Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YATIN

(getauft am 18.04.2021)

 

In der Nacht zum 18.04.2021 begann sich über der Ägäis im Bereich der sich wellenförmig deformierenden Kaltfront des stationär über der Ukraine liegenden und sich dort auflösenden Tiefdruckwirbels XANDER ein neuer, eigenständiger Wirbel auszubilden. Seine voranschreitende Entwicklung und weitere Ausprägung wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte anhand der Prognosekarte für 12 UTC des darauffolgenden Tages für Ostgriechenland vorhergesagt und der neu entstehende Wirbel daraufhin auf den Namen YATIN getauft.

 

Gegen 00 UTC des 19.04. befand sich jener neue Tiefdruckkern mit einem Druck von unter 1015 hPa östlich von Athen, nahe der Insel Andros. Er hatte im Gegensatz zu ersten Prognosen bis dahin bereits begonnen die Fronten des ehemaligen Tiefs XANDER einzuholen und in sich aufzunehmen. Somit reichte zu diesem Zeitpunkt eine Warmfront vom Zentrum des neuen Tiefs nach Nordosten, die sich über dem Schwarzen Meer mit dem Frontensystem eines parallel zu ihm entstandenen, jedoch unbenannten flachen Bodentiefs mit Zentrum über Südrussland, verband. Des Weiteren erstreckte sich eine der Warmfront folgende Kaltfront in südwestlicher Richtung über das Mittelmeer bis in den Norden Libyens. Hebungsprozesse im Kernbereich des Wirbels als auch entlang seines sich ausprägenden Frontensystems ließen dabei die bodennahen, maritimen Luftmassen des Mittelmeers in deutlich kühlere Luftschichten aufsteigen, was die Entwicklung eines markanten Niederschlagsfeldes zur Folge hatte. Dieses verlagerte sich mit dem sich beständig verstärkenden Tief YATIN im Tagesverlauf entlang der Ägäis über den Bosporus nach Nordosten und griff dabei von Griechenland kommend zunächst auf die Türkei sowie auf Bulgarien und die Küstenregionen Rumäniens über. Die einsetzenden, teils gewittrigen Schauer führten dabei binnen 24 Stunden bis 06 UTC des nächsten Morgens im griechischen Ioannina 11,6 mm, im bulgarischen Mourgash 20,7 m und im ebenfalls griechischen Doxato 24,0 mm mit sich. Aus den rumänischen Küstenstädten Sula und Constanta wurden je 20,0 mm und in den türkischen Städten Bilecik und Bolu 17,3 beziehungsweise 22,5 mm gemeldet. Die Niederschlagsintensitäten waren dabei regional sehr unterschiedlich ausgeprägt, wie sich am Beispiel Griechenland zeigt: Während am Flughafen von Chrysoupoli bis zu 37 mm in 24 Stunden registriert wurden, blieb es an der nur 100 Kilometer entfernten Station von Alexandroupolis mit maximal 2,6 mm vergleichsweise trocken. Sein sich ausdehnendes Frontensystem, entlang dessen sich über dem Schwarzen Meer vorübergehend ein zweiter, dem Wirbel YATIN zuzuordnender Kern auszubilden begann, näherte sich zum Tageswechsel auch dem Süden Russlands sowie den Küstenregionen der Ukraine. Auf seinem Weg über das Schwarze Meer konnte das Tief dabei weiter Feuchtigkeit aufnehmen, wodurch dessen Niederschläge noch weiter an Intensität gewinnen konnten. Innerhalb von nur 12 Stunden brachten die aufziehenden Schauer südlich von Rostow bei Tichorezk 22,0 mm, nahe Odessa in der ukrainischen Küstenstadt Tschornomorsk 24,0 mm und im östlich von Wolgograd gelegenem Elton bis zu 33 mm.

 

