Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YLLKA

 (getauft am 16.12.2016)

 

Am 13. Dezember verlagerte sich ein bis dato noch unbenanntes Tiefdruckgebiet in den westlichen Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Lokalisiert über der Halbinsel Nova Scotia besaß der Wirbel um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, einen Kerndruck von 1005 hPa. In den Folgetagen zog das Tief unter Verstärkung mit der westlichen Höhenströmung in Richtung Osten über den Nordatlantischen Ozean. Dabei schritt die Zyklogenese, also die Entwicklung bzw. Verstärkung der Zyklone, fortwährend voran. Die Kaltfront holte die Warmfront während der Fortbewegung über den Nordatlantik zunehmend ein, so dass am 15. Dezember die Zyklone schon fortgeschritten okkludiert war und nur noch einen kleinen Warmsektor, der den Bereich zwischen Kalt- und Warmfront darstellt, aufwies. Eine Okklusion wird auch als Mischfront bezeichnet, wobei die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront eingeholt und die warme Luft vom Boden angehoben hat. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfront in sich vereint. Die okkludierte Front zog sich in einer Spirale um den Tiefdruckkern herum, der sich um 00 Uhr UTC etwa 1300 km westlich von Irland befand. Der Kern besaß den bis dato niedrigsten Luftdruck von etwa 965 hPa. In den folgenden 24 Stunden okkludierte die Zyklone vollständig und schwächte sich folglich etwas ab, so dass der Kerndruck nur noch ca. 975 hPa betrug. Der Tiefdruckkern zog im Tagesverlauf korrespondierend zur Höhenströmung Richtung Norden und positionierte sich zum 00 Uhr UTC Termin wenige Kilometer vor Islands Westküste. Zu diesem Zeitpunkt führte die Okklusionsfront kreisrund nördlich um den Tiefdruckkern und erstreckte sich bis zur Südküste Irlands, wo sie in ein anderes Tief überlief. Da die Ausläufer der Zyklone bereits Teile Nordeuropas streiften, wurde sie am selbigen Tag in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf dem Namen YLLKA getauft.

Das Tief YLLKA beeinflusste bis dahin den Wettercharakter Islands, Irlands und Großbritanniens. Island wurde vollständig von dessen Okklusionsfront überquert. Diese brachte innerhalb von 24 Stunden bis zum 06 Uhr
UTC-Termin des Tauftages Regenmengen von gebietsweise über 50 mm. So meldete Hveravellir, ein Zentralvulkan unter dem Gletscher Langjökull im Westen Islands, die größte gemessene Niederschlagsmenge von bis zu 58 mm. Aber auch östliche Küstenstationen verzeichneten noch 33 bis 48 mm. Bei Tageshöchstwerten zwischen 6 und 9 °C fiel der Niederschlag in flüssiger Form. Auch in der Nacht sanken die Temperaturen nicht unter 1°C. Die Okklusionsfront war bis zu diesem Zeitpunkt etwa bis zur Osthälfte Irlands vorangeschritten und brachte bis dahin 12-stündige Regenmengen in der Westhälfte Irlands von bis zu 10 mm im Inland und bis zu 24 mm an der Südküste in Cork, der zweitgrößten Stadt nach Dublin. An der Westküste Großbritanniens kamen vereinzelt Niederschlagsmengen von 3 bis 5 mm zusammen.

Schon am Vortag bildete sich Tief YLLKA zu einem Sturmtief aus, welches definitionsgemäß einen sehr tiefen Druck im Inneren aufweisen und Windböen von mindestens der Stärke 9 auf der Beaufort-Skala vorbringen muss. Dies entspricht mindestens 75 km/h. Der Kerndruck kann dabei bis unter 975 hPa sinken. Diese stürmischen Böen treten aufgrund eines hohen Temperaturgefälles auf, wenn kalte Höhenluft auf wärmere Luft am Boden trifft. Die nach oben und unten gerichteten Winde bauen die Anomalie wieder ab und sorgen für ein Angleichen der Temperaturen in den einzelnen Schichten. Auf der Bodenwetterkarte sieht man, dass die Isobaren, die Linien gleichen Luftdruckes, eng aneinander liegen und somit ein starkes Druckgefälle rund um dieses Sturmtief herrschte. Am Tauftag hatte sich dieses Druckgefälle bereits abgeschwächt, dennoch sorgte es auf Island für Windstärken von bis zu 100 km/h. Am selben Tag um 00 Uhr UTC wurden an der Ostküste sogar Orkanböen bis Stärke 12 auf der Beaufort-Skala gemessen, was über 118 km/h entspricht. Die stärksten Winde meldete die auf 640 m gelegene Station Hallsteinsdalsvarp mit 130 km/h. Im Verlauf zog der Kern unter Abschwächung weiter nach Norden und sorgte somit zum Abend für nachlassende Windgeschwindigkeiten.

