Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet YULIA
(getauft
am 22.02.2020)
Im
Grenzbereich zwischen warmer Subtropikluft und subpolarer Kaltluft entwickelte
sich westlich von Irland entlang der sich wellenförmig deformierenden Front des
Nordmeerwirbles XANTHIPPE ein neues Tiefdruckgebiet.
Dieses wurde am 22.02.2020 anhand der Prognosekarte für 12 Uhr UTC des darauf folgenden Tages auf den Namen YULIA getauft.
Dieses
sich rasch verstärkende Tief befand sich gegen 0 Uhr UTC des 23.02. mit einem
Kerndruck von unter 1010 hPa westlich von Galway. Von seinem Zentrum erstreckte
sich zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Warmfront über Aberystwyth (Wales) und
London bis nach Köln, wo sie sich mit dem Frontensystem des sich nach
Skandinavien verlagernden Tiefdruckkomplexes XANTHIPPE verband, entlang dessen
sich das Tief ursprünglich hat entwickeln können. Des Weiteren zog sich von
seinem Kern eine Kaltfront in westlicher Richtung über den Atlantik, über dem
sie in die Warmfront des Atlantiktiefs ZEHERA überging. Durch Aufgleitvoränge entlang der Fronten, besonders aber im
Kernbereich des Wirbels YULIA, hatte sich ein markantes Niederschlagsfeld
ausbilden können, welches bereits in der Nacht zum 23.04. Irland erreichte.
Dieses brachte in den 12 Stunden bis 6 Uhr UTC des folgenden Morgens am
Flughafen von Dublin als auch in Claremorris je 9,0
mm und am Mace Head 10 mm mit sich. Unterhalb der starken westlichen Strömung des Jetstreams wurde das Tief YULIA im Tagesverlauf des
23.02. nach Osten geführt, wodurch sich auch dessen Niederschlagsfeld rasch
über Großbritannien und den südlichen Nordseeraum hinweg nach Deutschland
verlagerte. Dabei fielen innerhalb 24 Stunden auf der Isle of
Man 10,4 mm und in Capel Curig (Wales) bis zu 23,2
mm, aus den Beneluxstaaten wurden vielerorts ebenfalls Regenmengen um 10 mm,
lokal auch über 20 mm gemeldet. Über Deutschland fielen die anhaltenden und
teils schauerartig verstärkten Niederschläge am ergiebigsten entlang eines
Streifens von Niedersachsen und Nordrheinwestfalen bis nach Sachsen und
Brandenburg aus. In Berlin wurden 17,2 mm, bei Görlitz 19,4 mm und in
Lüdenscheid 25,4 mm gemessen. Aus Braunlage wurden gar bis zu 52,7 mm gemeldet.
Entlang der Südflanke des Wirbels hatte sich ein markantes Sturmfeld
ausgebildet. In diesem traten verbreitet Böen der Stärken 7 bis 9 auf, an der
Nordseeküste wurden teils auch schwere Sturm- oder Orkanartige Böen beobachtet.
Beispielsweise registrierten die Anemometer bei Rotterdam Windspitzen von 100,9
km/h und damit Windstärke 10 und am Leuchtturm Alte Weser mit 108,1 km/h Stärke
11 auf der Beaufortskala. An besonders exponierten Lagen, wie auf dem Brocken,
erreichte der Wind in Böen auch Orkanstärke. Hier wurden bis in den frühen
Nachmittagsstunden 158,6 km/h und an der Messstation auf der Schneekoppe, der
höchsten Erhebung im Riesengebirge, gar bis zu 223,3 Stundenkilometern
registriert. Markant war die scharfe Grenze zwischen Sturmfeld und fast
windstillen Verhältnissen. Wurde gegen 13 Uhr UTC in Meppen Böen bis 83 km/h
gemessen, meldete die Messtation im 30 km nördlich gelegenen Dörpen gerade
einmal 11 km/h. Das Temperaturniveau gestaltete sich im Bereich der
Luftmassengrenze, die an jenem Tag quer über Norddeutschland lag und sich in
etwa vom Emsland bis nach Südbrandenburg erstreckte, ähnlich unterschiedlich.
