Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YYES

(getauft am 10.12.2017)

                                              

Am 10.12. wurde mittels einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, also 13 Uhr MEZ, des Folgetages die Entstehung eines Tiefdruckwirbels über Frankreich entlang des ausgedehnten Frontensystems des Tiefs XANTHOS vorhergesagt und dieser auf den Namen YVES getauft. Dieser Wirbel hatte sich bereits im Laufe des 10.12. über dem östlichen Atlantik ausprägen können und lag gegen 00 Uhr UTC des 11.12. mit einem Kerndruck von unter 970 vor der Westküste Frankreichs.

Vom Kern gingen zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Warm- als auch eine Kaltfront aus. Während sich die Warmfront über Orléans und Bern nach Osten zog und anschließend über Südbayern in das Frontensystem des Tiefs XANTHOS überging, erstreckte sich die der Warmfront nacheilende Kaltfront südlich des Kerns in einem Bogen über Baracaldo in Spanien und Lissabon nach Westen, ehe sich diese westlich der Azoren mit der Warmfront des vor Neufundland liegenden Tiefs ZUBIN verband. Einsetzende Hebungsprozesse im Bereich des Wirbels YVES und dessen Ausläufern hatten die Ausbildung eines stark ausgeprägten Niederschlagsbandes zur Folge. Dieses traf bereits im Laufe des 10.12. zunächst auf Frankreich und Spanien und verlagerte sich im weiteren Tagesverlauf zum einen entlang des nach Osten ziehenden Zentrums über Frankreich nach Deutschland und zum anderen entlang der Kaltfront, im Bereich derer sich bereits ein weiterer Wirbel in Ausbildung befand, über Spanien nach Marokko. Dieses sich entwickelnde Tiefdruckgebiet wurde anschließend für Südostfrankreich und den südlichen Alpenraum wetterbestimmend. Über Frankreich brachten die anhaltenden und teils schauerartig verstärkten Niederschläge binnen 36 Stunden bis 06 Uhr UTC des 12.12. in Paris 23 mm, in Bordeaux 34 mm und auf der Île de Groix 47 mm. Besonders intensiv fielen jedoch die Niederschläge über einigen Regionen der Iberischen Halbinsel aus, die bereits wenige Stunden zuvor durch das Tief XANTHOS beeinflusst waren. Im Zusammenspiel dieser mit den ebenfalls ausgeprägten und rasch folgenden Niederschlägen des Wirbels YVES wurden beispielsweise binnen 48 Stunden in Avilés 77,7 mm, in Vigo 101,9 mm und bei Santiago de Compostela, am Flughafen Lavacolla, 115,2 mm Regen registriert, der lokal von Gewittern und, wie in Avilés, zwischenzeitlich auch mit Hagel durchsetzt war. Noch höhere Niederschlagsmengen wurden durch die dicht aufeinanderfolgenden Ausläufer der Tiefs XANTHOS und YVES nur noch in Teilen Portugals erreicht: Anhaltender, schauerartiger Regen brachte innerhalb der 48 Stunden bis 06 Uhr UTC des 12.12. in Vila Real 117,5 mm, bei Viseu 124,3 mm und auf dem Penhas Douradas bis zu 210 mm mit sich, wobei das Gros der Niederschläge allgemein im Laufe der Abend- und Nachtstunden des 11.12. fiel. Auf der Vorderseite des sich nach Osten verlagernden Wirbels YVES wurden zugleich im zwischen Warm- und Kaltfront aufgespannten Warmluftsektor mit einer kräftigen Südwestströmung warme Luftmassen subtropischen Ursprungs nach Deutschland geführt, wodurch Höchstwerte von 10,2°C in Freiburg beziehungsweise 10,6 °C in  München erreicht wurden, wohingegen im äußeren Nordwesten des Landes, wie in Schleswig mit 1,1 oder in Hamburg mit 0,7°C, die Höchsttemperaturen mitunter nur knapp über dem Gefrierpunkt lagen. In Berlin betrug der Tageshöchstwert 6,9°C, in Köln 9,0°C und in Görlitz 10,1°C. Dementsprechend gestaltete sich über Deutschland auch die Niederschlagsverteilung. Während Schneefall in Schleswig 6,8 mm und in Wittmund 9,8 mm mit sich führte, brachte Regen, der in den Morgen- und Abendstunden teils als Schnee fiel, in Essen 10,5 mm, in Weinbiet 22 mm, sowie anhaltender, teils mäßiger Regen in Idar-Oberstein 22,5 mm mit sich. Zugleich blies entlang der Nordalpen ein kräftiger Fön, der vielerorts Böen der Stärke 8 bis 9, teils auch 10 auf der Beaufortskala erreichte. An besonders exponierten Lagen wurden, wie auf dem Brocken oder auf der Zugspitze mit 122,5 km/h bzw. 172,9 km/h, aber auch auf dem Fichtelberg oder in Weinbiet mit 104,6 km/h bzw. 115,3 km/h Orkan oder orkanartige Böen registriert.

