Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XERO

(getauft am 26.06.2021)

 

Am 25.06.2021 um 00 UTC, also 01 Uhr MEZ, reichte ein Höhentrog des Jetstreams, einem Starkwindband in 8 bis 12 km Höhe, vom Europäischen Nordmeer bis zu den Britischen Inseln. Ein Höhentrog beschreibt in der Meteorologie einen Kaltluftvorstoß nach Süden. An der Trogspitze bildete sich ein Höhentief nordwestlich von Irland. Bis zum Folgetag verstärkte sich dieses mit Lage über Südirland, sodass sich ein dazu gehöriges, schwach ausgeprägtes Bodentief über dem Ärmelkanal bildete. Aus der Prognose der Berliner Wetterkarte für den 27.06.2021 13 Uhr MEZ ging hervor, dass das Tiefdruckgebiet Einfluss auf das Wettergeschehen Europas nehmen würde, woraufhin es die Meteorologen auf den Namen XERO tauften.

 

Am 27.06.2021 um 01 Uhr MEZ befand sich Tief XERO mit einem Kerndruck von knapp 1015 hPa über der nördlichen Biskaya. Eine Mischfront, die durch das Einholen einer Warmfront durch eine Kaltfront entsteht und als Okklusion bezeichnet wird, zog sich vom Nordwesten Frankreichs bis zur Biskaya, wo sie in eine Kaltfront überging, die in westlicher Richtung über Spanien und Portugal verlief, und sich weiter nordwestlich über den Atlantik erstreckte. Das Frontensystem von Tief XERO verlagerte sich im Tagesverlauf weiter nach Osten, während der Kern selbst an Ort und Stelle verblieb. Daher kam es vom Westen Frankreichs bis nach Westdeutschland zu Regenschauern und Gewittern. 12-stündige Niederschlagsmaxima von 46 mm wurden in Wilhelminadorp, einem Dorf in den Niederlanden, bis 19 Uhr MEZ verzeichnet. Mit dem Kaltfrontdurchzug wurden deutlich kühlere Luftmassen nach Westeuropa geführt. Im Nordwesten Frankreichs betrug die Tageshöchsttemperatur teils nur 17°C, beispielsweise in der Gemeinde La Hague, während weiter östlich in Deutschland außerhalb des Tiefdruckeinflusses noch Temperaturen von bis zu 30°C erreicht wurden.

 

Mit minimaler Verlagerung nach Süden befand sich der Zyklonenkern am 28.06.2021 um 01 Uhr MEZ mit einem zum Vortag nahezu unverändertem Bodendruck mittig über der Biskaya. Die Okklusionsfront verlief bogenförmig von der Nordküste Spaniens zunächst nordwestlich über den Atlantik und weiter östlich über den Süden Englands bis zum Okklusionspunkt, also dem Punkt, an dem Kalt- und Warmfront auf Bodenniveau aufeinandertreffen, über den Niederlanden. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront in südöstlicher Richtung bis nach München und die Kaltfront südwestlich hinweg über Frankreich und Spanien. Das Frontensystem wurde weiterhin von Gewittern und mäßigen bis starken Regenschauern begleitet. In Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz wurde um 18 Uhr MEZ innerhalb einer Stunde eine Niederschlagshöhe von 50 mm gemessen. In den Alpen erreichte der Wind in Böen teils Windstärke 12, also Orkanstärke, auf der Beaufort-Skala. Spitzenwerte wurden in der Gemeinde Laufen/Dittingen in der Schweiz mit 252 km/h um 17 Uhr MEZ gemeldet.

 

Bis zum 29.06.2021 um 01 Uhr MEZ hatten sich zwei weitere lokale Tiefdruckminima gebildet, sodass sich der Tiefdruckkomplex XERO nun aus drei Kernen zusammensetze. Von Belgien aus zog sich eine Okklusionsfront durch den ersten Kern, XERO I im Nordwesten Frankreichs und verlief von dort aus im Bogen über die Biskaya, nach Norden bis nach England und weiter bis zu XERO II im Nordwesten Deutschlands. Im weiteren Verlauf erstreckte sich die Okklusion nach Südosten bis zum Okklusionspunkt im dritten Kern des Systems XERO über Österreich, von wo die Kaltfront bis nach Norditalien und die Warmfront bis nach Serbien reichte. Alle drei Kerne wiesen ein Bodendruck von circa 1015 hPa auf. Im Bereich der Okklusionsfront kam es zu gewittrigen Regenschauern, teils mit starker Intensität. Ein Großteil Deutschlands war davon betroffen, bis 19 Uhr MEZ wurden an der Wetterstation Landshut-Reithof in Bayern 12-stündige Höchstwerte von 64 mm gemeldet. Außerhalb Deutschlands wurden im selben Zeitraum sogar bis zu 71 mm in Maastricht registriert. In Gewitternähe erreichte der Wind in Spitzen teils Windstärke 11, in Lindau wurden Böen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 117 km/h gemessen.

