Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XAVER

(getauft am 05.03.2013)

 

Im Laufe des 05.03. bildete sich über dem Nordatlantik im Bereich des 40. nördlichen Breitengrades und ca. 1000 km westlich der Inselgruppe der Azoren ein neues Tiefdruckgebiet, welches noch am gleichen Tag in der Prognose für den Folgetag auf den Namen XAVER getauft wurde. In der mittleren Troposphäre, in ca. 5,5 km Höhe, über dem Nordatlantik waren zu diesem Zeitpunkt kräftige Höhentiefs bestimmend, sodass das sogenannte Azorenhoch weit nach Süden gedrängt wurde. Stattdessen verlief die südliche Höhenströmung von den Bermudas südlich an den Azoren und den Kanaren vorbei nach Nordwestafrika, die nördliche Höhenströmung hingegen von Grönland über Island und Skandinavien zum Schwarzen Meer.

Das Tiefdruckgebiet XAVER befand sich im Bodenniveau zwischen den beiden genannten Höhenströmungen. Mit einem sich von Norden nähernden Kaltlufttrog, einem Vorstoß kalter Luftmassen nach Süden, und einem rasch sinkenden Kerndruck auf etwa 983 hPa war bei Tief XAVER eine schnelle Entwicklung zu einem Tiefdruckwirbel zu erkennen. Es lag am 06.03. mit dem Zentrum ca. 800 km nördlich der Azoren. Die beiden vom Tiefdruckzentrum ausgehenden Okklusionsfronten, also Mischfronten mit Eigenschaften von Warm- und Kaltfront, hatten die Azoren aber noch nicht erreicht und verliefen vom Zentrum aus bis nach Island, sowie nach Westen entlang des 40. nördlichen Breitengrades bis vor die Ostküste der USA.

Am. 07.03. hatte sich der Kaltlufttrog über dem Nordatlantik deutlich vergrößert und das Tiefdruckgebiet XAVER lag mit seinem Zentrum im Bodenniveau ca. 1000 km östlich des Höhentiefzentrums. Die ehemals westliche Okklusionsfront hatte sich nach Südwesten verlagert und erreichte an diesem Tag die Azoren. Dort wurden einige Schauer beobachtet und 5 l/m² innerhalb von 12 Stunden registriert. Die Höchsttemperatur erreichte 17°C, während am Vortag nur 12°C verzeichnet wurden.

Die südliche Okklusionsfront der Zyklone XAVER spaltete sich am 08.03. ab es bildete sich an ihr ein eigenständiges Tief, welches nach Osten Richtung Iberische Halbinsel zog. Das Tief XAVER selbst konnte sich dank des weiterhin kräftig ausgeprägten Höhentiefs verstärken und wies in seinem Zentrum einen Kerndruck von knapp unter 970 hPa auf. An diesem Tag hatte die Zyklone aufgrund seiner Lage über dem Nordatlantik noch keinen Einfluss auf das Wettergeschehen des europäischen Festlands oder Inselgruppen, da ein weitreichendes Höhenhoch über Mitteleuropa eine Verlagerung nach Osten blockierte. Dadurch wurde das Tief XAVER gezwungen sich weiter südwärts zu verlagern.

Am 09.03. formierte sich Tiefdruckgebiet zu einem kleinräumigen Tiefdruckwirbel. Das Zentrum lag etwa 1000 km nordwestlich der Iberischen Halbinsel. Die noch verbliebene Okklusionsfront verlief vom Zentrum aus in nördliche Richtung und dann im Uhrzeigersinn spiralförmig weiter bis
ca. 400 km vor die Inselgruppe der Azoren. In der mittleren Troposphäre lag das Zentrum des Höhentiefs mittlerweile fast genau über dem des Tiefs am Boden. Die kalte Höhenluft war dafür verantwortlich, dass sich im Einflussgebiet von Tief XAVER konvektive und teils auch gewittrig durchsetzte Wolkensysteme bildeten und entgegen des Uhrzeigersinnes um das Bodenzentrum verlagerten.

Am folgenden Tag waren von Tief XAVER, welches über das Meergebiet zwischen Irland und Spanien sowie des Golfs von Biskaya gezogen war, keine Frontenstrukturen analysierbar. In einem Radius von 500 km um das Zentrum hatten sich zahlreiche konvektive Wolkensysteme unterschiedlicher Größe gebildet. Ein Teil davon überquerte die Iberische Halbinsel von Westen nach Osten. Dabei wurden verbreitet einstellige Niederschlagssummen innerhalb von 24 Stunden gemeldet, z.B. aus La Coruna 7 l/m², aus Madrid 5 l/m² und aus Sevilla und Porto je 3 l/m².

