Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
YIGIT
(getauft
am 13.07.2017)
Am 12.07.2017 befand sich südöstlich
von Grönland über der Dänemarkstraße, welche das Seegebiet zwischen Grönland
und Island darstellt, ein Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von etwa 1000 hPa
und einem nach Süden führenden, weitreichenden Frontensystem. Das Tief, welches
sich in den Tagen zuvor vom Osten Kanadas aus über den nördlichen Atlantik
verlagert hatte, zog im weiteren Verlauf in Richtung Island und wurde aufgrund
seines prognostizierten Einflusses auf das mitteleuropäische Wettergeschehen am
13.07. auf den Namen YIGIT getauft.
Um 01 Uhr MEZ des Tauftages wurde das
Zentrum der Zyklone YIGIT mit weiterhin rund 1000 hPa über der Westküste
Islands analysiert. Vom Kern verlief jeweils eine Okklusion, also eine
Mischfront aus Warm- und Kaltfront, nach Südwesten und nach Südosten. Letztere
teilte sich am sogenannten Okklusionspunkt, d.h. dem Ort, an welchem die Warm-
von der Kaltfront eingeholt wird und die Okklusion entsteht, westlich von Irland
auf Breite von Kopenhagen in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die Warmfront
erstreckte sich nach Südosten bis zur Biskaya, wo sie in die Kaltfront des
Wirbels XAVIER mit Zentrum über Nordpolen überging. Die Kaltfront führte
hingegen nach Südwesten und endete nach ca. 1000 km über dem Atlantik.
Im Laufe des Tages okkludierte das
Frontensystem weiter und überquerte dabei die Britischen Inseln. Da der
Temperaturunterschied beidseitig der Front nur schwach war, fielen auch die
auftretenden Niederschläge relativ gering aus. Innerhalb von 12 Stunden bis 19
Uhr MEZ wurden somit 4 l/m² am Flughafen von Belfast sowie je 5 l/m² im
nordirischen Portglenone und auf dem Flugplatz West Freugh an der Südwestküste Schottlands gemessen. Bis zum
selben Zeitpunkt konnten derweil in Zentrumsnähe an der isländischen Station Grimsstadir in 9 Stunden 7 l/m² verzeichnet werden.
Am Folgetag lag das Tief YIGIT mit
seinem Zentrum und einem leicht abgeschwächten Druck von rund 1005 hPa um 01
Uhr MEZ über der Südostküste Islands. Die Okklusion verlief dabei bogenförmig
nach Südosten über die Shetland- und Färöer-Inseln bis nach Nordengland, wo sie
den Charakter einer Kaltfront annahm und über Cornwall bis zur westlichen
Biskaya reichte. Bis zum Morgen kamen beim Durchgang der Luftmassengrenze
erneut 12-stündig in Eskdalemuir 5 l/m² und in Keswick bzw. am Saint Bees Head jeweils 6 l/m² zusammen.
Bis zu den Mittagsstunden löste sich
das Zentrum bei Island aufgrund der schwachen Luftdruckgegensätze und durch das
nähern eines neuen Wirbels von Westen her auf. In der großräumigen Zirkulation
nahm das heranziehende Tief dessen Position ein und wurde daher folgend
weiterhin mit dem Namen YIGIT belegt. Das ursprüngliche Frontensystem blieb
indes jedoch bestehen und verlagerte sich nach Südosten, wobei es bis zum Abend
die Benelux-Staaten, die West- und Südhälfte Deutschlands sowie die Schweiz und
Teile Österreichs überquerte. Die dabei auftretenden Niederschläge zeigten sich
recht ergiebig und mitunter schauerartig verstärkt. Bis 19 Uhr MEZ registrierte
man dadurch 18 l/m² in De Bilt bei Utrecht, 22 l/m²
im westösterreichischen Warth, 24 l/m² auf Norderney und
32 l/m² im schweizerischen Oberriet an der Grenze zu Österreich. Auch das nun
mit YIGIT benannte Tief südöstlich von Grönland besaß ein ausgeprägtes und
weitreichendes Frontensystem, welches bis zu diesem Zeitpunkt bereits für 9
l/m² in Portglenone und 10 l/m² an dem nordirischen
See Lough Fea sorgte.
Am 15.07. befand sich das Tief YIGIT
somit über der Dänemarkstraße und wies einen Kerndruck von ca. 990 hPa auf.
