Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet YOUNGME
(getauft am 25.09.2020)
Nachdem
der September 2020 über weiten Teilen Westeuropas lange Zeit von den
Hochdruckgebieten JURIJ, KEVIN, LEIKI und MANFRED geprägt war und daher sehr
sonnig und niederschlagsarm ausfiel, stellte sich ab dem 23.09. die Wetterlage
um, und durch das Heranströmen höhenkalter Luft aus Nordwesten kam es quasi zu
einer Ansammlung von Tiefdruckgebieten über dem Kontinent. Zu Beginn des 25.09.
lag der Kern des Tiefs VALENTINA über der norwegischen Küste, der des Tiefs
WICCA über dem Ärmelkanal und analog Tief XYLA über dem Golf von Genua. Dieses
Meeresgebiet ist unter deutschsprachigen Meteorologen als Ursprung besonders
regenreicher Zyklonen, den sogenannten Genua- oder Vb-Tiefs,
bekannt, die nach dem Textbuch über die Alpen Richtung Ostsee ziehen.
Tief
XYLA folgte aufgrund der atmosphärischen Situation zum beschriebenen Zeitpunkt am
25.09. einem anderen Pfad und lag nach der Berliner Wetterkarte von 00 UTC am
26.09. (02 Uhr MESZ) über dem nördlichen Serbien. Zusammen mit dem Tief WICCA
über Belgien bildete es einen gegen den Uhrzeigersinn rotierenden
Tiefdruckkomplex. Infolge dieser Rotation bewegte sich der Kern von Tief XYLA
entlang seiner Warmfront an diesem Tag also nordwärts über Polen und später
nordwestlich nach Hamburg. Jedoch kam es auch im Bereich der vormaligen
Okklusionsfront von Tief XYLA weiter zu Konvergenz im bodennahen Bereich. Dies
bedingte großräumiges Aufsteigen von Luft und ein neues Tiefdruckgebiet
entstand im Tagesverlauf. Dieser Prozess war in der Prognose des 25.09. bereits
absehbar, und das Tief war schon in dieser von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte (BWK) auf den Namen YOUNGME getauft worden.
Nachmittags
war das Tief noch im Entwicklungsstadium, sorgte aber bereits für örtlich
starken Regen mit Gewittern auf der Balkanhalbinsel mit Schwerpunkt über
Transsylvanien (Curtea de Argeș 32 mm in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ).
In der Nacht auf den 27.09. verlagerte sich der
Kern des Tiefs YOUNGME über die westliche Ukraine, und mit dem Kern auch die
stärksten Niederschläge. In der Großstadt Iwano-Frankiwsk in den ukrainischen
Karpaten fiel in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ eine Regensumme von 42 mm. In der
Stadt Darabani, einer der nördlichsten Gemeinden
Rumäniens, waren es sogar 45 mm im selben Zeitraum. Tagsüber bewegten sich die
stärksten Niederschläge zusammen mit dem Tiefdruckkern entlang der durch
selbigen laufenden Front Richtung Nordsee und lagen um 14 Uhr MESZ über Pommerellen. In einem Streifen von Stettin über Warschau
bis Lublin fielen zwischen 8 und 20 Uhr MESZ über 10 mm Regen. Auch in
Mecklenburg-Vorpommern und Nordbrandenburg fielen zwischen 5 und 10 mm –
durchschnittliche Niederschlagswerte für ein Tiefdruckgebiet. Bemerkenswert war
das Tief YOUNGME jedoch in Anbetracht der Temperaturverteilung. Während über
Mitteleuropa maritime Polarluft lag, in der 12-stündig bis 20 Uhr MESZ
Maximaltemperaturen wie zum Beispiel 11,1°C in Warschau, 10,4 °C in
Wittstock/Dosse oder 14,1°C in Prag erreicht wurden, wurde östlich des Tiefs
Warmluft vom Schwarzen Meer aus nach Norden geführt, mit maximal 21,9°C in
Tampere, 23,7°C in Riga oder 22,5°C in Kętrzyn, nur 200 km
Luftlinie von Warschau.
Während Tief YOUNGME um 02 Uhr MESZ am 27.09.
noch einen Luftdruck von rund 1000 hPa aufgewiesen hat, lag dieser Wert 24
Stunden später schon etwa 10 hPa höher. Das Wettersystem hatte sich
zwischenzeitlich über Schleswig-Holstein verlagert und war in er Nacht für
leichten Regen in der Norddeutschen Tiefebene verantwortlich. Diese temporäre
Abschwächung bedeutete jedoch noch nicht das Ende des Tiefdruckgebiets YOUNGME
auf unseren Wetterkarten. Es hatte das weiter bestehende Höhentief, also ein
Tiefdruckgebiet, welches nur in höheren Lagen zu finden ist, über Zentraleuropa
nun soweit umrundet, dass es mit von Westen zuströmender atlantischer
Meeresluft zusammentraf. Deswegen setzte am 28.09. über den Benelux-Ländern
erneut Konvektion ein, die am Königlichen Meteorologischen Observatorium
Belgiens in Uccle/Ukkel bei
Brüssel in 19 mm Regen in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ resultierte. Auch in der
Osthälfte Frankreichs kam es zu zeitweilig und lokal stärkerem Regen, der nach
der Auflösung des Tiefs XYLA nun Tief YOUNGME zuzuschreiben war. Dieses
Niederschlagsgebiet verlagerte sich ostwärts und traf in der Nacht auf den
Schwarzwald und das Jura, wo es in den meteorologisch üblichen 12 Messstunden
bis 08 Uhr MESZ verbreitet zu zweistelligen Niederschlagswerten kam, mit einer
Höchstmarke von rund 35 mm an der Wetterstation Malsberg-Marzell
im Landkreis Lörrach.
Das Höhentief, das bislang ursächlich für die
Bewegung des Tiefs YOUNGME gewesen war, verlagerte sich nun weiter nach Osten,
nahm dieses aufgrund des geänderten Strömungsmusters in Bodennähe jedoch nicht
mit. Auf der Bodenwetterkarte von 02 Uhr MESZ des 29.09. lag Tief YOUNGME
folglich nochmals über der Nordsee. Im Tagesverlauf bewegte es sich nordwärts
und beeinflusste zusätzlich die ohnehin meist regenreiche Westküste Norwegens
mit zweistelligen Regensummen. Verbleibender Regen über dem Westen Deutschlands
war nicht besonders stark aber persistent, mit 12-stündig 9 mm im rheinischen
Dormagen. Über der Mitte Deutschlands entwickelte sich derweil das schwache
Hochdruckgebiet NEPOMUK, weshalb die Regenneigung langsam abnahm. Auch das
Temperaturniveau hatte sich mittlerweile dem Durchschnitt angenähert. Im
Verlauf des 30.09. löste sich das Tiefdruckgebiet YOUNGME schlussendlich auf.
Insgesamt war YOUNGME ein unkonventionell
ziehendes Tiefdruckgebiet, das nach einem vielerorts zu trockenen Monat Ende
September 2020 mithalf, das Regendefizit auszugleichen.