Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet XYLA

(getauft am 24.09.2020)

 

Am 24. September 2020 begann sich die Kaltfront von Tief VALENTINA, welches mit Kern über der Nordsee lokalisiert wurde, mit östlicher Verlagerung wellenförmig zu deformieren, so dass sich im Tagesverlauf dort eine Wellenstörung ausbildete, an welche in der Nacht zum 25. September zu 00 UTC, also 02 Uhr MESZ, ein neues Tiefdrucksystem entstehen sollte, welches im weiteren Verlauf Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa nehmen würde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte diese Wellenstörung bereits am 24. September in der Prognose für den 25. September auf den Namen XYLA zu taufen.

Dieses Tief wurde beeinflusst durch maritime Polarluft, die in der Höhe von den Britischen Inseln nach Südfrankreich vorstieß. Dabei lag die gerade entstandene Zyklone auf der Vorderseite eines stark ausgeprägten Troges in 500 hPa, also eines Kaltluftvorstoßes nach Süden in etwa 5 Kilometern Höhe, welcher dadurch zur weiteren Entwicklung und Verstärkung des Tiefs XYLA beitrug. Durch die Bildung des neuen Tiefdruckgebietes wurden bereits vorhandene Niederschläge in der Nacht noch einmal verstärkt. Bis zum Morgen um 08 Uhr MESZ fielen in Norditalien und der Schweiz 40 bis 60 mm in 24 Stunden, im schweizerischen Trans-Torricella 111,4 mm, im slowenischen Nova Gorica sogar 134 mm.

Die frontale Welle, die begonnen hatte zu rotieren, formte sich zu einem noch nicht allzu starken Tiefdruckgebiet heraus, welches in der Nacht zum 25. September mit seinem Kern mit knapp 1004 hPa genau über Genua lag. Dabei hatten sich schon zwei Fronten gebildet. Die Warmfront verlief nach Nordosten über die Alpen, wo sie anschließend nach wie vor mit dem Tiefdrucksystem von Tief VALENTINA verbunden war. Die Kaltfront hingegen lag im Südwesten über dem Ligurischen Meer, dem Mittelmeer und der Straße von Gibraltar, und war westlich davon mit einer Warmfront des Ex-Hurrikans PAULETTE verbunden, welcher südlich der Azoren lag. Dort über Genua entwickelte es sich weiter und zog langsam im Tagesverlauf an der Alpensüdseite entlang nach Osten, bis sich zum Abend die ersten Randtiefs östlich der Alpen nach Norden verlagerten. Auf der Vorderseite eines bis nach Italien hinunter reichenden Höhentroges verstärkte sich XYLA immer weiter und brachte dabei im Osten warme, subtropische Luft nach Polen und im Westen kühle, feuchte Polarluft nach Deutschland. In Polen reichte es im späten September damit noch einmal für einen Sommertag mit bis zu 25,4°C in Rzeszów, während in Teilen Deutschlands gerade einmal 10°C bis 15°C vorherrschten, im Nordosten, wie zum Beispiel am Flughafen Berlin-Tegel mit 16,0°C wurden auch noch etwas höhere Temperaturen erreicht. An den Fronten und um das sich verlagernde Tief herum kam es zu verbreitet starken Niederschlägen, die zum Teil unwetterartig oder sogar gewittrig ausfielen. Im südlichen Alpenraum gab es Niederschlagsmengen von 5 mm bis 20 mm, in Staulagen auch deutlich darüber, zum Beispiel wurden am Grimsel Hospiz im Süden der Schweiz 50,9 mm, in Innsbruck 60 mm und im norditalienischen Salurn 61 mm gemessen, in Sloweniens Vojsko waren es sogar 111,2 mm, in Montenegro wurden an der Station in Nikšić erstaunliche 277 mm innerhalb von 24 Stunden gemessen.

Bis zum 26. September hatte sich das Tiefdruckgebiet XYLA, welches sich mit seinem Kern in einer Region südlich von Warschau weiter über Budapest bis hinüber zur nördlichen Adria befand, auf einen Kerndruck von bis zu 991 hPa verstärkt und verlagerte sich als klassisches „Genua-Tief“ oder auch Vb-Zyklone weiter nach Norden. Dabei lag es immer noch auf der Vorderseite des Höhentroges, der für eine weitere Verstärkung sorgte. Die Kaltfront hatte bereits begonnen, sich unter die Warmfront zu schieben, sodass bereits eine Okklusion entstanden war, die von der Nordküste der Adria bis südlich von Budapest lag, wo sie sich am Okklusionspunkt aufspaltete: Die Warmfront verlief von dort über Budapest und Warschau bis zur polnischen Ostsee, wo sie über ein weiteres Tief indirekt noch mit den Zyklonen WICCA und VALENTINA verbunden war, die Kaltfront hingegen lag wieder im Süden über der Adria und dem Mittelmeer bis nach Afrika über Algerien. Bis zum Mittag verlagerte sich der Kern, der sich weiter verstärkt hatte, ins westliche Polen, wo es sich verbreitet abregnete. Dabei blieb es bei den großen Temperaturgegensätzen: Im Nordosten Polens wurden in Rastenburg bzw. Kętrzyn nochmal sommerliche 25,5°C gemessen, wohingegen München gerade einmal 7,7°C erreichte. Auf dem Feldberg im Schwarzwald kletterten die Temperaturen an diesem Tag nicht mal über den Gefrierpunkt bei maximal -0,9°C. In Berlin-Dahlem war es mit einer Tageshöchsttemperatur von 10,4°C sogar der kälteste 26. September seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Vom Osten Polens aus zog das Tief XYLA am Nachmittag weiter zur Ostseeküste, wo es dann nach Westen abdrehte und in der Nacht zum Sonntag, den 27. September, über Niedersachsen lag. Während es in Süddeutschland, abgesehen von der Schwäbischen Alb und im Bereich der Nordseeküste nur geringe Niederschlagssummen bis zu 5 mm gab, erlebte ganz Deutschland einen regnerischen Tag mit meist 20 bis 30 mm. Die größten Niederschlagssummen in 24 Stunden gab es dabei zum einen in Heckelberg nordöstlich von Berlin mit 54,7 mm, zum anderen auf der Schwäbischen Alb, wo in Baiersbronn-Ruhestein 107 mm Regen fielen, auf dem Feldberg stieg die Schneehöhe von 4 cm auf 55 cm an.

 

In der Nacht zum 27. September lag das Tiefdruckgebiet XYLA an der deutschen Grenze zu den Benelux-Staaten mit einem Kerndruck von 991 hPa. Die Okklusion verlief vom Kern aus nach Nordosten, wo der Okklusionspunkt an der deutsch-dänischen Grenze lag. Die dort beginnende Warmfront zog sich weiter nach Nordosten über Stockholm, westlich an Helsinki vorbei bis sie sich östlich vom russischen Murmansk mit einer Kaltfront eines nicht in Europa liegenden Tiefdruckgebiets verbunden hatte. Die Kaltfront von XYLA verlief hingegen vom Okklusionspunkt nach Kopenhagen zur polnischen Ostseeküste, wo sie mit der Warmfront des Tiefdruckgebiets YOUNGME verbunden war. Dieses Tief war hinter Tiefdruckgebiet XYLA über Polen entstanden und beide verursachten weiterhin Regen, der allerdings in Deutschland nicht mehr so stark ausfiel. Weiterhin sorgten sie zusammen dafür, dass die warme subtropische Luft von Polen weiter nach Norden bis nach Skandinavien vordrang. Im finnischen Kokemäki Tulkkila erreichten die Temperaturen stolze 23,5°C, während die höchste in Deutschland gemessene Temperatur 20,3°C in List auf Sylt betrug. In den nicht allzu weit entfernten Städten Hamburg und Bremen wurden gerade einmal 11 bis 13°C erreicht. Bis zum Mittag hatte sich die Zyklone XYLA dabei von der Küste bis nach Frankreich, östlich von Paris fortbewegt. Da sie dort nicht mehr auf der Vorderseite des Trogs lag, hatte sie sich schon auf 999 hPa abgeschwächt. Dort sorgte Tief XYLA noch einmal für mehr Regen als in Deutschland, wo es an diesem Tag an manchen Stellen trocken blieb, an anderen noch bis zu 5 mm Niederschlag gab, abgesehen vom Osten, der bereits von Tief YOUNGME beeinflusst wurde. In Zentralfrankreich wurden dabei Regenmengen von 15 bis 30 mm registriert, am meisten fiel in Vichy mit 31,7 mm.

Am 28. September hatte das Tief XYLA über Paris das Ende seiner Reise erreicht. Mit einem Kerndruck von 1009 hPa befand es sich nordwestlich der Alpen. Die Okklusion verlief von Paris nach Brüssel, wo sie sich nordöstlich davon noch einmal aufspaltete und die Warmfront nach Norden bis hin zu den Skanden lief. Die Kaltfront lag etwas südlich von Ostfriesland, wo sie mit der verbleibenden Warmfront von YOUNGME verbunden war. In seinem Einflussbereich sorgte die Zyklone XYLA zwar noch für einen bedeckten Himmel, hatte allerdings keinen großen Einfluss mehr auf Wetteraktivitäten. Mit der Warmfront stieß allerdings die warme Subtropikluft bis in die Skanden vor. In Selbu, südöstlich von Trondheim, wurden dadurch am Tag noch einmal 19,5°C erreicht. Bis zum Folgetag wurde die schon abgeschwächte Zyklone XYLA dann in das Frontensystem von Tief YOUNGME mit aufgenommen und konnte daher nicht mehr als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte erfasst werden.