Eine Okklusion führte über Island nach Südosten und fand nördlich von Island seinen
Okklusionspunkt. Von dort erstreckte sich die Warmfront über Irland bis
westlich der Biskaya. Die Kaltfront folgte der Warmfront und reichte bis weit
über den Nordatlantik. Während in Kernnähe bis zum 10 Uhr MEZ-Termin in Island
15-stündige Niederschlagswerte von 6 l/m² in Bergstadir
und 7 l/m² in Akurnes zusammenkamen, griffen die
Ausläufer des Wirbels YIGIT erneut auf die Britischen Inseln über. Dabei
konnten bis 07 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden 6 l/m² in Belfast und 7 l/m² am
Saint Bees Head gemessen werden, wobei es im Süden
Englands noch gänzlich trocken blieb. Dies änderte sich im Tagesverlauf mit der
ostwärtigen Verlagerung des Frontensystems, wobei
sich die Niederschläge lediglich im Bereich des Okklusionspunktes im Norden
Schottlands intensivieren konnten. Daraus folgten 8 l/m² in Stornoway, je 9
l/m² am Loch Glascarnoch sowie in Altnaharra
und 13 l/m² in Aultbea. Auch in Island hielten die
Niederschläge an und sorgten in 9 Stunden nochmals für 9 l/m² in
Skjaldthingsstadir im Nordosten des Inselstaates.
Bis zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ am
16.07. zog das Tiefdruckzentrum bis über das Seegebiet zwischen Island und Jan
Mayen. Der Kerndruck blieb stabil bei knapp unter 990 hPa. Zu diesem Zeitpunkt
reichte eine Okklusion nördlich von Island nach Südosten bis zu ihrem
Okklusionspunkt über dem Südwesten Norwegens. Dort schlossen sich eine nach
Süden bis nach Nordfrankreich führende Warmfront und eine nach Südwesten über
Nordengland, Wales und dem Süden Irlands verlaufende Kaltfront an, die über dem
zentralen Nordatlantik den Anschluss an eine Warmfront eines unbenannten Tiefs
überging, welches später den Namen ZLATAN erhalten sollte. Dabei konzentrierten
sich die Niederschläge vor allem auf den Süden Skandinaviens. Besonders in
Norwegen sorgten Staueffekte an den Skanden sowie der sich dort befindliche Okklusionspunkt
für eine zusätzliche Intensivierung der Hebungsvorgänge und der daraus
resultierenden Niederschläge. Bis 07 Uhr MEZ konnten dadurch in 12 Stunden 23
l/m² in Tryvasshogda, 22 l/m² in Liarvatn
und 28 l/m² in Obrestad verzeichnet werden. Im
Tagesverlauf bildete sich über Mittelskandinavien auch ein weiteres
Tiefdruckzentrum aus, welches folgend als YIGIT II bezeichnet wurde. Die Folge
aus der Tiefentwicklung und des nach Osten ziehenden Frontensystems waren
12-stündige Niederschlagsmengen von erneut bis zu 20 l/m². So konnten in
Göteborg 12 l/m², in Hakadal 17 l/m² und in
Oslo-Blindern 20 l/m² registriert werden.
Im Bereich des südlichen Teils des
Frontensystems fielen die Regensummen weniger Intensiv aus, wobei nur
vereinzelt Mengen von über 5 l/m² gemeldet wurden, wie beispielsweise am
englischen Flugplatz Andrewsfield mit 7 l/m² oder in
Berlin-Dahlem und Baruth, wo 6 bzw. 9 l/m² gemessen
wurden.
In der Nacht zum Folgetag bestand das
Tiefdrucksystem YIGIT weiterhin aus zwei Kernen. Das Tief YIGIT I mit rund 990
hPa befand sich über Jan Mayen, blieb dort jedoch wetterunwirksam und löste
sich im Tagesverlauf vollständig auf. Zum Nachttermin führte noch eine
Okklusion nach Nordosten bis zum Süden Spitzbergens, wies anschließend nach
Süden und ging über dem Norden Skandinaviens in die Okklusion des Wirbels YIGIT
II über. Dieser wurde über der Ostküste Schwedens bei Sundsvall
mit einem Kerndruck von ca. 1004 hPa analysiert. Von dort verlief eine weitere
Okklusion nach Süden, die sich bei Danzig in eine Warm- und eine Kaltfront
aufspaltete. Die Warmfront erstreckte sich über Westpolen und Brandenburg bis
zum Saarland, während sich die Kaltfront über Niedersachsen, die Niederlande
und den Süden Englands zog.
Auf der Rückseite des Frontensystems
kam es im Südwesten Norwegens erneut zu kräftigen Niederschlägen. Bis 01 Uhr
MEZ wurden dabei beispielsweise an der Station Bergen/Florida in 6 Stunden 33
l/m² registriert, davon allein 15 l/m² innerhalb von einer Stunde. Zum 07 Uhr
MEZ-Termin wurden anschließend außerdem 12-stündige Mengen von 22 l/m² in
Modalen, 23 l/m² in Fossmark oder 26 l/m² in Forde-Tefre gemeldet. Entlang der Fronten traten die
Niederschläge schwächer auf und konzentrierten sich vor allem auf das Baltikum,
Polen sowie von dort in einem Streifen über Brandenburg und Sachsen,
Nordrhein-Westfalen bis zu den Niederlanden. Dabei wurden im lettischen Liepaja sowie im polnischen Darlowek
jeweils 8 l/m², in Potsdam 7 l/m², in Bad Lippspringe 6 l/m² und in Eindhoven 5
l/m² gemessen.
