Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
XENO
(getauft
am 26.02.2015)
Ab Beginn der zweiten Februardekade wurde
der atlantisch-europäische Raum von einer ganzen Reihe von Tiefdruckgebieten
beeinflusst. Die Tiefs entstanden dabei am Rande eines weitreichenden, stationären
Höhentroges über dem Nordamerikanischen Kontinent und zogen vom Nordosten
Amerikas über den Nordatlantik und dem isländischen Raum in Richtung des
Nordmeeres bzw. Skandinavien. Als Höhentrog wird ein Gebilde tiefen Luftdrucks
in höheren Troposphärenschichten bezeichnet, meist zwischen 5 und 9 km
Höhe, welcher mit Kaltluft angefüllt ist. Für Mitteleuropa bedeutete dies eine
wechselhafte, zeitweise windige, wenngleich auch milde Wetterphase.
Im Laufe des 25. Februars konnte sich auf
diese Weise ein weiteres Tief entwickeln, welches unter allmählicher
Verstärkung entlang der amerikanischen Ostküste in Richtung Neufundland zog.
Dabei bildete sich bis zum Tagesende eine dipolartige Struktur heraus, mit
Zentren über dem Raum Neuschottland-Neufundland und einige hundert Kilometer
südöstlich davon über dem Westatlantik.
In den nachfolgenden Stunden verlagerte
sich die unter rascher Vertiefung zu einem Sturmtief entwickelte Zyklone weiter
nordostwärts in Richtung des isländisch-grönländischen Raums. Somit war
abzusehen, dass das Tief bald schon Einfluss auf das Wettergeschehen in
Mitteleuropa nehmen würde und so wurde die Zyklone am 26.02. in der Prognose
für den Folgetag auf den Namen XENO getauft.
In den Frühstunden des 27. Februars um 00
UTC, was 01 MEZ entspricht, konnte das Tief XENO circa 500 km südlich von
Grönland mit einem Kerndruck von etwas unter 970 hPa analysiert werden. Die
Ausläufer breiteten sich zu diesem Zeitpunkt noch über dem offenen Nordatlantik
aus, ohne Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa zu haben. Die Warmfront verlief
beispielsweise vom mittleren Nordatlantik südostwärts bis zum Iberischen
Becken, die Kaltfront hingegen südwestwärts bis in die Bereiche des
subtropischen Atlantiks. Gleiches galt auch für das Sturmfeld des Tiefs, welches
sich südlich des Zentrums gebildet hatte. Nach Modellanalyse des amerikanischen
Wetterdienstes wurden über dem offenen Atlantik in Spitzen Windstärke 11 bis 12
erreicht, was nach Klassifikation auf der Beaufort-Skala einem Orkantief
entspricht.
Während sich das Tief im Tagesverlauf
allmählich Richtung Island verlagerte und dabei okkludierte, d.h. Warm- und
Kaltfront zusammenliefen, erreichten die ersten Ausläufer bereits die
Britischen Inseln. Die damit verbunden Niederschläge fielen jedoch eher gering
aus. So regnete es bis zum darauf folgenden Morgen meist nur wenige Millimeter,
wobei der Schwerpunkt mit Mengen von 2 bis 5 mm über Schottland lag. Vereinzelt
wurden zweistellige Niederschlagsmengen registriert, so wie im Ort Eskdalemuir
ca. 80 km südlich von Edinburgh in den Southern Uplands mit 11 mm in 12 Stunden
bis 06 Uhr UTC des Folgetages. Ähnliche Mengen wurden im selben Zeitraum auch
auf den Färöer-Inseln, wie in Thorshavn mit 10 mm, gemessen. Mit der Annäherung
des Tiefs und dem Frontdurchgang frischte auch der Wind stark auf und am Abend
wurden von den Färöer-Inseln, aber auch aus Schottland und dem Norden Englands
einzelne schwere Sturmböen gemeldet. In Lerwick, auf den Shetlandinseln, wurden
am Abend sogar orkanartige Böen bis 108 km/h registriert.