Bis 00 Uhr UTC des 17. Dezembers zog das Tief YLLKA mit einem Kerndruck von ca. 990 hPa nördlich der Insel Jan Mayen bis zur Grönlandsee. Die nur noch kurze Okklusionsfront verlief ostwärts bis zum Nordmeer und teilte sich im Okklusionspunkt in eine über Finnland verlaufende Warmfront und eine sich bis zum Nordwesten Spaniens erstreckende Kaltfront auf. Bis 18 Uhr UTC fielen auf der Insel Jan Mayen, die heute nur noch von
18 Wetterforschern besiedelt ist, eine Regenmenge von 2 mm. Mit Überquerung der Kaltfront kam es zu einem Temperaturabfall von 4 Grad, so dass am 17. Dezember auf der Insel nur noch 1°C als Tageshöchsttemperatur gemessen werden konnte. Im Warmluftsektor zwischen der Kaltfront und der Warmfront konnte man durch Zufuhr maritimer Luft der mittleren Breiten etwas höhere Maximalwerte im Küstenbereich registrieren, wie z.B. 6°C in Hammerfest. Die Kaltfront holte die Warmfront im Tagesverlauf rasch ein. Die entstandene Okklusion hielt sich nahezu stationär über Norwegens Nordseeküste, bis sie sich am Abend auflöste. Daher konnten dort die höchsten 12-stündigen Niederschlagsmengen um 18 Uhr UTC vermerkt werden, wie z.B. 19 mm in
in Bergen.

Am Morgen des Folgetages hatte die Okklusionsfront bereits Spitzbergen überquert und brachte dort bis 06 Uhr UTC 24-stündigen Niederschlag von 9 mm in Hornsund und 12 mm in Barencburg. Bei Tiefsttemperaturen von
-2 bis -6°C ging der Regen nachts in Schnee über, so dass die Schneehöhe in Hornsund in der vergangenen Nacht von 3 auf 5 cm angestiegen ist. Nachfolgend griffen bereits neue Tiefausläufer nordatlantischen Ursprungs auf die Küstengebiete Norwegens über und brachten erneut zweistellige Niederschlagssummen. Tief YLLKA schwächte sich währenddessen weiter ab und wies bis 06 Uhr UTC einen Kerndruck von 993 hPa auf. Der Kern lag zu diesem Zeitpunkt über der Nordküste Spitzbergens. Vom Kern abgehend verlief eine Okklusionsfront südwärts über Finnland, die Ostsee bis nach Südschweden, wo vom Okklusionspunkt aus eine kurze bis Amsterdam reichende Warmfront und eine bis zur Nordsee reichende Kaltfront verliefen. Diese Kaltfront gelang im Tagesverlauf bis in den Norden Deutschlands und spielte eine besondere Rolle für die dortige Wetterlage. Sie beendete vorübergehend die seit mehreren Tagen vorherrschende Inversionslage, eine Wetterlage, bei der die oberen Luftschichten wärmer als die unteren sind. Dabei brachte sie im Flachland als so genannte maskierte Front einen Temperaturanstieg, in Hochlagen des Harzes dagegen einen Temperaturrückgang. Das Phänomen tritt vor allem im Winterhalbjahr auf, wenn sich unter andauerndem Hochdruckeinfluss, in dem Fall durch Hoch WOLFGANG, durch nächtliche Ausstrahlung bodennah eine flache Schicht mit kalter Luft ausgebildet hat. Ist diese Kaltluft dann kälter als die von der maskierten Kaltfront herangeführte Luftmasse, wird sie erwärmt. Somit täuscht die Kaltfront für den Beobachter eine Warmfront vor, weshalb man ihr die Eigenschaft maskiert andichtet. So lagen die Höchsttemperaturen in der Inversionswetterlage am 17. Dezember in der Nordhälfte Deutschlands im Flachland bei -1 bis 0°C in Berlin und Brandenburg und bis zu 5°C in Schleswig-Holstein. Nach dem Kaltfrontdurchgang von Tief YLLKA stiegen die Temperaturen am Folgetag auf maximal 6°C in Berlin und 9°C in Itzehoe an. Auf dem Brocken machte sich der gegenteilige Effekt bemerkbar. Die Höchsttemperatur von 4° C am 17. Dezember fiel nach der Kaltfront auf -1°C herab.

Im Tagesverlauf zog der Kern von Tief YLLKA weiter nach Norden und somit aus dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Für die nordöstliche Zugbahn war die Großwetterlage in Mitteleuropa verantwortlich, die von Hoch WOLFGANG und nachfolgend von Hoch XANDER bestimmt wurde. Die vom Atlantik kommenden Tiefdruckgebiete wurden dementsprechend weitgehend von den Hochs blockiert, so dass sie gezwungen wurden Kurs auf Nordeuropa zu nehmen. Somit konnte Tief YLLKA das letzte Mal am 18. Dezember als bereits abgeschwächtes, sich zunehmend auflösendes, aber dennoch eigenständiges Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 

 

Geschrieben am 28.02.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 16.12.2016

Pate: Ilka Krauß