Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XENIA

(getauft am 31.08.2018)

 

Am 29.08.2018 wurde die europäische Wetterlage durch zwei Kaltluftvorstöße nach Süden in ca. 5,5 km Höhe, welche auch als Tröge bezeichnet werden, jeweils über West- und Osteuropa sowie einem dazwischen befindlichen Keil, d.h. einem Warmluftvorstoß nach Norden, welcher sich vom Mittelmeer über Deutschland bis nach Skandinavien ausdehnte, dominiert. Im Laufe dieses Tages begann sich im Bodenniveau über Nordwestitalien tiefer Luftdruck aufzubauen, welcher sich auch in Form des Golfes von Genua über Teile des Ligurischen Meeres ausbreitete. Sich immer wieder neu bildende und auflösende Tiefdruckzentren beherrschten in der Folge das Geschehen in dieser Region, wobei sich der Luftdruck stabil bei knapp unter 1015 hPa hielt. Kühle Subpolarluft verdrängte dabei zusehends die zuvor eingeflossenen subtropischen Luftmassen und führte zu markant sinkenden Temperaturen. Erst am 31.08. bildete sich ein länger bestehendes Tief, das zudem Teile des Frontensystems des über Mitteleuropa nach Osten ziehenden Wirbels WANDA übernahm. Diese Entwicklung wurde unterstützt durch ein sich bildendes und verstärkendes Höhentief zentral über der Bodenzyklone. Aufgrund des vorhergesagten Einflusses des neu entstandenen Tiefs auf das Wettergeschehen Europas, wurde es in der Prognose für den 01.09. auf den Namen XENIA getauft.

An ihrem Tauftag um 01 Uhr MEZ befand sich die Zyklone XENIA über dem Ligurischen Meer und besaß einen Kerndruck von weiterhin rund 1015 hPa. Teile des zugehörigen Frontensystems hatten bereits begonnen zu okkludieren, d.h. dass die schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront zum Teil eingeholt und die warme Luft angehoben hatte. Am sogenannten Okklusionspunkt, wo Kalt- und Warmfront aufeinandertreffen, entstand dadurch ein neuer Frontentyp, welcher Okklusion genannt wird und Eigenschaften beider Frontenarten besitzt. Die Okklusion verlief dabei nach Osten und teilte sich nahe dem Po-Delta auf. Die Warmfront erstreckte sich daraufhin nach Nordosten über Österreich und die Slowakei bis über den Süden Polens, wo sie in die Kaltfront des Wirbels WANDA überging. Die Kaltfront des Tiefs XENIA führte derweil bogenförmig über die nördliche Adria, Rom, den Süden Sardiniens und die Balearen bis knapp vor die spanische Mittelmeerküste bei Tarragona. Neben ansteigenden Temperaturen im Südosten Polens sorgte die Warmfront vor allem für kräftige Niederschläge, die oftmals schauerartig verstärkt oder in Verbindung mit Gewittern auftraten. Durch den Einfluss des Tiefs WANDA an den vorangegangenen Tagen mit intensiven Niederschlägen, konnten sich diese nun weiter aufsummieren. Bis 07 Uhr MEZ wurden dadurch 24-stündige Mengen von beispielsweise 24,9 l/m² im kroatischen Zadar, 31 l/m² im tschechischen Churanov, 40,5 l/m² in Slovenj Gradec im Norden Sloweniens, sowie extreme 65,2 l/m² in Bergamo, 72 l/m² in Kötschach-Mauthen westlich von Villach und 77,4 l/m² in Arosa im Osten der Schweiz verzeichnet. Aus Fürstenzell bei Passau wurden 32,5 l/m² Regen, aus Oberstdorf 33,6 l/m² und von der Zugspitze 41,1 l/m², vornehmlich in Form von Schnee, gemeldet. Entlang der Kaltfront fielen die Niederschläge im Vergleich deutlich schwächer aus. Lediglich 12 bzw. 15 l/m² in 12 Stunden meldeten die italienischen Stationen Vigna di Valle und Roma Fiumicino.

