Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XOCHIL

(getauft am 05.07.2020)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nur für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 05.07. befand sich ein unbenanntes Tiefdruckgebiet 500 km südlich von Neufundland. Von dort erstreckte sich eine ausgedehnte Warmfront bis 2500 km westlich des europäischen Festlandes über den Atlantischen Ozean, wo sie letztendlich in einer Kaltfront mündete. Zudem lag nördlich der Warmfront ein sich verstärkendes Hochdruckgebiet, welches den Frontenverlauf in den nächsten Tagen maßgeblich beeinflussen sollte. Dieses Hoch wurde auf den Namen XABI getauft und in Folge des steigenden Einflusses dieser Antizyklone prognostizierte die Berliner Wetterkarte, dass sich eine Wellenstörung innerhalb der Warmfront einstellt, aus welcher sich eine weitere Tiefdruckzone entwickeln sollte. Auf Basis dieser Annahmen tauften die Meteorologen der Berliner Wetterkarte dieses Tief in der Prognose bereits am 05.07. auf den Namen XOCHIL. Auf der Bodenanalysekarte kann man dabei gut erkennen wie Warm- und Kaltfront die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen aufstellen.

Da sich das Tief XOCHIL erst im Laufe des 06.07. bildete, tauchte die Zyklone erstmalig am 07.07 auf der Analysekarte von 02 Uhr MESZ auf. Dort war das Tief 1000 km westlich von Irland mit einem Kerndruck von etwas unter 1015 hPa verortet. Von dort führte eine Warmfront in einem Bogen zunächst nach Osten und schließlich nach Südwesten. Die Kaltfront war nach Westen ausgerichtet und endete nach 500 km in der Warmfront des ehemaligen Tropensturms EDOUARD. Bereits gegen Mittag erreichte die Warmfront Irland und im weiteren Tagesverlauf auch Großbritannien. Zunächst setzte am irischen Flughafen Shannon und an der Forschungsstation Mace Head leichter Regen mit 12-stündigen Niederschlagssummen zwischen 17 und 20 l/m² ein, bevor dieser zunehmend auf Wales übergriff. An der walisischen Station MOD St Athan, einer Einrichtung des britischen Verteidigungsministerium, war der Niederschlagswert nochmals etwas höher, wobei dort das Zeitfenster von 20 Uhr bis 08 Uhr MESZ der nachfolgenden Nacht als Referenz verwendet wurde. Außerdem war die herannahende kühle Luftmasse anhand der Höchsttemperaturen von zum Teil nur 12°C in Nordirland ersichtbar. Zudem war der Wind meist nicht signifikant ausgeprägt, sodass der Westwind selbst auf den exponierten Bergen lediglich mit höchstens 63 km/h wehte.

 

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich die Zyklone XOCHIL bis nach Wales, wobei der Kerndruck mit 1015 hPa weiterhin vergleichsweise hoch blieb. Als Vergleich dient der mittlere Druck auf der Erdoberfläche von 1013 hPa.  Im Tagesverlauf überquerte das Tief XOCHIL den Ärmelkanal und die Benelux-Länder, sodass sowohl Großbritannien, die Benelux-Länder, Nordfrankreich und Norddeutschland durch dieses Tief beeinflusst wurden. In England fielen vielerorts über 10 l/m² Regen innerhalb eines Tages, wobei der Höchstwert an der WMO Station Emley Moor No 2 mit 30,4 l/m² auftrat. Des Weiteren gingen die Niederschläge am Nachmittag auf das europäische Festland über, sodass es insbesondere in den Niederlanden verbreitet über 10 l/m² regnete. Zudem war anhand der Maximaltemperaturen in Mitteleuropa eine deutliche Trennung zwischen dem Hochdruckeinfluss von XABI in Süddeutschland und dem Tiefdruckeinfluss von XOCHIL in Norddeutschland erkennbar. In Norddeutschland und den Benelux-Ländern stieg die Temperatur verbreitet auf Maximalwerte von 16 bis 18°C. Am Rheingraben und in München erwärmte sich die Luft hingegen auf 25 bis 30°C, vereinzelt auch 31°C. Das gleiche Muster zeigte sich bei der Anzahl der Sonnenstunden, da es in Süddeutschland verbreitet heiter war und in Norddeutschland stark bewölkt. Bei den Nachttemperaturen war nicht so eine starke Diskrepanz zwischen Nord- und Süddeutschland ausmachbar, wobei sich die Temperatur bei Hamburg und in Mecklenburg-Vorpommern oftmals auf 8 bis 10°C abkühlte.

 

Am nachfolgenden Tag, den 09.07., weitete die Zyklone XOCHIL ihren Einfluss auf die osteuropäischen Länder Polen und die Tschechische Republik aus. Das lag daran, dass sich der Wirbel XOCHIL mit einem Kerndruck von unter 1020 hPa über Mannheim befand und sich langsam nach Osten verlagerte. Gleichzeitig ereignete sich zu diesem Zeitpunkt parallel ein Prozess innerhalb des Tiefdruckgebiets XOCHIL, der in der Meteorologie unter dem Begriff der Okkludierung fällt. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem eine Mischfront entsteht, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. In der Nordhälfte Deutschlands regnete es verbreitet, wobei sich vor allem nördlich von Hannover ebenfalls einige Regenschauer bildeten. Besonders an der Nordsee wurden bis zu 37 l/m² in Minsen, einem Ortsteil der Gemeinde Wangerland und in Carolinensiel, einem Stadtteil von Wittmund registriert. Zusätzlich dazu vermerkte die Wetterstation in Soltau in der Nähe des Freizeitparks 30 l/m². An der Station Berlin-Dahlem wurden hingegen nur 7,2 l/m² gemessen. Außerdem erreichte der Wind auf einigen höhergelegenen Stationen 6 bis 7 Beaufort. Auf den stark exponierten Bergen wurden auch bis zu 103 km/h auf der Schneekoppe und 93 km/h auf dem Brocken gemessen. Zudem bestanden wieder große Temperaturunterschiede zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands. In Baden herrschte ein Hitzetag, also ein Tag, an dem die Temperatur die magische 30 Grad-Marke erreicht oder übersteigt. Dort wurden Höchstwerte von bis zu 32,2°C in Rheinfelden vermeldet, wohingegen in Bremerhaven lediglich 14°C erreicht wurden.

 

Am 10.07. war die Zyklone XOCHIL über der polnischen Ostseeküste verortet. Der Kerndruck war kurzzeitig nochmals etwas auf 1010 hPa gesunken. Allerdings etablierte sich das das ausgeprägte Hochdruckgebiet XABI über Westrussland, sodass die weitere Zugrichtung nach Osten blockiert wurde. Zudem näherte sich von Westen bereits das deutlich stärke Tief ex-EDOUARD, welches dann schlussendlich auch im Tagesverlauf das Tief XOCHIL in sein Frontensystem mit aufnahm, sodass dieses im Folgenden nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte erwähnt wurde. Infolgedessen konnte die Zyklone XOCHIL nach einer für ein Tief recht durchschnittlichen Lebensdauer von 4 Tagen am 10.07 das letzte Mal auf der Bodenwetterkarte analysiert werden.