Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YAPRAK

(getauft am 05.11.2018)

 

Ende Oktober kam es über Nordamerika zu einem massiven Kaltlufteinbruch. Arktische Luftmassen flossen weit nach Süden und der dazugehörige Trog reichte bis Florida. Ein Trog ist dabei ein ausgedehntes Gebiet geringen atmosphärischen Luftdrucks. Auf der Vorderseite des Troges gelangte bis zu 20°C warme Luft bis Neufundland. Entlang dieser Luftmassengrenze bildete sich eine Rinne tiefen Luftdrucks aus. Aus dieser konnte am 1. November 2018 ein flaches Tiefdruckgebiet über Alabama und Mississippi entstehen. Diese Zyklone wanderte auf der Vorderseite des Troges entlang der Ostküste der USA und Kanadas nach Nordosten. Die Zyklone verstärkte sich rasch auf einen Kerndruck von unter 980 hPa und brachte in diesen Regionen verbreitet Sturmböen. Auf dem Mount Washington in New Hampshire wurden am 3. November sogar 183 km/h erreicht. Zudem fielen von Pennsylvania über New York bis Maine am 2. November verbreitet 40 bis 85 mm Niederschlag innerhalb von nur 24 Stunden. Das Tiefdruckgebiet verlagerte sich in der Folge mit einem Kerndruck von 975 hPa nach Osten über den Atlantik. Da dieses Druckgebiet mit hoher Wahrscheinlichkeit das Wetter in Mitteleuropa beeinflussen sollte, erfolgte am 5. November in der Analyse der Berliner Wetterkarte die Taufe des Tiefs auf den Namen YAPRAK.

Um 01 Uhr MEZ des Tauftages befand sich Tief YAPRAK mit einem Druck von 982 hPa ca. 500 km südöstlich der Südspitze Grönlands auf der geografischen Höhe von Nordirland. Ein Tiefdruckgebiet hat zumeist eine Warm- und eine Kaltfront inne. Die Warmfront erstreckt sich vom Kern tendenziell in südöstlicher Richtung und die Kaltfront in südwestlicher Richtung. Vorderseitig der Warmfront wird warme Luft nach Norden transportiert, rückseitig der Kaltfront folgt, wie der Name es schon verrät, Kaltluft, die nach Süden fließt. Eine Kaltfront weist eine höhere Zuggeschwindigkeit als eine Warmfront auf, sodass sich im Laufe des Lebenszyklus eines Tiefs beide Fronten vereinigen. Diese Mischfront bezeichnet man als Okklusion. Tief YAPRAK besaß zu dieser Zeit eine ca. 300 km lange Okklusion, die Warmfront erstreckte sich ca. 500 km in südliche Richtung und die Kaltfront über 1500 km in südwestliche Richtung über den Nordatlantik.

Bis zum 6. November okkludierte das Frontensystem der Zyklone YAPRAK weiter und zugleich konnte sich ihr Kern etwas vertiefen. Um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern 700 km südlich von Island und 700 km westlich von Schottland. Die Okklusionsfront erreichte jetzt eine Länge von 750 km in südlicher Richtung, die Warmfront reichte etwa 1000 km weiter über den Ostatlantik und die Kaltfront beschrieb einen weiten Bogen über den zentralen Nordatlantik bis Bermuda. Durch das kräftige Hochdruckgebiet ZOUHIR über Osteuropa nahm die Verlagerungsgeschwindigkeit von Tief YAPRAK rasch ab. Man spricht hier von einer blockierenden Wirkung des Hochdruckgebietes. So wurde Tief YAPRAK im Laufe des Tages wieder leicht nach Westen abgedrängt und blieb stationär südlich vor Island. An dem Punkt, wo sich Warm- und Kaltfront vereinigen, auch Okklusionspunkt genannt, bildete sich ein neues Randtief aus. Dieses wurde als YAPRAK II bezeichnet, der Kern südlich von Island als YAPRAK I.