Zum 12.12. war das Zentrum der Zyklone YVES über Frankreich und die Beneluxstaaten nach Osten gezogen und lag um 00 Uhr UTC mit einem auf 985 hPa gestiegenen Druck nahe Bremen. Teile der Warmfront waren von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich entlang dieser eine Okklusionsfront hat ausbilden können, die Eigenschaften beider Frontensysteme in sich vereint. Diese reichte vom Kern der Zyklone über Kiel und Kopenhagen bis zum Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, über dem Oderhaff. Vom Okklusionspunkt nahe Stettin erstreckte sich die verbleibende Warmfront über Brest in Weißrussland und dem ukrainischen Zhytomyr nach Süden bis zum Schwarzen Meer. Die ihr folgende Kaltfront zog sich über Breslau nach Süden und verband sich im weiteren Verlauf über den Ostalpen mit der Warmfront eines über Norditalien entstandenen, unbenannten Tiefs. Der Tiefdruckwirbel YVES begann nach Nordosten abzudrehen, wodurch sich dessen Hauptniederschlagsfeld, obgleich sich zunächst abschwächend, rasch von Deutschland über den Ostseeraum Richtung Finnland und Westrussland zog. Innerhalb von 24 Stunden fielen bis 06 Uhr UTC durch leichten Schneefall 5,3 mm in Stockholm, auf Gotland, an den Klippen von Hoburgen, führten Regen- und Schneeschauer 8,7 mm mit sich und aus dem litauischen Klaipeda wurden Regenschauer mit bis zu 9 mm Niederschlag gemeldet. Über der noch verhältnismäßig warmen Ostsee konnte der Wirbel YVES erneut an Energie gewinnen, wodurch sich die Niederschläge über Estland sowie Finnland nochmals intensivierten. Durch wiederholte, teils mäßige Schnee-, Regen- und Schneeregenschauer wurden dabei 24-stündig im estnischen Nigula 26,4 mm, im finnischen Leivonmäki 35,2 mm und in Kumpula, einem Vorort von Helsinki, bis zu 48,8 mm registriert. Auf der Ostseite des Wirbels, über dem nordwestrussischen Raum, wehte ein starker, südlicher Wind mit Sturm-, teilweise auch schweren Sturmböen. So registrierten die Anemometer in Mud'Jug, nahe Archangelsk, Spitzenböen von 75,6 km/h und an der Station am Kap der Halbinsel Kanin Böen bis 93,7 km/h und somit Stärke 9 und 10 auf der Beaufortskala. Über Deutschland stellte sich nach Abzug der Zyklone YVES vorübergehend eine leichte Wetterberuhigung ein, ehe Ausläufer des sich von Westen nähernden Tiefs ZUBIN neuerlich zu einem niederschlagsreichen Witterungsabschnitt führten. Größere Niederschlagsmengen wurden lediglich aus dem Harz gemeldet. In Braunlage fielen binnen 12 Stunden bis 18 Uhr UTC 12 mm und an der Messstation auf dem Brocken 16 mm als Schnee, an der überwiegend Westwind mit Böen von bis zu 118,9 km/h erneut Orkanstärke erreichte.

