/m² sorgte.
Im Bereich schwacher Luftdruckgegensätze
entstehen immer wieder lokal kleinere Tiefdruckgebiete, die sich jedoch auch
schnell wieder auflösen können. Vor allem an Konvergenzlinien geschieht dies
sehr oft. Im Zuge dieses Auflösens und Entstehens von Tiefdruckgebieten befand
sich das Zentrum des Tiefs XAVERIA dabei entlang der Konvergenzlinie, je
nachdem, wo sich ein neues Tiefdruckzentrum gerade ausbildet. Deshalb wurde das
Tief XAVERIA am Folgetag um 01 Uhr MEZ über Ungarn mit einem Kerndruck von rund
1015 hPa analysiert. Die zugehörige Konvergenzlinie reichte über Tschechien,
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein. Bei
Höchstwerten von verbreitet 26 bis 32°C wurden in Deutschland aufgrund der
Konvergenz und den damit verbundenen Schauern und Gewittern erneut nur lokal
sehr ergiebige Niederschlagsmengen registriert. Innerhalb eines Zeitraums von 3
Stunden verzeichnete Harzgerode 29 l/m² und Hamburg-Fuhlsbüttel 36 l/m². Von
der Station Bergen-Hohne wurden 12-stündig 39 l/m² gemeldet. Von Westen griff außerdem
die Kaltfront des Wirbels WALTRAUD auf Deutschland über und führte zu
6-stündigen Regenmengen von 23 l/m² in Lingen oder 29 l/m² in Ahaus. Auch im
Bereich des Tiefdruckzentrums der Zyklone XAVERIA kam es bis 07 Uhr MEZ dieses
Tages innerhalb von 12 Stunden zu hohen zweistelligen Regenmengen von
beispielsweise 24 l/m² im tschechischen Doksany, 27
l/m² im ungarischen Tata, 31 l/m² im slowakischen Hurbanovo oder extremen 75 l/m² im österreichischen Mönichkirchen.
Am 23.07. befand sich der Tiefdruckkern des
Wirbels XAVERIA ohne zugehörige Fronten oder Konvergenzzonen zentral über
Bayern. Das Tief lag somit im Bereich schwacher Luftdruckgegensätze, wobei der
Druck im Kern rund 1016 hPa betrug. Umgeben wurde der Wirbel XAVERIA zum einen
im Norden von Hoch BURKHARD II mit Zentrum nahe Stockholm und zum anderen im
Westen über den Benelux-Staaten und Frankreich von kleinräumigen Zyklonen, die
sich an den Resten des Frontensystems des bereits vom Tief YVI aufgenommenen
Wirbels WALTRAUD entwickelt hatten. Zwar flossen weiterhin warme subtropische
Luftmassen nach Deutschland ein, jedoch sorgte ein über Westeuropa liegender
Trog, d.h. ein Kaltluftvorstoß nach Süden in 5,5 km Höhe, verstärkt für
Bewölkung über einigen Teilen des Landes. Dadurch variierten die Höchsttemperaturen
an diesem Tag je nach Sonneneinstrahlung regional recht stark. Im Norden
konnten dabei 25 bis 27°C, an den Küsten meist auch nur 22 bis 24°C gemessen
werden. In der Mitte und im Westen sowie in einem Streifen von Münster bis nach
Bielefeld wurden dagegen nur 18 bis 24°C erreicht, bevor man weiter südlich
wieder Maxima von bis zu 28°C registrierte. Am wärmsten war es jedoch im Osten
des Landes, wo 26 bis maximal 30,0°C in Artern
verzeichnet wurden. Dabei traten allerdings erneut Schauer und Gewitter auf,
die sich zum Teil bereits am Vormittag entwickelten. So konnten innerhalb von
nur 3 Stunden bis zum Vormittag 10 l/m² in Alfeld, 20 l/m² in Bad Hersfeld und
39 l/m² auf der Wasserkuppe registriert werden. Ansonsten kamen bis zum Abend
noch unter anderem 18 l/m² in Weiden, 25 l/m² in Hof-Hohensaas
und 43 l/m² in Laupheim zusammen.
Das Tief XAVERIA verlagerte sich bis zum
24.07. nur wenig und wurde um 01 Uhr MEZ dieses Tages über der Mitte
Deutschlands analysiert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es Teile des
ursprünglich zum Wirbel WALTRAUD zugehörigen Frontensystems übernommen, wodurch
es nun zwei Okklusionen aufwies, welche vom Zentrum ausgehend einerseits nach
Südosten bis Rumänien und andererseits nach Nordwesten bis Dänemark reichten.
Dabei nahm letztere über dem Norden Dänemarks den Charakter einer Warmfront an
und führte über Schweden weiter bis nach Lappland. Eine Okklusion stellt
hierbei eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften dar. Der Kerndruck
des Tiefs XAVERIA betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 1017 hPa. Dabei nahm nun auch
der Einfluss des Hochs BURKHARD mit Zentrum über Südschweden wieder auf
Mitteleuropa zu. Nochmals konnten in der Nordhälfte Deutschlands mit Ausnahme
der Küsten Tageshöchstwerte der Temperatur von 27 bis 31°C gemessen werden,
währenddessen im Süden mit 26 bis 29°C nur etwas weniger registriert wurden. In
der Mitte und im Westen lagen die Werte derweil meist zwischen 22 und 27°C. In
großen Teilen Deutschlands blieb es im Tagesverlauf überwiegend trocken, zum
Abend hin setzte der Regen allerdings wieder ein. Lediglich in den Abendstunden
zuvor regnete es noch vielerorts, wodurch sich bis 07 Uhr MEZ am 24.07.
3-stündige Niederschlagswerte von 14 l/m² in Görlitz, 19 l/m² in Regensburg und
39 l/m² am Wetterpark in Offenbach aufsummierten.
Das Tief XAVERIA konnte jedoch bereits am
Nachmittag nicht weiter analysiert werden. Aufgrund der schwachen
Luftdruckgegensätze und des Einflusses des Hochs BURKHARD löste sich die
Zyklone XAVERIA auf und wurde folglich nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte
namentlich verzeichnet.
Geschrieben
am 07.10.2016 von Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 21.07.2016
Pate:
Stefan Effenberger