Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
XENOPHON
(getauft
am 27.04.2015)
Am 26.04.2015 entstand unterhalb eines
Langwellentroges, d.h. einem Kaltluftvorstoß nach Süden in 5,5 km Höhe, südlich
von Grönland ein schwaches Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von 1025 hPa. Im
Laufe des Tages prägte sich das Tief stärker aus und wurde am 27.04. auf den
Namen XENOPHON getauft. Vom Kern des Tiefs erstreckten sich um 01 Uhr MEZ dieses
Tages drei Fronten über den Nordatlantik. Nach Süden führte eine kurze
Okklusion, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die sich
an ihrem Okklusionspunkt in eine Kalt- und eine Warmfront aufspaltete. Nach
Westen bis nach Labrador verlief die bogenförmige Kaltfront, wobei ihre
westliche Hälfte als Warmfront nach Norden zog. Die Warmfront wies in Richtung Südosten
und verband das neuentstandene Tief XENOPHON nach nur wenigen Hundert
Kilometern mit der Kaltfront eines anderen, unbenannten Tiefs, was sich zu
diesem Zeitpunkt westlich von Schottland befand. Im Tagesverlauf zog das Tief
XENOPHON relativ zügig über den Nordatlantik. Dabei vertiefte es sich und führte
sein Frontensystem bestehend aus einer Okklusion vor sich über die Britischen
Inseln. Auf seiner Zugbahn über das Meer verursachte das Tief XENOPHON
gemeinsam mit dem noch dominanteren Tief WALDEMAR, was sich über den Färöern
befand, windiges Wetter im Nordatlantik. In Keflavik
im Südwesten Islands wurden am Nachmittag mehrere Sturmböen mit über 22 m/s
gemeldet, was der Stärke 9 auf der Beaufortskala entspricht.
In der Nacht zum 28.04. hatte das Tief
XENOPHON mit einem Kerndruck von 1001 hPa den Norden Schottlands erreicht. Die
Okklusion, die mit dem Tief XENOPHON verbunden war, verlief zu diesem Zeitpunkt
vom Kern aus entlang der Ostküste Großbritanniens über London bis über die Bretagne. Im Verlauf des Tages setzte
sich in Westeuropa jedoch zunehmend das Hochdruckgebiet REGINA durch. Dadurch konnte
sich das Tief XENOPHON nicht weiter nach Osten verlagern und sein Kern spaltete
sich dabei auf. Einer der Kerne blieb über Schottland erhalten, der andere,
schwächere der beiden, verlagerte sich über das Nordmeer in Richtung Bergen.
Dabei geriet das Tief XENOPHON nah an das Tief WALDEMAR, was inzwischen
deutlich an Mächtigkeit verloren hatte und sich nordwestlich von Schottland befand.
Die Front des Tiefs XENOPHON, welche in der Nacht zuvor noch bis nach
Frankreich reichte, zog tagsüber als Warmfront über England und Schottland und
verursachte besonders im Norden Englands feuchtes Wetter. Auf dem
Militärstützpunkt in Spadeadam in Cumbria
fiel die größte Niederschlagsmenge mit 17,4 mm innerhalb von 24 Stunden bis 07
Uhr MEZ des Folgetages.
Am 29.04. gewann das Tiefdrucksystem
XENOPHON an Mächtigkeit, nachdem es in den Morgenstunden das abgeschwächte Tief
WALDEMAR in seine Zirkulation aufnahm. Dabei geriet der südliche Kern, als Tief
XENOPHON II bezeichnet, in eine wirbelartige Bewegung nach Osten über die Nordsee,
wobei sich der schwächere, nördlicher gelegene Tief XENOPHON I nach Norden
entlang der norwegischen Küste verlagerte. Die Front des Tiefs XENOPHON II,
welche aus einer kurzen Okklusion bestand, die weiter südlich den Charakter
einer Kaltfront annahm, zog erst über England und erreichte am Abend die
Westküste Jotlands sowie die Nordseeküsten der Niederlande und Deutschlands. In
England sorgte sie erneut für regnerisches Wetter und wieder meldete Spadeadam die größte Niederschlagsmenge, diesmal kamen 23 mm
zusammen.
