Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YENTL

(getauft am 31.10.2010)

 

Der Ausgleich von Temperaturunterschieden zwischen Polargebieten und tropischen Gefilden erfolgt hauptsächlich durch die Tiefdruckgebiete der Westwindzone in den mittleren Breiten. Sie bilden sich daher bevorzugt wenn kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen. Das Gebiet um Neufundland ist dafür prädestiniert, dass kalte Festlandsluft polaren Ursprungs aus den Weiten Kanadas, auf vom Golfstrom erwärmte Meeresluft trifft. So geschah es am 30.10.2010, dass sich genau hier aus der starken Höhenströmung heraus ein neues Tiefdruckgebiet gebildet hat, das am nächsten Tag auf den Namen YENTL getauft wurde und das erste Mal auf der Wetterkarte zu sehen war. Bei der Entstehung sank innerhalb von nur 24h der Kerndruck um 35 hPa auf 970 hPa ab. Damit intensivierte sich YENTL sehr zügig und erfüllte damit die Kriterien einer explosiven Zyklogenese (Absinken des Kerndrucks in 24h um 24 hPa).

An die schnelle Höhenströmung (Windgeschwindigkeiten bis 180km/h in 5500m) gekoppelt wanderte YENTL bis zum 01.11.2010 weiter nach Island. Während dieser Zeit konnte sich die polare Luftmasse hinter der Kaltfront über dem Atlantik schon etwas erwärmen, sodass sie inzwischen einen maritimen Charakter besaß.

Am 02.11.2010 erreichten die Frontensysteme von YENTL auch Großbritannien und das europäische Festland. Dabei waren die Kalt- und Warmfront schon vom Tiefzentrum über Island bis nach Schottland vollständig okkludiert, sodass die ursprünglich in Bodennähe vorhandene subtropische Warmluft in diesen Gebieten bereits vollständig in größere Höhen gehoben wurde. So führte das Frontensystem z. B. in Dublin nur zu einer leichten Abkühlung von 2°C, mit einer Höchsttemperatur hinter der Kaltfront von 13°C. Über die Mitte und den Norden Deutschlands zog die Kaltfront von Tief YENTL am 02.11.2010 hinweg. Sie führte dichte Bewölkung mit sich, die jedoch keine nennenswerten Niederschläge fallen ließen. Anders in Norwegen, im Stau des Skandinavischen Gebirges sorgte die Okklusion von YENTL an der Atlantikküste für intensive Regen- und Graupelschauer. Dabei fielen in Bergen 19 mm Niederschlag.

Nachdem YENTL anfangs noch an die schnell ziehende Höhenströmung gekoppelt war, löste es sich jetzt von dieser und zog nur noch langsam weiter ostwärts. Dafür entwickelte sich am 03.11.2010 über der Nordsee ein zweites Zentrum aus dem Tiefdruckkomplex heraus. Dieses zog mit der Höhenströmung nordostwärts nach Finnland. Die ausgeprägten Frontensysteme dieses am 05.11.2010 auf YENTL II getaufte Tiefzentrum reichten am 04.11.2010 vom Baltikum über Deutschland bis zum Atlantik und sorgten so vor allem von Flensburg bis Thüringen für intensive Niederschläge. Bei 14°C fielen in Berlin 9 mm, im Harz sogar bis zu 18 mm. Unter der dichten Bewölkung ließ sich gleichzeitig nur wenige Minuten die Sonne blicken, während am Alpendrand bis zu 6 Sonnenstunden registriert wurden. Schon am nächsten Tag befand sich das nächste Tiefdruckgebiet über Mitteleuropa. ZELDA hatte damit YENTL endgültig nach Nordeuropa verdrängt, dessen Einflussbereich sich von nun an auf das Gebiet zwischen Skandinavien und dem Ural beschränkte. Dabei zeigte YENTL II mit Zentrum östlich vom Weißen Meer deutlich mehr Wetteraktivität wie Regen und Schnee. Gleichzeitig steuerte es mit einer Nordströmung kalte arktische Luftmassen von der Barentssee nach Finnland, wo in der Nacht zum 07.11.2010 strenger Frost mit Tiefsttemperaturen von -12°C (Rovaniemi, Nordfinnland) gemessen wurden.

YENTL I sorgte zur gleichen Zeit mit Zentrum über den Lofoten ab und zu für Regen- oder Graupelschauer an der norwegischen Atlantikküste. Die Temperaturen hielten sich hier noch über dem Gefrierpunkt mit Werten um 5°C. Bis zum 09.11.2010 schwächte sich YENTL zusehends ab. YENTL II löste sich dabei sogar ganz auf, so dass nur noch ein Tiefzentrum über der Barentssee für gelegentliche Schneeschauer am Nordkap sorgte. YENTLS Kern füllte sich dabei immer weiter auf, so dass das Tiefdruckgebiet am 10.11.2010 mit einem Kerndruck von 1005 hPa das letzte Mal auf der Wetterkarte zu sehen war, bevor es sich vollständig auflöste und nicht mehr als eigenständiges Tiefdruckgebiet identifizierbar war.


 

Lebensgeschichte geschrieben am 22.12.2010 von Thomas Schubert

Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 03.11.2010

Pate: Thermische Solaranlagen