Bis zum Abend konzentrierten sich die Niederschläge weiterhin auf einen Streifen von der nördlichen Adria über den Osten Österreichs und Westungarn bis nach Tschechien. Bis 19 Uhr MEZ betrugen die 12-stündigen Niederschlagsmengen dabei 36 l/m² in Holesov im Osten Tschechiens, 51 l/m² im ungarischen Zalaegerszeg, nochmals 45 l/m² in Zadar und 42 l/m² in Arezzo nahe Florenz. Besonders intensiv verblieben die Niederschläge in Österreich und in der Slowakei. Während in Bratislava aufgrund von Schauern und Gewittern 67 l/m² und im etwas weiter nördlich gelegenen Maly Javornik 72 l/m² zusammenkamen, konnten am Flughafen in Wien sogar 80 l/m² registriert werden.

Der mit der Bodenzyklone XENIA korrespondierende Höhenwirbel begann sich in der Folge von der vorherrschenden Höhenströmung abzugrenzen und verblieb über dem Nordwesten Italiens. Das Tief XENIA erfuhr dadurch nur eine geringe südwärts gerichtete Verlagerung und konnte am 02.09. um 01 Uhr MEZ mit einem Druck von stabilen 1015 hPa westlich von Rom über dem nördlichen Tyrrhenischen Meer analysiert werden. Die kurze Okklusion reichte zu diesem Zeitpunkt vom Norden Korsikas bis über die südliche Toskana. Dort schloss sich die Warmfront an, welche über die Adria, Kroatien, Wien und Warschau bis nach Minsk verlief, wo sie sich mit dem Frontensystem des Tiefs WANDA verband. Die Kaltfront erstreckte sich hingegen vom Okklusionspunkt über Rom und Sizilien, überquerte anschließend den Norden Tunesiens und Algeriens und endete schließlich über dem Südosten Spaniens. Auch in dieser Nacht sorgten Schauer und Gewitter beim Aufeinandertreffen von subpolaren und subtropischen Luftmassen im Bereich der Warmfront für hohe Niederschlagssummen. Erneut wurden 12-stündige Mengen von 31 l/m² in Budapest, 32 l/m² in Treviso nördlich von Venedig, je 35 l/m² in Serak im Nordosten Tschechiens sowie im kroatischen Knin und 38 l/m² im südslowakischen Hurbanovo gemessen.

Mit fortschreitender Dauer des Tages nahm die Intensität des Niederschlags jedoch zusehends ab. Über Osteuropa begann sich die Luft zu erwärmen und verringerte dadurch den Temperaturgradienten entlang der Warmfront, wodurch auch die resultierenden Schauer schwächer ausfielen. Bis 19 Uhr MEZ lagen daher die maximalen Regenmengen bei 15 l/m² in Daruvar in Kroatien, sowie bei 18 bzw. 21 l/m² an den österreichischen Stationen Villacheralpe und Gumpoldskirchen.

Mit unverändertem Kerndruck zog das Tief XENIA bis zum Folgetag nur wenig nach Osten und konnte um 01 Uhr MEZ über dem Grenzgebiet zwischen dem Süden Kroatiens und Bosnien-Herzegowina analysiert werden. Das zugehörige Frontensystem bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch aus einer Kaltfront, die sich vom Zentrum über Bosnien-Herzegowina und Süditalien erstreckte, anschließend Palermo passierte und östlich der Balearen endete. In der Nacht konzentrierten sich die oft schauerartig und gewittrig verstärkten Niederschläge vor allem auf den Adria-Raum sowie auf Österreich, Ungarn und die Slowakei. Bis 07 Uhr MEZ wurden dabei 12-stündige Regenmengen von 26 l/m² im kroatischen Sisak, 35 l/m² in der montenegrinischen Küstenstadt Bar, 36 l/m² in Veszprem in Ungarn und 45 l/m² in Andau im Burgenland registriert. Außerdem wurden im slowakischen Jaslovské Bohunice nordöstlich von Bratislava 63 l/m² und am Wiener Flughafen Schwechat 91 l/m² gemessen. Die Ausläufer griffen bis zum Morgen auch auf Deutschland über, wobei aber nur deutlich geringere Mengen von je 7 l/m² aus Hof, Plauen und Erfurt gemeldet wurden.