In der Nacht zum 30.04. verlief die mit dem
Tief XENOPHON verbundene Front als Okklusion über die Südspitze Norwegens, das
Kattegat und quer über Jotland. Von Schleswig-Holstein an über die Benelux-Staaten
bis zur Bretagne erstreckte sie sich weiter als Kaltfront. Dies brachte den
Nordseeregionen Deutschlands 1 bis 5 mm Regen in der Nacht, wobei der Rest des
Landes durch Hochdruckeinfluss trocken blieb. Im Verlauf des 30.04. zog die
Kaltfront weiter in Richtung Südosten über Europa und der Tiefdruckwirbel
XENOPHON breitete sich dabei mit seinen Kernen über Skandinavien, Dänemark und
Norddeutschland aus. Hierbei entwickelte sich neben dem Wirbel XENOPHON I über
dem östlichen Nordmeer und der Zyklone XENOPHON II über der Nordsee ein
weiterer Tiefdruckkern über der polnischen Ostseeküste aus, welcher folgend als
Tief XENOPHON III bezeichnet wurde. Das System XENOPHON lenkte subpolare
Meeresluft nach Deutschland und es kam verbreitet zu zahlreichen Gewittern. In
Berlin fiel die Temperatur bei der Ankunft der Front am frühen Abend in nur
einer Stunde um 4,6 Grad von 14,3 auf 9,7°C,
und der Wind drehte von südlichen auf westliche Richtungen. Bei der Passage der
Schauer- und Gewitterfront fiel zudem mit 7,7 mm in 24 Stunden die größte
Niederschlagsmenge des Monats in Berlin. Dazu wehte starker Wind mit
stürmischen Böen. Die kräftigste von diesen wurde von der Wetterstation Berlin-Dahlem
mit 19,8 m/s registriert. Am Flughafen in Schönefeld wurde Windscherung von 80°
gemeldet und der Wind drehte am Nachmittag in einer Stunde von 290 auf 130°.
Am 01.05. zog die Kaltfront weiter nach
Südosten und entfernte sich aus dem Norden Deutschlands, wobei der Süden immer
noch unter ihrem Einfluss blieb. Am Feldberg im Schwarzwald wurden 24-stündig
bis 01 Uhr MEZ des Folgetages 91 mm, in Klippeneck 43 mm und in Freudenstadt 40
mm Niederschlag gemessen. Am Abend wurden im Schwarzwald zudem noch schwere
Sturmböen von bis zu 26 m/s gemeldet. Auch in München sorgte die Front an
diesem Tag für Dauerregen und Windscherungen bis zu 150°. Dort fielen 33 mm und
am Münchener Flughafen sank die Sichtweite am Abend zeitweise auf 3,5 km. Des
Weiteren verlief quer über Skandinavien eine Okklusion vom Tief XENOPHON I nach
Süden. In Linköping in Südschweden fielen aufgrund
der Front 36 mm in 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ des Folgetages.
Am 02.05. löste sich das Tief XENOPHON II
auf und das Tief XENOPHON III zog weiter über die Ostsee in Richtung Norden mit
einem Kerndruck von 1000 hPa, wobei es nun die Bezeichnung XENOPHON II erhielt.
In Tallin sank die Temperatur am Morgen von 9°C um 06 Uhr auf 5,7°C um 11 Uhr
MEZ. Die Kaltfront, die noch am vorigen Tag in Deutschland für viel Regen
gesorgt hatte, zog nach Osten über die Alpen und wurde von einer Warmfront
abgelöst, die nur noch in den Alpenregionen Bayerns für nennenswerten
Niederschlag sorgte. In 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ wurden in Landsberg 25 mm, in
Laupheim 24 mm, in München 20 mm und auf dem Hohenpeißenberg 15 mm registriert.
Der Rest des Landes blieb an diesem Tag durch zunehmenden Hochdruckeinfluss
meist trocken. Am Nachmittag erreichte der Wirbel XENOPHON II die Südküste
Finnlands. In Helsinki fielen bei ihrem Durchzug 11 mm Regen in 12 Stunden.
Dabei blieb die Temperatur den ganzen Tag unter 7°C. Um Mitternacht befand sich
das Tief XENOPHON mit seinem Kern über der finnischen Grenze zu Russland.
Während sich das Tief XENOPHON I ebenfalls
auflöste zog der ursprüngliche Wirbel XENOPHON II in einer wirbelartigen
Bewegung noch weiter nach Norden und vertiefte sich. Dabei überquerte es
Murmansk. Dort fiel die Temperatur im Verlauf des 03.05. zwar ab, blieb jedoch
den ganzen Tag zwischen 0 und 2°C bei starkem Wind, der am Abend in Böen 12 m/s
erreichte.
In der Nacht zum 04.05. befand sich der
Wirbel XENOPHON über der Barentssee mit einem Kerndruck von 995 hPa. An jenem
Tag zog das Tief XENOPHON weiter nach Osten in Richtung Nowaja Semlja, wo es auf der Berliner Wetterkarte vom 05.05. zum letzten
Mal zu erkennen war, bevor es sich aus dem Vorhersagergebiet verlagerte. Dort besaß
es einen Kerndruck von 1000 hPa und der Einflussbereich des abgeschwächten
Tiefs XENOPHON war durch andere Wettersysteme über Skandinavien und Russland
sehr eingeschränkt. Auf der Berliner Wetterkarte vom 06.05. war es von
einem weitreichenden Hochdruckkeil, der sich von Russland aus über Nowaja
Semlja erstreckte, abgelöst worden.
Geschrieben
am 04.06.2015 von Arnór Tumi
Jóhannsson
Berliner
Wetterkarte: 30.04.2015
Pate:
Renate Durchardt