Gegen 00 UTC des 20.04. erstreckte sich der Schwerpunkt des regenreichen Tiefdruckwirbels YATIN mit nunmehr zwei analysierbaren Kernen vom Schwarzen Meer bis in den Nordosten der Türkei. Von ihm ging ein verzweigtes Frontensystem aus, von dem besonders seine Okklusionsfront hervorzuheben ist. Eine Okklusionsfront beschreibt dabei eine Mischfront, die aus dem Zusammenschluss einer Warm- mit der ihr nacheilenden Kaltfront hervorgeht. Sie reichte vom ursprünglichen, ersten Kern, der mit einem Druck von unter 1005 hPa über der zentralanatolischen Provinz Sivas lag, zum zweiten Kern (1010 hPa) östlich von Rumänien. Seine übrigen Frontenausläufer, eine vom ersten Kern über den Kaukasus nach Osten reichende Warmfront als auch zwei von beiden Kernen über die Mittel- beziehungsweise die Westtürkei nach Süden reichende Kaltfronten zeigten sich im Vergleich zur ihr dagegen kaum wetteraktiv. Entlang der Okklusionsfront war bereits in der Nacht das markante Niederschlagsband des Wirbels auf die küstennahen Regionen des nördlichen Schwarzen Meeres getroffen und schritt im Laufe des Tages mit dem sich nach Nord abdrehenden Wirbel über die Ostukraine weiter Richtung Westrussland voran. Über Land verloren die Niederschläge dabei jedoch allgemein allmählich an Stärke, konnten regional aber dennoch äußerst ergiebig ausfallen. Durch anhaltenden, teils schauerartig verstärkten Regen wurden beispielsweise vierundzwanzigstündig in Iwanowo 14,0 mm und Moskau 18,0 mm gemessen, in der Ukraine kamen in Charkiw 13,0 mm, in Dnipropetrowsk 17,8 mm und in Saporischschja 21,5 mm zusammen. Besonders intensiv gestalteten sich die Niederschläge in einem engen Streifen, der sich östlich der Wolga grob nordwestlich von Wolgograd bis südlich von Nischni Nowgorod erstreckte. In jener Region brachten die anhaltenden Schauer und Gewitter vielerorts über 30 Millimeter in 24 Stunden. So wurden an der Station Kalaç 34,0 mm, bei Kirsanow 42,0 mm und in Borissoglebsk bis zu 46,0 mm gemessen, wobei die Schauer je nach Region und Stärke auch von Sturmböen der Windstärken 8 bis 9, vereinzelt auch 10 begleitet sein konnten. Nördlich von Moskau gingen die Niederschläge allmählich in Schnee über, die bei einer Tiefsttemperatur von 0,4°C Iwanowo über Nacht mit einer zwei Zentimeter dicken jedoch bereits in den Morgenstunden tauenden Schneedecke überzogen. In Teilen der Türkei kam es im Bereich der dortigen Kaltfronten ebenfalls zu einzelnen Schauern und Gewittern. Größere Regenmengen wurden jedoch zumeist nur lokal im Nordosten des Landes sowie entlang des Bosporus registriert: Aus Bayburt wurden 4,0 mm, aus Bandırma 4,2 mm und aus Ardahan 7,2 mm gemeldet. Sonst fielen meist unter 1,0 mm oder es blieb bei einem Mix aus Sonne und Wolken vielerorts gänzlich trocken. Auf Deutschland hatte das ferne Tief ebenfalls, wenn auch nur am Rande Einfluss. Zwischen ihm und hohen Luftdruck im Norden, wurden ähnlich wie bereits zuvor am Rande des Tiefs XANDER, mit einer östlichen bis nordöstlichen Strömung erwärmte, trockene Festlandsluft über Polen und Südskandinavien in den Norden und zunehmend auch in den Süden des Landes geführt. So kletterte das Quecksilber bei reichlich Sonnenschein auf Werte zwischen 16°C bis 19°C. In Hamburg wurde ein Tageshöchstwert von 16,6°C, in Andernach von 18,0°C und in Potsdam von 18,8°C gemessen. Tags zuvor waren im Berliner Stadtteil Buch gar bis zu 19,4°C gemessen worden. Lediglich entlang der Ostseeküste blieb es mit 8,8°C am Kap Arkona und 9,8°C in Greifswald deutlich kühler. Teile Sachsens und Bayerns waren dagegen durch ein kleines, voranging in der Höhe ausgeprägtes Tief beeinflusst. Unter dichten Wolken und bei gelegentlichem Regen oder kurzen Gewittern stieg die Temperatur auf Werte um 15°C.

 