Im Tagesverlauf transportierte die Zyklone XENIA mit ihrem Frontensystem kühlere Luftmassen nach Südosteuropa und sorgte so vor allem in Serbien und Westrumänien für eine Abkühlung. An der serbischen Station Banatski Karlovac konnten mit 26,7°C insgesamt 7,1 Grad weniger als tags zuvor verzeichnet werden. Gleichzeitig fielen an dieser Station bis 19 Uhr MEZ 12 l/m² Niederschlag. Weiterhin wurden je 17 l/m² im slowakischen Chopok sowie in Piacenza südöstlich von Mailand und 22 l/m² auf der albanischen Adriainsel Sazan gemessen. Die kräftigsten Niederschläge traten jedoch erneut in Österreich auf. In St. Pölten und Lunz kamen beispielsweise je 32 l/m² und an der Station Wiener Neustadt sogar 39 l/m² zusammen.

Das Tief XENIA verlagerte sich bis 01 Uhr MEZ am 04.09. nur wenig weiter nach Norden bis über den Südwesten Ungarns und der Kerndruck betrug etwa 1012 hPa. Das Frontensystem war inzwischen vollständig okkludiert, wobei die Okklusion vom Kern einerseits nach Nordwesten über Süddeutschland bis nach Belgien und andererseits nach Südosten über Serbien bis zur Ägäis verlief. Die Schauer und Gewitter schwächten sich nur langsam ab und erneut konnten über 20 l/m² Niederschlag in 12 Stunden verzeichnet werden, wie beispielsweise im österreichischen Allentsteig mit 26 l/m² oder im ungarischen Paks mit 22 l/m². Bis zum Abend fielen des Weiteren 21 l/m² in Budapest und aufgrund der Ausrichtung der Okklusion nach Norden 26 l/m² im ostpolnischen Bialystok und 15 l/m² im russischen Gdow an der Grenze zu Estland.

Der Höhenwirbel im 500 hPa-Niveau verlagerte sich in der Folge nach Osten über den Südwesten Europas. Das korrespondierende Bodentief XENIA zog der Bewegung folgend ebenfalls nach Osten und befand sich am 05.09. um 01 Uhr MEZ über dem Westen des Schwarzen Meeres. Der Kerndruck konnte sich dabei nochmals verstärken und betrug ca. 1009 hPa. Die zugehörige Okklusion verlief zu diesem Zeitpunkt von der Nordwestküste des Schwarzen Meeres über die westliche Ukraine und Wilna bis nördlich von St. Petersburg. Von Ostrumänien über Moldawien und die Ukraine bis zum Süden Russlands sorgte die Front für sinkende Temperaturen. Meist betrug die Abkühlung 2 bis 5 Grad, wodurch nur noch vereinzelt Höchstwerte von über 30°C erreicht wurden. Am markantesten fiel das Tagesmaximum im rumänischen Iasi, wo mit 20,5°C insgesamt 11,6 Grad weniger als am Vortag gemessen wurden. Anhaltende Schauer und Gewitter führten entlang der Okklusion zu vereinzelt hohen Niederschlagssummen. Innerhalb von 12 Stunden wurden beispielsweise 40 l/m² im litauischen Kaunas und 45 l/m² in Sulina in Rumänien registriert.

Zum Nachttermin am 06.09. wurde das Zentrum der Zyklone XENIA über dem Osten des Schwarzen Meeres mit einem Druck von etwa 1005 hPa analysiert. Die Okklusion zog sich nun von Istanbul über die Krim bis über den Kaukasus. Über weiten Teilen der zentralen Türkei sanken die Temperaturen an diesem Tag deutlich ab. Oftmals konnten Differenzen zum Vortag von 4 bis 6 Grad verzeichnet werden. Damit einhergehend traten wie auch an den Vortagen in der Nähe des Tiefs XENIA zahlreiche Schauer und Gewitter auf, welche in der Türkei bis 07 Uhr MEZ 12-stündige Regensummen von bis zu 44 l/m² in Bilecik und 46 l/m² in Kumkoy nach sich zogen. Im weiteren Tagesverlauf nahm die Regenintensität ab und es wurden nur noch vereinzelt zweistellige Mengen beobachtet.

Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tief XENIA weiter nach Osten und verließ dabei den Analysebereich der Berliner Wetterkarte, wodurch es nicht mehr auf dieser namentlich verzeichnet werden konnte.