Gegen 00 Uhr UTC des 13.12. lag der Wirbel YVES bereits über Zentralfinnland, nahe Oulu. Vom Zentrum des Wirbels, in dessen Kern der Druck um 5 hPa auf 980 hPa leicht gefallen war, reichte dessen Okklusionsfront über Petrosawodsk in Russland bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Vologda. Von dort zog sich die Warmfront in südöstlicher Richtung bis nach Ryazan und die Kaltfront über Kiew nach Südwesten, ehe sie über Rumänien in die Warmfront des von Norditalien nach Ungarn gezogenen unbenannten Wirbels überging. Die höheren Intensitäten der Niederschläge konzentrierten sich im Wesentlichen entlang der sich nach Nordosten verlagernden, ausgeprägten Okklusionsfront sowie entlang des Zentrums und gingen über Finnland und dem russischen Raum zunehmend in Schnee über. So wurden in Salla Varriotunturi 8,9 mm, in Kittila Kenttarova 9,8 mm und in Sodankyla 12 mm Niederschlag gemessen. In Helsinki brachten letzte Schauer vor Abzug des Wirbels noch 3,1 mm mit sich. Ähnliche Niederschlagsmengen wurden auch aus Westrussland gemeldet. Während Schneeschauern fielen in Archangelsk 5 mm, in Kepino 13 mm und in Wetluga bis zu 15 mm. Entlang der Barentssee und dem Weißen Meer wurden weiterhin Sturmböen, lokal auch schwere Sturmböen registriert. Aus Sojna, auf der Halbinsel Kanin gelegen, wurden Spitzenböen von 75,6 km/h, vom Kap Kanin 86,5 km/h und von der Messstation Zimnegorskij Majak Böen bis 90,1 km/h gemeldet. An der Radiostation am Isfjord in Spitzbergen wurden 86,5 km/h erreicht. Südlich des nach Norden in Richtung Murmansk ziehenden Wirbels YVES stellte sich ebenfalls eine starke, zumeist südwestliche Strömung ein, die in Böen über dem südlichen Finnland, wie am Leuchtturm von Helsinki mit 72,0 km/h oder in Uto mit bis zu 82,9 km/h, Stärke 8 bis 9 erreichte.

Trotz fallender Drucktendenz im Zentrum des Wirbels hatte das Tief YVES begonnen an Intensität zu verlieren. Mit einem auf unter 980 hPa sinkenden Kerndruck war dieser nach Norden gezogen und lag gegen 00 Uhr UTC des 14.12. über der Barentssee, wenig nördlich von Murmansk. Die Warmfront war nunmehr in weiten Bereichen von der Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich eine Okklusionsfront hat ausbilden können, die vom Kern in einem Bogen über die Barentssee und entlang des Uralgebirges nach Süden bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Kazan reichte. Von Kazan erstreckte sich anschließend die Warmfront weiter in südlicher Richtung bis an den Aralsee Kasachstan und die Kaltfront nach Südwesten, die sich bereits nahe Saransk mit der Warmfront des vom Balkan in die Ukraine gezogenen, unbenannten Wirbels verband. Die Schneefälle entlang der Okklusionsfront begannen zunehmend an Intensität zu verlieren und verlagerten sich im Tagesverlauf unter voranschreitender Abschwächung über das Uralgebirge hinweg nach Sibirien. In 24 Stunden registrierten die Messgeräte in Urengoi, östlich des Urals gelegen, 2,0 mm, über der Jugorski-Halbinsel, am Kap Bolvanskij 2,9 mm und am Kap Kanin 5,0 mm. An der Nord- und Westseite des Wirbels YVES wurden Niederschläge auch nach Spitzbergen sowie in den äußersten Norden Norwegens gelenkt. Größere Niederschlagsmengen, die auch hier zumeist als Schnee fielen, kamen dabei jedoch meist nicht zusammen. Beispielsweise wurden an der Radiostation an der Mündung des Isfjords 0,9 mm, am Flughafen von Tromsø 2,1 mm und in Hammerfest 4,1 mm registriert. Auch der Wind ließ allmählich nach. Dieser erreichte entlang der Barentssee im Bereich zwischen dem Weißen Meer und Nowaja Semlja sowie auf Spitzbergen Böen zwischen 61 km/h bei Vorkuta, 86,5 km/h am Kap Kanin und am Hornesund, sowie 90,1 km/h an der Station Sørkappøya im äußersten Süden Spitzbergens nochmals Stärken 8 bis 9, lokal auch 10 auf der Beaufortskala, ehe sich auch hier wieder ein etwas ruhigerer Witterungsabschnitt einstellte.

Am 15. und 16.12. verblieb das Zentrum des sich zunehmend abschwächenden Tiefdruckwirbels YVES nördlich von Murmansk über der Barentssee und zog, ohne das ein zugehöriges Frontensystem analysiert werden konnte und sich fortschreitend auflösend über die Barentssee Richtung Norden. Nennenswerte, dem Tief YVES direkt zuzuordnende Niederschläge konnten in der Region nicht mehr registriert werden. Letzte Niederschläge, die zumeist als Schnee fielen, konzentrierten sich noch entlang des Zentrums und führten binnen 48 Stunden an der Station am Flughafen Longyearbyen auf Spitzbergen 0,5 mm und am Leuchtfeuer am Isfjord 1,8 mm mit sich. Im Laufe des 16.12. schwächte sich der Wirbel YVES soweit ab, dass dieser am 17.12. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr namentlich auf jener verzeichnet werden konnte.

 

 

 

Geschrieben am:         27.01.18 von Matthias Janke

Karte:                          11. oder 12.12.

Wetterpate:                 Sonja Gerth