Das Höhentief, welches über Tief XAVER lag, löste sich am 11.03. weitgehend auf. Daher schwächte sich auch Tiefdruckgebiet XAVER ab und hatte an diesem Tag nur noch einen Kerndruck von etwa 990 hPa. Dafür verlagerte sich das westliche Frontensystem von Tief YORICK mit Zentrum über Tschechien von Großbritannien nach Süden, welches der Wirbel XAVER in seine Zirkulation mit einbezog. Die konvektiven Wolkensysteme waren an diesem Tag noch südlich des Zentrums vorhanden, schwächten sich jedoch weiter ab. Dabei wurden von der Iberischen Halbinsel beispielsweise aus Lissabon 9 l/m² und Porto 6 l/m² gemeldet. Die Höchsttemperaturen wiesen dabei ein Nord-Süd-Gefälle auf, wobei es mit 13°C in La Coruna am kältesten und 20°C in Valencia und Malaga am wärmsten war. Durch Einbezug des Frontensystems und eines sich neu formierenden Höhentief über dem Ärmelkanal konnte sich auch das Tiefdruckgebiet XAVER mit seinem Zentrum über Frankreich wieder regenerieren. Es bestand nun aus einer Warmfront, die sich vom Zentrum aus ostwärts bis nach Ungarn erstreckte, und einer Kaltfront, die von der Nordküste Spaniens nach Westen hinaus auf den Nordatlantik verlief. Im Bereich der Kaltfront gab es in La Coruna bis zum Morgen mit 24 l/m² innerhalb von 24 Stunden die höchste Niederschlagsmenge. Aber auch im Bereich des Zentrums wurden zweistellige Mengen registriert, z.B. in Paris mit 12 l/m² und Locarno mit 16 l/m².

Bis zum 13.03. verlagerte sich das neue Höhentief bis über den Golf von Biskaya. Auf seiner Südostseite bestimmte Tiefdruckgebiet XAVER das Wettergeschehen über dem westlichen Mittelmeer und lag dabei mit seinem Zentrum, in dem ein Druck von knapp 1000 hPa herrschte, über Korsika. Vom Zentrum reichte an diesem Tag eine Okklusion einige Hundert Kilometer nach Südwesten, bevor sie sich mit einem unbenannten Tief über den Balearen verband. Weiterhin erstreckte sich die Warmfront nordostwärts über den Golf von Venedig, Budapest und die Karpaten bis über das zentrale Schwarze Meer. Die Kaltfront zog sich an der Nordküste Afrikas entlang und brachte z.B. in Algier 9 l/m² Regen innerhalb eines Tages. Aus Italien meldeten
Neapel 13 l/m² und Florenz 12 l/m².

Am folgenden Tag wurde Tief XAVER ein komplexes Frontensystem zugeordnet, welches sich hauptsächlich um die beiden Zentren über Korsika und der Adria befand. Die Folge dieser stark verästelten Struktur waren dichte Wolkengebiete, die wiederum zahlreiche kräftige Niederschläge zur Folge hatten. Einige ausgewählte Städte seien hier angeführt, z.B. Dubrovnik 54 l/m², Barcelona 32 l/m², Venedig 23 l/m², Florenz 19 l/m² und Rom 16 l/m².

Das Tiefdruckgebiet XAVER zog unter leichter Verstärkung mit der Höhenströmung nach Nordosten und lag am 15.03. mit dem Zentrum über der Ukraine. Der Kerndruck betrug etwa 985 hPa. Die Warmfront verlief vom Zentrum aus über Kiew bis zum Kaspischen Meer und die Kaltfront reichte über Istanbul bis über die südwestliche Türkei. Die mit Abstand höchste 24-stündige Niederschlagsmenge wurde aus Podgorica-Grad in Montenegro nach kräftigen Schauern mit 145 l/m² gemeldet. Weitere hohe Mengen wurden erneut in Dubrovnik mit 72 l/m² registriert, in Budapest und Belgrad fielen je 22 l/m², allerdings überwiegend als Schnee. Im Grenzbereich der Ukraine, Weißrusslands und Russlands kam es außerdem großräumig zu heftigen Schneestürmen. Von vielen Stationen wurde lang anhaltender starker Schneefall und gleichzeitig Böen der Windstärke 8 bis 9, also Sturmstärke, bei Temperaturen um -5°C registriert. Die starken Schneeverwehungen machten sowohl die Niederschlags- als auch die Schneehöhenmessungen schwierig. Dennoch wurden aus der Region 20 bis 30 l/m² und Schneehöhen
zwischen 40 und 70 cm gemeldet. Auch in Moskau fielen 23 l/m² als Schnee, der die Gesamtschneehöhe auf 65 cm ansteigen ließ.

Im Laufe des 16.03. schwächte sich das Schneetief XAVER langsam ab und der Kerndruck stieg von 990 hPa auf über 1000 hPa an. Mit der Verlagerung von Weißrussland nach Moskau bis zum 17.03. ließ auch die Niederschlagstätigkeit deutlich nach, sodass nur noch vereinzelt Werte um 1 l/m² im Einflussbereich gemessen wurden. Am 18.03. konnte das Tief XAVER mit einem Kerndruck von etwa 1014 hPa schließlich letztmalig über dem zentralen Ural namentlich auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden, nachdem es eine für Tiefdruckgebiete ungewöhnlich lange Lebensdauer von insgesamt 14 Tagen erreichte.

 


Geschrieben von Matthias Treinzen

Berliner Wetterkarte: 12.03.2013

Pate: Karl-Heinz Roßfeldt