Mit einem Druck von weiterhin knapp 1005 hPa befand sich das Zentrum des Tiefs YATIN um 00 UTC des am 21.04. über Westrussland, zwischen Wolgograd und Moskau nahe des Flusses Worensch. Sein einstiger zweiter Kern hatte sich bis dahin aufgelöst und war in die Zirkulation des ersten aufgegangen. Eine Okklusionsfront zog sich zum Analysezeitpunkt in einem Bogen um das Zentrum herum bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, bei Saransk. Von dort reichte die Warmfront in südöstlicher Richtung nach Kasachstan und die Kaltfront nach Süden Richtung Kaukasus, wo sie sich mit den Ausläufern eines am Rande des Tiefs YATIN über der Türkei neu entwickelten Wirbels verband. Während das unbenannte Tief für die Osttürkei wetterwirksam wurde, verlagerte sich der Tiefdruckwirbel YATIN im Tagesverlauf weiter nach Norden. Mit wachsender Entfernung zum Schwarzen Meer und der damit einhergehenden nachlassenden Zufuhr feucht-warmer Luftmassen verloren die Niederschläge zunehmend an Intensität. Sie begannen sich über den Weiten Russlands allmählich abzuregenden. Konnten entlang der Wolga bei Samara durch Schnee- und Regenschauer noch bis zu 24,0 mm registriert werden, fielen in Finnland durch aufkommenden, teils schauerartigen Regen oder Schneeregen bei Valtimo und Rautavaara noch maximal 4,5 beziehungsweise 5,9 mm. Wiederholter, in Schneefall übergehender Regen führte zur gleichen Zeit in Petrosawodsk am Onegasee 9,0 mm, Regenschauer in Iwanow 12,0 mm und mit Schnee vermengt nördlich von Moskau bei Tscherepowez 16,4 mm mit sich. Für Deutschland wurde in der Zwischenzeit das aus Norden aufziehende Tief ZOHAN wetterbestimmend, entlang dessen Vorderseite die zuvor eingeflossene warme Festlandsluft mit einer von Ost auf Süd nach Nordwest drehenden Strömung abgedrängt wurde. Waren in Hamburg am 21.04 nur noch maximal 11,9°C gemessen worden, stieg das Quecksilber in Potsdam zuvor nochmal auf 18,3°C. In Mannheim wurden 19,6°C und Geisenheim 20,1°C gemessen, tags darauf stieg die Temperatur auch im Süden auf kaum mehr 14°C. Seinen Einfluss auf Mitteleuropa hatte Tief YATIN bis dahin verloren.

 

Am 22.04. befand sich das Zentrum des zunehmend an Stärke verlierenden Wirbels YATIN mit nur geringfügig verändertem Kerndruck südlich des Weißen Meeres nahe des Onegasees. Seine Warmfront war von der ihr nacheilenden Kaltfront bis 00 UTC vollständig eingeholt worden. Die daraus resultierende Okklusionsfront erstreckte sich von seinem Zentrum nach Südosten und ging über der Wolga in das Frontensystem des von der Türkei Richtung Kasachstan verlagernden unbenannten Tiefs über. Der Tiefdruckwirbel YATIN zog im Tagesverlauf von Westrussland in Richtung der Kola-Halbinsel ab. Dabei konnte der Wirbel mit Annäherung an das Weiße Meer und die Barentssee erneut leicht an Feuchtigkeit gewinnen, größere Regensummen brachten die in Küstennähe in Regen übergehenden Schneefälle dennoch kaum noch. Seine Niederschläge konzentrierten sich mit ihren höheren Intensitäten noch entlang seines Zentrums und somit auf die Regionen um das Weiße Meer sowie auf die Kola-Halbinsel selbst. In Archangelsk waren durch wiederholte leichte Schauer 0,7 mm, in Murmansk 3,0 mm und im nahe gelegenem Teriberka 6,0 mm gemessen worden. Für den Westen Russlands wurde nach Abzug des Wirbels gen Norden das vom Baltikum aufziehende Tief ZOHAN und für Finnland ein an seinem Rand entstehendes Bodentief wetterbestimmend, wodurch sich trotz Abzug des Tiefs YATIN dort der wechselhafte und durch wiederholte Regen- oder Schneeschauer geprägte Wettercharakter auch weiter fortsetzte. Regenmengen wie einst im Einflussbereich des Tiefs YATIN wurden jedoch nicht mehr registriert. Zum Vergleich: In Sortawala, nördlich von St. Petersburg am Ladogasee gelegen, waren im Verbund mit jenen nach Norden abziehenden Niederschlägen des Tiefs YATIN 7,0 mm, an der finnischen Station Ylistaro Pelma 13,0 mm sowie tags darauf im westrussischen Roslawl 9,0 mm und in St. Petersburgs 3,0 mm gefallen.

 

Bis 00 UTC des 23.04. hatte sich das Zentrum des Tiefs YATIN Richtung Murmansk verlagert und drehte im Tagesverlauf von seiner ursprünglich nördlichen Zugbahn über die Barentssee nach Osten ab. Dabei verließ der Tiefdruckwirbel im Laufe des 24.04. den von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich, wodurch jener nachfolgend nicht mehr erfasst und somit auch nicht mehr namentlich verzeichnet werden konnte. Das Tief hatte zudem begonnen sich aufzufüllen, sein Kerndruck betrug am 24.04. bereits wieder 1015 hPa. Leichte Regen- und Schneefälle brachten an seinem Rand entlang der nordrussischen Küstenregionen innerhalb der 48 Stunden in der Ölarbeitersiedlung Varandey noch 1,5 mm und in Workuta 1,4 mm.