Während nördlich der Luftmassengrenze maritime Polarluft vorherrschte, in der
der Tageshöchstwert nicht über 8°C zu steigen vermochte, gelangte südlich davon
subtropische Luftmassen bis in die Mitte des Landes und teils darüber hinaus.
In dieser wurden zumeist Tageshöchstwerte zwischen 12°C und 15°C erreicht. Die
Temperaturgegensätze zeigten sich auch am Beispiel von Brandenburg. Wurde an
der Station Berlin-Dahlem eine Höchsttemperatur von 7,9°C gemessen stieg
dagegen das Quecksilber im 45 km südlich gelegenem Baruth bereits auf 11,7°C.
Noch wärmer wurde es im Süden von Bayern und Baden-Württemberg: Freiburg im
Breisgau meldete ein Tagesmaximum von 15,8°C, München von 16,0°C und
Garmisch-Partenkirchen mit Föhnunterstützung 18,9°C. Bereits in den Abend- und
Nachtstunden verlagerte sich der Regenreiche Sturmwirbel YULIA zunehmend von
Mitteleuropa nach Osten. Für Irland und die britischen Inseln wurde bereits
kurz nach Abzug der aus Westen aufziehende Wirbel ZEHRA wetterbestimmend,
sodass sich der unbeständige und regenreiche Wettercharakter fortsetzte.
Um
00 Uhr UTC des 24.02. war das Zentrum des Wirbels YULIA über Weißrussland
angelangt. Vom Kern, der mit einem Druck von unter 995 hPa nahe Brest lag,
gingen zu diesem Zeitpunkt mehrere Fronten aus:
Teile seiner ursprünglichen Warmfront waren von der ihr nacheilenden
Kaltfront in den vergangenen 24 Stunden eingeholt worden. Die daraus
resultierende Okklusionsfront erstreckte sich vom Kern in südöstlicher Richtung
bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Schytomyr, westlich von Kiew. Vom
Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen,
zog sich die Warmfront in südlicher Richtung weiter bis nach Bukarest, und die
ihr folgende Kaltfront in einem Bogen über Wien, Bern bis nach Paris, wo sie
sich mit der Kaltfront des westlich von Irland liegenden Tiefs ZEHRA verband.
Eine weitere Warmfront erstreckte sich vom Zentrum nach Osten, die im weiteren
Verlauf nahe Kiew in die Kaltfront des sich vom Nordmeer in die Barentssee
verlagernden Tiefdrucksystems XANTHIPPE überging. Zusätzlich reichte westlich
des Kerns ausgehend eine weitere, lediglich in der Höhe analysierbare
Okklusionsfront Richtung Prag. Sein Niederschlags- und Sturmfeld hatte sich mit
seinen höheren Intensitäten in der Nacht von Deutschland über Tschechien und
Südpolen nach Osten verlagert und die Ukraine erreicht. Die Niederschläge
gingen in jener Region im Norden vielerorts in teils schauerartigen Schneefall,
im Osten auch in Schneeregen beziehungsweise Schneeregenschauer über und konnten
lokal auch mit Hagel durchsetzt sein. Vierundzwanzig-stündig waren in Lubny so 11,0 mm, bei Charkiw 13,0 mm und in Sumy 17,3 mm gefallen, die in Sumy
zur Ausbildung einer 14 Zentimeter dicken Schneedecke führten. Die
Niederschläge wurden weiterhin von einem sehr lebhaften Wind begleitet. Dieser
erreichte mit Böen zwischen 65 und 75 Stundenkilometern verbreitet stärke 8,
entlang der Schwarzmeerküste, wie in Odessa (86,5 km/h), Stärke 9 bis 10 und an
besonders exponierten Lagen, wie auf dem Ai-Petri (Krim) mit 122,5 km/h, auch
weiterhin Orkanstärke. Wie zuvor über Deutschland waren auch in der Ukraine die
Temperaturgegensätze beim Frontendurchgang teils sehr markant ausgeprägt.