Am 7. November um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern YAPRAK I etwa 700 km südwestlich von Island mit einem verstärkten Druck von ca. 959 hPa. Der Tiefdruckkern YAPRAK II positionierte sich knapp südwestlich von England mit einem Druck von 988 hPa. Verbunden waren beide Kerne mit einer bogenförmigen Okklusion. Vom Tief YAPRAK II erstreckte sich eine bogenförmige Kaltfront über die Biskaya, Nordwestspanien bis weit über den Atlantik. Aufgrund der langsamen Verlagerung der Fronten kam es zu teils großen Regenmengen. Bis 07 Uhr MEZ fielen 24-stündig von Nordirland über Wales und die Bretagne bis Nordwestspanien 10 bis 40 mm Regen. So verzeichnete Belfast 17,4 mm, Milford Haven in Wales 37,2 mm, Camborne im Südwesten Englands 28,8 mm und Brest in der Bretagne 21,4 mm. Einen Schwerpunkt stellte Galicien im Nordwesten Spaniens dar. Hier fielen gebietsweise unwetterartige Regenmengen von 40 bis 100 mm, den Spitzenwert vermeldete die Wetterstation Casas do Porto bei Padrón mit 116,4 mm. Neben kräftigen Niederschlägen gab es in diesen Regionen starke bis stürmische Böen von 60 bis 85 km/h, in der Bretagne orkanartige Böen bis 105 km/h auf der Insel Ouessant und in Galicien Orkanböen bis 126 km/h am Kap Estaca de Bares. In den schottischen Highlands wurden bis zu 161 km/h auf dem Gipfel des Cairn Gorm registriert. Im Einflussbereich von Tief YAPRAK blieb es in der Nacht mit Tiefstwerten von 14 bis 10°C sehr mild. Einzig in Irland kühlte es bis auf 3°C ab, örtlich gab es hier Bodenfrost. Im Verlauf des 7. Novembers verlagerte sich der Kern YAPRAK II nach Norden und zog über die Irische See und Schottland in Richtung Island, während YAPRAK I mehr oder weniger stationär vor Island verharrte. Die langgezogene Kaltfront verlagerte sich langsam nach Osten und erstreckte sich von Schottland über London und die Pyrenäen bis nach Südportugal. Hier fielen 24-stündig bis 07 Uhr MEZ des Folgetages 5 bis 15 mm Niederschlag, in Wales und Nordirland bis zu 35 mm. Mit der Kaltfront kam es zu einem Luftmassenwechsel. So wurde die maritime Subtropikluft durch erwärmte maritime Polarluft ersetzt. Somit kam es rückseitig der Front zu einem Temperaturrückgang. In Irland lagen die Höchstwerte mit 8 bis 11°C ca. 2 bis 4 Kelvin unter denen des Vortages, wie beispielsweise in Dublin, wo es von 12,4 auf 9,7°C abkühlte. Erneut traten von Großbritannien über Frankreich bis Spanien Windböen von 50 bis 80 km/h auf, an der Westküste Frankreichs und Nordwestküste Spaniens nochmals starke Sturmböen.

Am 8. November um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern YAPRAK I 800 km südwestlich von Island und der Kern YAPRAK II zwischen Island und Schottland. Der Druck von YAPRAK I stieg auf 973 hPa an, während sich YAPRAK II auf 984 hPa vertiefte. Die Kaltfront erreichte bis zum Morgen den Westen und die Mitte Deutschlands. Die Regenmengen blieben am Tage mit 0,1 bis 3 mm überschaubar, einzig im äußersten Südwesten brachte eine Schauerlinie bis 6 mm, wie in Malsburg-Marzell mit 6,1 mm. Unter den Wolken der Front kühlte sich die Luft in der Nacht auf 11 bis 7°C ab. Die Kaltfront von Tief YAPRAK II überquerte Deutschland am 8. November tagsüber von Südwest nach Nordost und löste sich aber auf dem Weg immer weiter auf, da dort der Luftdruck durch Hoch ZOUHIR zu steigen begann. So fielen in Berlin-Dahlem nur noch 0,1 mm Regen, entlang der Oder blieb es bereits komplett trocken. Die Kaltfront ersetzte aber die seit Tagen bestimmende subtropische Luftmasse. Am 7. November konnten bundesweit bei 5 bis 8 Sonnenstunden 12 bis 18°C, am Alpenrand sogar nochmals 20°C erreicht werden. Am 8. November kühlte die Luft auf 10 bis 15°C, örtlich 16°C ab. So vermeldete Berlin-Tegel 13,7°C (Vortag 15,8°C), Garmisch-Partenkirchen 12,7°C (Vortag 20,1°C) und Köln-Stammheim 14,9°C (Vortag 17,5°C). In einem Streifen vom Schwarzwald bis zum Harz blieb es unter der Kaltfront bedeckt ohne Sonnenschein, vor der Kaltfront wurden 1 bis 4, rückseitig der Front von der Nordsee bis zur Eifel wieder 4 bis 8 Sonnenstunden verzeichnet.

Am 9. November um 01 Uhr MEZ war das Tief YAPRAK letztmalig auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet. Beide Kerne befanden sich mit jeweils ca. 975 hPa südwestlich von Island. Die Okklusionsfront erstreckte sich über das Nordmeer und Südschweden bis über den Osten Deutschlands. Die Wetterwirksamkeit blieb aber aufgrund der Nähe zum Hoch ZOUHIR gering. Auf dem Weg nach Nordosten löste sich die Front rasch auf, die beiden Kerne YAPRAK I und II wurden schließlich vom nachfolgenden Tief ZARMINA aufgenommen.