Bis zum 28. Februar um 00 UTC hatte die
Zyklone XENO den isländischen Raum erreicht, wo sie Anschluss an das
vorangehende Tief WINFRIED mit Zentrum über dem Nordmeer fand. Hierdurch
entstand ein umfangreicher Tiefdruckkomplex mit gleich drei Kernen, wobei die
zwei Kerne knapp südlich von Island mit jeweils wenig unter 970 hPa zu dem Tief
XENO gehörten. Beide Kerne waren durch eine Okklusion miteinander verbunden,
welche nordwestlich der Färöer nach Süden schwenkte und über die Britischen
Inseln hinweg bis etwa zum westlichen Ärmelkanalausgang reichte. Die sich von
dort anschließende Warmfront verlief noch bis vor die portugiesische Küste, die
Kaltfront hingegen bogenförmig westwärts, um bald schon in die Warmfront des
nachfolgenden Atlantiktiefs YODA überzugehen. Die Okklusionsfront kam in den
folgenden Stunden unter Abschwächung weiter ostwärts voran, wobei die
Niederschlagsmengen auch über Westfrankreich und Nordspanien meist unter 2 mm
innerhalb von 12 Stunden blieben. Lediglich an der galicischen Küste und dem
Baskenland regnete es zeitweilig etwas kräftiger. Bis zum Abend wurde in einem
Messintervall von 12 Stunden zum Beispiel in Vigo 11 mm und in San Sebastian 6
mm Regen registriert. Weitaus ergiebiger fielen die Niederschläge weiter
nördlich über Skandinavien und hier speziell über Norwegen aus. Begünstigt
durch Staueffekte des Skandinavischen Gebirges fielen über Südnordwegen zwischen
06 und 18 UTC verbreitet 5 bis 15 mm, bis zu 23 mm waren es in
Sirdal-Haugen, circa 60 km östlich von Stavanger. Gleichzeitig verlagerte sich
auch das Sturmfeld des Tiefs von den Britischen Inseln nordwärts vor die
Norwegische Küste, wo verbreitet Sturmböen zwischen 75 und 88 km/h registriert
wurden, an exponierten Stellen entlang der Küste sogar Orkanböen, so wie am
Leuchtturm von Kråkenes mit 130 km/h.
Die Okklusionsfront wurde schließlich bis
zum Tagesende weitgehend in die Zirkulation des vom Ostatlantik zügig in
Richtung Schottland ziehenden Sturmwirbels YODA mit aufgenommen. Dieser fand
als Randtief wiederum Anschluss an das umfangreiche Tiefdrucksystem
XENO-WINFRIED, welches sich in den Frühstunden des 01. März mittlerweile auf
ein Gebiet zwischen Grönland - Britische Inseln - Skandinavien bis nach
Nordwestrussland ausdehnte. Der Hauptkern mit einem Druck von knapp unter 965
hPa und mit XENO II bezeichnet, war bei der Nordmeer-Insel Jan Mayen zu finden.
Weitere Kerne befanden sich nahe der Südspitze Grönlands, wenig südlich von
Island, welches als XENO I bezeichnet wurde, sowie über der russischen
Eismeerinsel Nowaja Semlja und waren durch Okklusionsfronten miteinander
verknüpft. Allerdings hatten diese Okklusionen, da sie einerseits nur schwach
ausgeprägt waren und andererseits weitestgehend über das Meer verliefen
keinerlei Einfluss mehr auf das Wetter über dem europäischen Festland. Die
Struktur der Zyklone indes wandelte sich auch an diesem ersten Märztag
kontinuierlich weiter. Während sich das alte Zentrum XENO II über dem Nordmeer
stetig abschwächte, zog das am Rande liegende Tief YODA unter Verstärkung von
Schottland aus nordostwärts und nahm bis zum Ende des Tages die Rolle des
steuerndes Tief ein.
Nichtsdestotrotz beeinflussten die
zahlreichen mit dem Tiefdruckkomplex verbundenen Ausläufer das Wettergeschehen über
weiten Teilen West-, Mittel- und Nordeuropas auch über den 1. März hinaus. Das Tief
XENO konnte indes in den Frühstunden des 2. März nur noch als schwaches
Randtief über der Grönlandsee mit etwas unter 970 hPa analysiert werden, ehe der
Wirbel XENO im Tagesverlauf vollständig in die Zirkulation des Tiefs YODA überging.
Geschrieben
am 20.04.2015 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 28.02.2015
Pate: Michael Lehner