Konnte am Vortag trotz dichter Bewölkung und einsetzenden, leichten Schauern in
Chernivtsi noch ein Tageshöchstwert von 13,5°C
gemessen werden, wurde nach Durchgang der Kaltfront, die trotz eines leichten
Hagelschauers dort keinen nennenswerten Niederschlagsmengen brachte, lediglich
noch eine Höchsttemperatur von 5,7°C registriert. Die Niederschläge zogen im
Tagesverlauf nach Russland ab. Durch Feuchtigkeit des nahen Schwarzen Meeres
gespeist konnten diese nochmals leicht an Intensität gewinnen, wodurch im
Südwesten des Landes als auch entlang der östlichen Schwarzmeerküsten vielerorts
Niederschlagsmengen zwischen 10 und 25 mm binnen 24 Stunden gemessen wurden. So
meldete Morozovsk 10,0 mm, Gorodowikowsk
19,0 mm und Valujki 27,0 mm. Im georgischen Sugdidi fielen 26,0 mm, im türkischen Hopa
27,6 mm, und im russischen Küstenort Tuapse bis zu
30,0 mm. Über Deutschland hielt der regenreiche und teils windige
Wettercharakter im Einflussbereich der sich nur langsam nach Süden verlagernden
Kaltfront und im Vorfeld des sich allmählich annähernden Tiefs ZEHRA weiter an.
Nach einer nur kurzen ruhigen Phase setzte erneut anhaltender und teils
schauerartig verstärkter Regen ein, der in Bad Marienberg 13,4 mm, bei Itzehoe
18,7 mm und in Emden 22,7 mm mit sich führte. In Braunlage brachten die teils
in Schnee übergehenden Niederschläge noch bis zu 24,6 mm. Begleitet wurden die
Niederschläge von einem erneut auffrischendem Wind,
der in Böen verbreitet Stärken 7 bis 8 und an den Küsten bis Stärke 10
erreichte. Auf dem Brocken wurden bereits in der Nacht zum 25.02. erneut
Orkanböen bis 126,1 km/h registriert. Die zuvor vorherrschenden subtropischen
Luftmassen waren durch die von Norden einfließende maritime Polarluft weit nach
Süden abgedrängt worden. Temperaturen über 12°C wurden lediglich noch
Baden-Württemberg und durch Föneinfluss im Süden Bayerns gemessen: Stuttgart
meldete einen Tageshöchstwert von 14,8°C, Freiburg im Breisgau 15,4°C und
Oberstdorf 15,1°C. Während in den übrigen Landesteilen das Quecksilber auf
Werte um 10°C stieg, wurden am Bodensee, an der Station in Konstanz, noch bis
zu 17,5°C gemessen.
In
der Nacht zum 25.02. hatte sich das Zentrum des Tiefs weiter nach Osten
verlagert und befand sich mit einem nur unwesentlich veränderten Kerndruck um 00
Uhr UTC östlich von Wolgograd, über dem Südwesten Russlands. Eine Warmfront
erstreckte sich vom Kern in Richtung Kasachstan und eine Kaltfront in einem
weiten Bogen über Georgien, das Mittelmeer und Griechenland in Richtung Adria.
Über Zypern nahm diese vorübergehend den Charakter einer Warmfront an, ehe sie,
lediglich noch in der Höhe als Kaltfront analysierbar, bei Dubrovnik (Kroatien)
in die Warmfront des Wirbels ZEHRA mit Kern über der Nordsee verband. Das
Zentrum des Tiefs YULIA begann nach Norden abzudrehen. Sein
Hauptniederschlagsfeld konzentrierte sich auf den Bereich des Zentrums und schritt
mit ihm entlang der Wolga unter allmählicher Abschwächung nach Nordosten voran.