 

Am 30.06.2021 um 01 Uhr MEZ hatte XERO I sich bis nach Norditalien verlagert. Vom Kern aus erstreckte sich eine Okklusionsfront im Bogen über Frankreich und Belgien bis zum Tiefdruckkern XERO II über Norddeutschland, von wo die Kaltfront südöstlich bis nach Griechenland und die Warmfront nordöstlich bis nach Finnland verlief. Der Kerndruck beider Tiefs betrug knapp 1010 hPa, XERO III hatte sich bereits komplett aufgelöst. Im Bereich von Nordostdeutschland und Polen fielen die Niederschlagsereignisse besonders stark aus. Es wurde in Bad Schwartau innerhalb von 12 Stunden 64 mm Niederschlag bis 19 Uhr MEZ gemeldet. In Słubice, einer polnischen Stadt nahe der deutschen Grenze, waren es sogar 78 mm im gleichen Zeitraum. Deutschland geriet in einen Bereich deutlich kühlerer Luftmassen, in Berlin-Tegel betrugen die Höchsttemperaturen nur noch 18°C, am Vortag waren es noch 29°C.

 

Zum 01.07.2021 um 01 Uhr MEZ bestand Tiefdruckwirbel XERO nur noch aus einem Kern über der polnischen Küstenregion und verzeichnete einen Bodendruck von rund 1005 hPa. Seine Okklusionsfront zog sich von den Niederlanden hinweg über Deutschland bis zum Okklusionspunkt im Tiefdruckkern über Polen, von wo aus die Kaltfront nach Osten verlief und über Weißrussland in eine weitere Okklusionsfront überging. Die Warmfront erstrecke sich in nordöstlicher Richtung über die Ostsee. Der schaurige und gewittrige Wettercharakter blieb in Deutschland und Osteuropa weiterhin erhalten. In der polnischen Stadt Białystok fielen die Regenschauer mit 45 mm innerhalb von 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ am stärksten aus. Auf der Rückseite der Zyklone wurden insbesondere in Nordrhein-Westfalen für diese Jahreszeit sehr niedrige Höchsttemperaturen von beispielsweise 14°C in Dortmund und knapp 10°C auf dem Berg Kahler Asten in circa 840 Meter Höhe gemessen.

 

Bis zum Folgetag um 01 Uhr MEZ hatte sich im Bereich des Tiefdruckgebiets erneut ein weiteres lokales Minimum gebildet. XERO I befand sich mit einem Kerndruck von fast 1010 hPa über der Ostsee zwischen Deutschland und Schweden. Von Polen aus verlief eine Okklusionsfront nach Westen über Deutschland und den Niederlanden, ein kurzes Stück nach Norden bis über die Nordsee und weiter östlich über Dänemark, durch den Kern von XERO I und weiter bis zum über Weißrussland befindlichen zweiten Kern des Tiefdruckkomplexes, dessen Kerndruck ebenfalls rund 1010 hPa betrug. Davon ausgehend erstreckte sich eine Kaltfront südlich bis in die Ukraine und eine Warmfront östlich bis nach Russland. Im Südosten Europas kam es zu mäßigen bis starken Regenschauern und Gewittern, welche in der rumänischen Stadt Câmpina mit 51 mm bis 20 Uhr MEZ über einen Zeitraum von 12 Stunden am stärksten ausfielen. Im Tagesverlauf löste sich XERO I vollständig auf.

 

Der verbleibende Tiefdruckkern befand sich am 03.07.2021 um 01 Uhr MEZ nach leichter südöstlicher Verlagerung über der Ukraine nördlich des Schwarzen Meers. Davon ausgehend erstreckte sich eine Okklusionsfront nach Süden bis zur Türkei. Das Tief hatte somit keinen Einfluss mehr auf das Wettergeschehen Mitteleuropas und verließ schließlich am 05.07.2021 den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte.