Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YANNIS

(getauft am 08.05.2017)

 

Am 8. Mai deutete sich über dem Ostatlantik eine Austrogung der Isobaren, also der Linien gleichen Luftdrucks, in Richtung Südosten an. Dabei traf die milde subpolare Meeresluft über dem Nordatlantik auf die arktische hochreichende, sich über Skandinavien und Sibirien befindliche, Kaltluft. In diesem Grenzbereich bildete sich im Tagesverlauf über dem Europäischen Nordmeer eine Welle im Bodenniveau aus. Da die Welle im Begriff war sich zu einem Wellentief, also zu einem kleinräumigen Luftdruckminimum ohne eigenständige Zirkulation, zu entwickeln, wurde sie von der Berliner Wetterkarte noch am gleichen Tag um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, in der Prognose auf den Namen YANNIS getauft. Erst am Tag nach der Taufe trat das bis dahin entstandene Wellentief erstmalig auf der Berliner Wetterkarte in Erscheinung.

Mit einem Kerndruck von ca. 1028 hPa lag Tief YANNIS zentral zwischen Island und Norwegen. Vom Kern abgehend verlief eine Warmfront nach Süden bis an die nördliche Spitze Schottlands und eine Kaltfront bogenförmig nach Nordwesten hinweg über die Ostküste Grönlands. Bis zu diesem Zeitpunkt brachte das schwach ausgeprägte Wellentief YANNIS geringe 24-stündige Niederschlagswerte von 1 bis 3 mm auf Island. In Reykjavik selbst fielen im gleichen Zeitraum kaum nennenswerte 0,2 mm. Bis zum frühen Morgen waren die Ausläufer des Tiefs bereits an der Westküste Norwegens angelangt. Bis 06 Uhr UTC verursachten die Tiefausläufer innerhalb der vergangenen 12 Stunden vom Nordfjorden, dem sechstlängsten Fjord in Norwegen, bis Trondheim 3 bis 8 mm Regenmengen. Auf dem knapp 1300 m hohen Berg Mannen nahe Kristiansund wurde die höchste Niederschlagssumme von 11 mm verzeichnet. Der Niederschlag kam in höheren Lagen, wo die Tiefsttemperaturen unter dem Gefrierpunkt lagen, als Schnee am Boden an. So gab es bis zum Morgen des 9. Mai auf dem Berg Mannen 13 cm Neuschnee. Ebenso wurden im ca. 20 km von Kristiansund entfernten Tingvoll-Hanem bei einer Tiefsttemperatur von -1°C 4 cm Neuschnee gemessen. Die maritime Subpolarluft sorgte in weiten Teilen Südskandinaviens für zweistellige Höchstwerte. So vermerkte die Messstation im schwedischen Göteborg eine Höchsttemperatur von 12°C und in Malmö 11°C. Im Verlauf des Tages zog der Kern von Tief YANNIS weiter nach Südskandinavien, wo er sich schließlich in zwei Kerne aufspaltete. Diese zwei Kerne kann man deutlich auf der Berliner Wetterkarte vom 10. Mai um 00 Uhr UTC erkennen. Kern I befand sich mit einem Luftdruck von ca. 1009 hPa direkt über der dänischen Stadt Roskilde, welche auf der Ostseeinsel Seeland etwa 30 km westlich von Kopenhagen liegt. Vom Kern I abgehend verlief eine Warmfront nach Süden bis zur Brandenburgischen Elbtalaue und eine Kaltfront bis über die Nordsee kurz vor Kristiansand, wo sie sich mit der Warmfront von Kern II verband. Kern II wurde mit einem nahezu identisch hohen Luftdruck wie Kern I über Bergen lokalisiert. Nordwestlich vom Kern ging eine Kaltfront auf Höhe der Färöer-Inseln in eine Warmfront eines unbenannten Tiefs nahe Island über.

In der Nacht vom 9. zum 10. Mai kam es an der Nordflanke von Tief YANNIS zu kräftigem Schneefall. Am Morgen des 10. Mai um 06 Uhr UTC meldete die Station Asker direkt bei Oslo eine Schneehöhe von 12 cm. Die Temperaturen sanken dort auf etwa 0°C. Die Schneeschauer reichten bis nach Polen und Litauen, wo örtlich eine dünne Schneedecke beobachtet wurde. Die gemeldeten 1 cm Schnee in Leba, an der polnischen Ostseeküste, und 7 cm im litauischen Birzai, unweit der Grenze zu Lettland, sind auch für dortige Verhältnisse zu dieser Jahreszeit ungewöhnlich.

Da die Fronten von Tief YANNIS in der Nacht zum 10. Mai auch schon auf Deutschland übergriffen, wurden auf der Insel Rügen bis 06 Uhr UTC innerhalb der letzten 12 Stunden 5 mm an der Station am Kap Arkona und 6 mm in Putbus gemeldet. Die höchste Niederschlagsmenge im gleichen Zeitraum konnte in Malmö mit 12 mm ausfindig gemacht werden. Dort fielen bis 00 Uhr UTC innerhalb von 6 Stunden schon 10 mm Regen. Stark ausgeprägte Wolkenfelder, verursacht durch Wellentief YANNIS, verhinderten in der Nordhälfte Deutschlands eine erneute Frostnacht. So meldeten die Inseln Helgoland und Rügen Tiefstwerte um die 5 bis 6 Grad. Auch in Berlin konnten mit 3 bis 5 Grad Minima im positiven Bereich erreicht werden. Damit konnte der Norden die Eisheiligen in dieser Nacht nochmals umgehen, während sie im Süden durch meist aufgeklarten Himmel etwas früher als dem Kalender zufolge eintraten.

Im Tagesverlauf des 10. Mai zog das Tief YANNIS, welches sich mittlerweile zu einer frontalen Welle entwickelt hat, langsam nach Osten entlang der Grenze zur kalten Luft arktischen Ursprungs. Eine frontale Welle bezeichnet in der Meteorologie das erste Stadium der Zyklogenese bzw. der Bildung eines Tiefdruckwirbels. Gelegentlich verhaart es bei diesem beginnenden Stadium, das System vertieft sich also nicht weiter und das Tief wandert die Front entlang. Auf dieser Zugbahn brachte es im Raum von Danzig zeitweise mäßig bis starken Schneefall. Im Bereich der arktischen Kaltluft konnte in Elbing bei Danzig nur 1°C als Höchsttemperatur ermittelt werden. Weiter westlich, wo bereits die maritime Subpolarluft überwog, konnten Maximalwerte um die 10°C, wie beispielsweise in Stettin, registriert werden. Bis zum Abend gelang vor allem Mecklenburg-Vorpommern in den Einflussbereich von Tief YANNIS. Dabei kamen innerhalb von 12 Stunden in Ueckermünde 11 mm Regen zusammen. In ganz Norddeutschland gab es, bedingt durch die Tiefausläufer, nur maximal 1 bis 3 Stunden Sonnenschein. In Ueckermünde, Schwerin und Lübeck blieb es ganztägig bedeckt.

Bis zum Folgetag war die frontale Welle YANNIS mit dem Zentrum über Weißrussland angelangt. Dabei konnte das Tief nur noch einen Kern vorweisen, welcher im Vergleich zum Vortag einen leicht gesunkenen Luftdruck von ca. 1007 hPa besaß. Vom Tiefdruckkern abgehend verlief eine Warmfront nach Osten bis etwa zur Grenze Russlands sowie eine Kaltfront nach Westen, die über der polnischen Ostseeküste in eine Warmfront eines weiteren frontalen Wellentiefs über der Nordsee überging. Bis zum Abend sorgte Tief YANNIS noch einmal für 12-stündige Niederschlagsmengen in einem Streifen von der weißrussisch-ukrainischen Grenze bis nach Moskau. Dabei fielen in Weißrussland noch 2 bis 5 mm, in Moskau 8 mm und in Wjasma 14 mm. Ortsweise trat der Niederschlag in fester Form oder in Form von Schneeregen bei 4 bis 6 Grad auf.

Zum Abend hin wurde die frontale Welle YANNIS von einer anderen bereits erwähnten frontalen Welle, die sich von der Nordsee dem Tief annäherte, vollständig aufgenommen. Somit konnte das Tief das letzte Mal als eigenständiges Tiefdruckgebiet bzw. als frontale Welle am 11. Mai in dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte erfasst werden.

 

 

Geschrieben am 22.08.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 09.05.2017

Pate: Romano Koch