Das Tief YIGIT II und sein
Frontensystem verlagerte sich bis zum Abend weiter gen Osten, wobei der Wirbel
ein unbenanntes Tief mitsamt Frontensystem über dem Nordwesten Russlands in
seine Zirkulation aufnahm. Dadurch konzentrierten sich die Niederschläge nun
auf den Norden Skandinaviens, Finnland, den Nordwesten Russlands sowie entlang
der weitreichenden Luftmassengrenze, welche bis nach Mittel- und Westeuropa
reichte. Die höchsten Niederschlagsmengen an dieser Luftmassengrenze konnten
dabei in Plauen und im lettischen Aluksne mit je 9
l/m² verzeichnet werden. In Kernnähe des Tiefs YIGIT II wurden indes im Norden
Schwedens und in Finnland 24 l/m² in Vidsel und 26
l/m² in Kilpsjärvi gemessen. Bereits bis 16 Uhr MEZ
beliefen sich die 12-stündigen Niederschläge im Nordwesten Russlands auf 20
l/m² in Kalewala, 22 l/m² in Repola und 25 l/m² in Karpogory.
Um 01 Uhr MEZ wurde das Tief YIGIT
mit nur noch einem Kern über dem Süden Lapplands und einem Druck von knapp
unter 1000 hPa analysiert. Aufgrund der Übernahme des unbenannten Wirbels am
Vortag besaß die Zyklone YIGIT am 18.07. ein umfangreiches Frontensystem.
Einerseits verlief eine Okklusion in einem Bogen nach Osten, wo sich
nordöstlich des Weißen Meeres der Okklusionspunkt befand. Von dort reichte eine
Warmfront nach Osten bis zum Nordural, während eine Kaltfront nach Süden bis
zum Schwarzen Meer führte. Des Weiteren erstreckte sich vom Kern des Tiefs
YIGIT eine Okklusion bogenförmig nach Süden, nahm östlich von Sankt Petersburg
zunächst Kalt- und ab den Westkarpaten Warmfrontcharakter an und endete nach
Verlauf über Bayern, Paris und die Bretagne über dem Nordatlantik.
Während entlang der weitreichenden
Luftmassengrenze über Ost-, Zentral- und Westeuropa nur noch vereinzelt geringe
Niederschlagsmengen auftraten, intensivierten sich die nun schauerartig
verstärkten Niederschläge in Kernnähe über dem Norden Skandinaviens und
Finnlands nochmals. Innerhalb von 12 Stunden kamen dabei 31 l/m² im
norwegischen Kautokeino, 37 l/m² im schwedischen Kallax bei Lulea und 43 l/m² an
der finnischen Station Kevo zusammen. In Russland
bildeten sich hingegen Schauer und Gewitter, welche mitunter recht kräftig
ausfielen. Die höchsten Niederschlagssummen betrugen hierbei 40 l/m² in Kirow
und 46 l/m² in Vendinga.
Das Tief YIGIT verblieb bis zum
Folgetag in seiner Lage nahezu stationär über dem Norden Finnlands. Der
Kerndruck sank etwas auf 1005 hPa. Die Niederschläge in der Nähe des
Tiefdruckzentrums schwächten sich nun deutlich ab. Lediglich bis zum Morgen
konnten noch verbreitet zweistellige Mengen verzeichnet werden, wobei die
finnische Station in Vuotso mit 27 l/m² das Maximum
darstellte. Meist wurden noch zwischen 5 und 16 l/m² registriert. Die Schauer-
und Gewittertätigkeit an den Fronten, welche sich weiterhin über Russland
zogen, hielt hingegen weiter an und sorgte nochmals für 12-stündige
Niederschlagssummen von 18 l/m² in Samara und 20 l/m² in Sterlitamak.
Bis zum 20.07. verlagerte sich das
Tief YIGIT mit einem sich weiter auf 1010 hPa abschwächenden Kerndruck über die
Südküste des Weißen Meeres. Um 01 Uhr MEZ verlief eine Okklusion zunächst
bogenförmig nach Osten, nahm dann Kaltfrontcharakter an und reichte nach Süden
weisend bis nach Woronesch. Entlang der Front wurden erneut Schauer und
Gewitter beobachtet, die in Kirow nochmals zu 23 l/m² in 12 Stunden führten.
Deutlich kräftiger fielen die Schauer jedoch in der Nähe des Tiefdruckkerns aus,
wobei an der Station Zimnegorsky Mayak
extreme 57 l/m² registriert wurden.
Der Wirbel YIGIT schwächte sich in
der Folge weiter ab und löste sich schließlich im Bereich schwacher
Luftdruckgegensätze über dem Nordwesten Russlands vollständig auf, wodurch das
Tief am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert oder
namentlich verzeichnet werden konnte.
Geschrieben
am 05.10.2017 von Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 17.07.2017
Pate:
Tobias Leithold