Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XAVER

(getauft am 6. Mai 2013)

 

Am 6. Mai 2013 deutete sich über dem Nordatlantik im Bereich der Azoren die Entstehung eines Tiefdruckgebietes an, die aus dem Gegensatz von warmer Luft über dem Meer und kalter Luft in höheren Luftschichten resultierte. Da der Wirbel das Wetter in Europa beeinflussen sollte, wurde dieses Tiefdruckgebiet in der Prognosekarte für den Folgetag auf den Namen XAVER getauft.

Am 7. Mai lag der Wirbel XAVER mit einem Kerndruck von ungefähr 1010 hPa einige Hundert Kilometer östlich der Azoren. Nach Osten schloß sich eine Warmfront an, die knapp nordwestlich der Iberischen Halbinsel in die Kaltfront eines weiter nördlich gelegenen unbenannten Tiefs überging. Vom Tief XAVER in südwestlicher Richtung ausgehend, verlief eine Kaltfront bis in eine Region nahe des nördlichen Wendekreises, also bis an den Rand der Tropen, welche etwa in der Mitte zwischen den Kanarischen Inseln und der Karibikinsel Puerto Rico liegt.

Bis zum Morgen des 8. Mai hatte sich die Zyklone XAVER nach Nordosten verlagert und brachte in einigen Gebieten im westlichen Europa teils hohe Niederschlagsmengen. Der Kern des Tiefs XAVER lag mit unter 1000 hPa über dem westlichen Irland, während knapp nordwestlich davon ein weiteres, unbenanntes Tief zu finden war, das mit dem Wirbel XAVER einen Dipol bildete. Das bedeutet, dass die beiden Tiefdruckkerne nicht voneinander getrennt waren, sondern sich gegenseitig beeinflussten. Vom Zentrum des Tiefs XAVER zog sich bis zum westlichen Frankreich eine Mischfront mit Warmfront- und Kaltfronteigenschaften, eine sogenannte Okklusionsfront, bis zum Okklusionspunkt. An diesem Punkt über der Bretagne spaltete sich die Okklusionsfront in eine bis nach Südfrankreich reichende Warmfront und eine Kaltfront auf, die über die Biskaya und den äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel verlief und nördlich von Madeira in die Warmfront eines unbenannten Tiefs südwestlich der Azoren überging. Mit einer 24-stündigen Regensumme von 18 l/m2 bis um 08 Uhr MESZ am 8. Mai zeigte sich die exponierte Lage der bretonischen Stadt Brest, begünstigt außerdem durch die Nähe zum Okklusionspunkt, wo oft die stärksten Niederschlagsereignisse im Bereich eines Tiefdruckgebietes beobachtet werden.

Mit einer Verstärkung des zugehörigen Höhentiefs in ca. 5,5 km Höhe im sogenannten 500-hPa-Luftdruckniveau sowie mit dem zuvor angesprochenen zweiten Tief des Dipols verlagerte sich zum 9. Mai das Tief XAVER leicht nach Norden. Nun war der Wirbel XAVER als alleiniges steuerndes Tief vor der Nordwestküste Irlands zu finden. Der Luftdruck hatte sich im Kern der Zyklone auf unter 990 hPa reduziert. Das Tief XAVER gewann somit noch an Intensität. Westlich des Kerns des Wirbels XAVER ging zunächst für einige Hundert Kilometer eine nach Norden gerichtete Okklusionsfront bis zum etwa 500 km westlich der irischen Westküste gelegenen Okklusionspunkt aus. Von dort verlief einerseits eine Warmfront zwischen Island und den Faröer-Inseln und weiter über Skandinavien und Südfinnland bis südöstlich von Sankt Petersburg, wo sie in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs über Nordrußland überging. Andererseits ging vom Okklusionspunkt eine anfangs als weitere Okklusionsfront, bald aber als Kaltfront analysierte Luftmassengrenze aus, die in einem großen Bogen über Schottland, die westliche Nordsee und Belgien, Frankreich und die Biskaya nach Nordwestspanien führte und weiter in südwestlicher bis westlicher Richtung hinaus auf den Nordatlantik bis südwestlich der Azoren zu verfolgen war. Parallel zu dieser über einige Tausend Kilometer reichenden Kaltfront war in einem kurzen Abstand, wenige Hundert Kilometer nach Osten versetzt, eine weitere Luftmassengrenze zu sehen, die sich von der nördlichen Nordsee bis nach Portugal zog und überwiegend auch als Kaltfront ausgeprägt war. Man kann also sagen, daß die von Westen kommende kühlere Luft am Südrand des Tiefs XAVER in zwei Schüben nach West- und Mitteleuropa hereinströmte. Während im Osten Deutschlands die warme Luft für Höchstwerte von 23,1°C in Ueckermünde in Mecklenburg-Vorpommern sowie 23,5°C im sächsischen Görlitz sorgte, setzte sich die kühle Luft auf der Rückseite der beiden Kaltfronten unter anderem in England und den Niederlanden durch. Der Londoner Flughafen Heathrow meldete ein Maximum von 14°C und die niederländische Küstenstadt Den Helder registrierte eine Höchsttemperatur von 13°C. Bis zum Morgen des Folgetages erreichte die Station Barth in Mecklenburg-Vorpommern eine Niederschlagsmenge von 31 l/m².

Am 10. Mai befand sich das Zentrum des Tiefdruckgebietes XAVER mit einem Kerndruck von etwas unter 995 hPa über dem nördlichen England und dem südlichen Schottland. Das Tief XAVER hatte sich gewissermaßen weiter eingekringelt. Die vom Tiefdruckkern ausgehende Okklusionsfront führte erst nach Osten auf die Nordsee hinaus, um dann in südlicher und westlicher Richtung entlang der englischen Küste bis nach Cornwall zu verlaufen, wo sie sich nach Nordwesten bis ungefähr 300 km westlich der zu Schottland gehörenden Inselgruppe der Äußeren Hebriden weiter verfolgen ließ. Dort lag ein unbenanntes Tief, das wie zwei Tage zuvor, einen Dipol mit dem Tief XAVER bildete. Vom unbenannten Tief setzte sich die Okklusionsfront als Wirbel weiter nach Skandinavien fort, von wo aus die Luftmassengrenze als Kaltfront bis nach Tschechien reichte. Die Auswirkungen des Tiefs XAVER auf das Wetter auf den Britischen Inseln bestanden zum einen in weiterhin relativ kühlem Wetter mit Höchstwerten von 11°C in Glasgow bis 18°C in London, zum anderen regnete es zeitweise, wobei bis zum Morgen des Folgetages in der irischen Hauptstadt Dublin 2 l/m² und im südenglischen Plymouth 7 l/m² gemessen wurden.

Am 11. Mai war das Tiefdruckgebiet XAVER zum letzten Mal als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Der Kern befand sich an der norwegischen Küste im Bereich der Hafenstadt Bergen, wo bis zum Morgen des nächsten Tages 12 l/m² Niederschlag registriert wurden und von wo eine Okklusionsfront über Skandinavien und die Ostsee bis ins nördliche Tschechien reichte. Nachfolgend bestimmten die von Westen folgenden Tiefs YAGO und ZACHARIAS das Wetter im nördlichen Mitteleuropa.

 

 


Geschrieben am 9. 9. 2013 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 9. 5. 2013

Pate: Thorsten Kreutz