Weitestgehend in Schneefall übergehend waren dabei aus Samara 7,3 mm, aus Kirsanow 10,0 mm und aus Chwalynsk
bis zu 23,0 mm gemeldet worden. Die Niederschläge, die zuvor entlang der
Kaltfront über der östlichen Schwarzmeerregion gefallen waren, zogen ebenfalls
an Intensität verlierend rasch über Georgien in Richtung Kaspisches Meer ab.
Zuvor konnten in Hopa und im georgischen Kutaissi
nochmals je 12 mm und auf dem ebenfalls georgischen Sabueti
bis zu 14,0 mm registriert werden. Im armenischen Sevan
brachten Schneeschauer noch 8,0 mm und in Quba
(Aserbaidschan) 9,0 mm. Über dem Kaspischen Meer nochmals an Feuchtigkeit
gewinnend waren im kasachischen Aqtöbe dagegen bis zu
15,0 mm gefallen. Entlang der Südflanke des Wirbels hielt der teils Stürmische
westliche Wind weiter an. Zumeist wurden dabei stürmische Böen zwischen 60 und
75 Stundenkilometern gemessen, in Wolgograd erreichte er beispielsweise mit
79,3 km/h jedoch auch Stärke 9 und in Elista mit
100,9 km/h Stärke 11 auf der Beaufortskala. In der Ukraine setzte sich nach
Abzug des Wirbels unter einsetzenden Zwischenhocheinfluss ein zunehmend ruhiger
Witterungscharakter durch. Während im Nordosten letzte Schnee- und Schneeregenschauer
noch bis zu 4 mm in 24 Stunden mit sich führten und entlang der Küsten ein
Böiger Wind mit Spitzen bis Stärke 7 vorherrschte, wurde in Chernivtsi
bei wechselnder Bewölkung und bis zu 4,7 Sonnenstunden bereits wieder ein
Tageshöchstwert von 13,4°C erreicht. Tags darauf stieg die Temperatur sogar auf
14,1 °C und in Simferopol auf bis zu 17,3°C. Am 24.02. war dort noch eine
Höchsttemperatur von 7,4°C gemessen worden. Für Deutschland und Teile Mittel-
und Osteuropas wurde hingegen im Laufe des 25.02. der sich von der Nord- in
Richtung Ostsee verlagernde Sturmwirbel ZEHRA Wetterbestimmend. Wie zuvor Tief
YULIA brachte dieser ergiebigen und ebenfalls von Sturmböen begleiteten Regen,
der vierundzwanzig-stündig zwischen 4,9 mm in Cuxhaven, 11,3 mm in Lüdenscheid
und bis zu 20,6 mm bei Schmücke mit sich führte.
Am
26.04. befand sich das Zentrum des Wirbels über dem Mittellauf der Wolga. Vom
Kern, der sich gegen 00 Uhr UTC mit einem Druck von unter 1000 hPa unweit von
Kasan, südwestlich von Perm befand, erstreckte sich eine Okklusionsfront
Richtung Kasachstan nach Süden. Das Tief verließ auf seiner erneut östlichen
bis nordöstlichen Zugbahn im Tagesverlauf den von der Berliner Wetterkarte
erfassten Analysebereich, sodass der Tiefdruckwirbel YULIA nachfolgend nicht
mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Mit ihm zog sein
Niederschlagsfeld entlang des russisch-kasachischen Grenzgebietes weiter nach
Osten und brachte dabei in Perm 4,0 mm bei Omsk 8,0 mm und Nur-Sultan, bis 2019
als Astana bekannt, 10,0 mm. In Magnitogorsk waren noch bis zu 18,0 mm
gefallen. Über Nordkasachstan erreichte der Wind vielerorts mit Spitzen
zwischen 65 und 75 km/h weiterhin Stärke 8. Aus einigen Regionen wurden auch
schwere Sturmböen der Stärke 10 gemeldet, so beispielsweise aus Petropavlovsk mit 93,3 km/h oder aus Rusajewka mit 100,9
km/h. Im Süden Russlands wurden dagegen zumeist Böen bis Stärke 6 bis 7
beobachtet und allenfalls vereinzelt, wie in Magnitogorsk, Windspitzen bis
Stärke 8 registriert.