Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YVETTE

(getauft am 13.08.2010)

 

Am 13. August 2010 wurde ein Tiefdruckgebiet über Südfrankreich auf den Namen YVETTE getauft. In diesem Gebiet und weiter östlich im Golf von Genua entstehen Tiefdruckgebiete durch die Temperaturunterschiede zwischen kühler Luft aus Nordwesten, die als Mistral durch das Rhônetal nach Süden weht, und dem wärmeren Mittelmeer. Morgens um 6 Uhr Weltzeit, also 8 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, meldete zum Beispiel die Wetterstation Nizza Gewitter, die durch die starken Temperaturunterschiede ausgelöst wurden.

Entsprechend der sogenannten Vb-Wetterlage, die im Zusammenhang mit der angesprochenen Tiefdruckbildung über dem Golf von Genua steht, zog das Tiefdruckgebiet YVETTE weiter in nordöstliche Richtung und lag am nächsten Morgen über Tschechien, der Slowakei, Ungarn und dem nördlichen Balkan. Innerhalb von 24 Stunden fielen entlang der Zugbahn des Wirbels aus Norditalien nach Nordosten zum Teil beachtliche Niederschlagsmengen. Im kroatischen Zagreb waren es 39 Liter pro Quadratmeter, in Ljubljana in Slowenien 30 l/m² und im tschechischen Brünn 25 l/m². Besonders durch die Orografie, also die gebirgige Struktur, die die Luft zu Aufsteigen zwang, kam es zu teils kräftigen Schauern und Gewittern. Das Tiefdruckgebiet YVETTE bog dann in eine nordnordwestliche Richtung, was ebenfalls charakteristisch für die Vb-Wetterlage ist.

Bis zum Morgen des Folgetages gab es einerseits einen Niederschlagsschwerpunkt über Dänemark und Südschweden, zum Beispiel mit 49 l/m² in Kopenhagen in Folge von schweren Gewittern, der zum Teiltief YVETTE I gehörte. Andererseits bildeten sich im Alpenraum in Folge des Teiltiefs YVETTE II ebenfalls kräftige Schauer und Gewitter. Im Schweizerischen Chasseral im Kanton Bern fielen innerhalb von 12 Stunden 79 l/m². Am 15. August mittags befand sich das alleinige Zentrum des Wirbels YVETTE über Böhmen. Es gab eine komplexe Anordnung der zugehörigen Fronten, nämlich eine Warmfront, die über den Osten Deutschlands und den Norden Polens bis zur Ostsee reichte, eine Kaltfront, die sich über das südliche Polen nach Osten erstreckte, sowie zwei Okklusionsfronten. Die eine verlief nach Süden bis nach Österreich, die andere war in Richtung Westen bis nach Franken zu sehen. Ebenso komplex wie die Fronten zeigte sich auch das Wetter, denn aufgrund der Mittel- bis Hochgebirgsstruktur und der zum Teil schauerartigen, zum Teil länger anhaltenden Niederschläge gab es recht unterschiedliche Wettermeldungen.

Dies zeigen die Niederschlagswerte innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 16. August. Während in Dresden 32 l/m² zusammenkamen, fielen in Leipzig 2 l/m². In Guteborn in der Lausitz waren es 65 l/m², wohingegen es im nordbrandenburgischen Zehdenick 1,5 l/m² waren. Nicht nur durch, wie gezeigt, sehr unterschiedliche Niederschläge, sondern auch lokal durch kräftigen Wind machte sich die Zyklone YVETTE bemerkbar. Am Flughafen Schönefeld kam es zu Böen von 49 Knoten, das entspricht der Windstärke 10, also einem schweren Sturm. Mittlerweile lag das Zentrum des Wirbels YVETTE über den Niederlanden. Sowohl entlang der über die Nordsee nach Norddeutschland und Dänemark verlaufenden Okklusionsfront, als auch im Bereich der anschließenden Kaltfront, die über Polen und Ungarn bis zur Adria reichte, kam es weiterhin zu kräftigem Regen und Gewittern.

Im Ostseeraum wurden somit bis zum 17. August, 6 Uhr morgens Weltzeit, beachtliche Niederschlagsmengen registriert, wie im lettischen Riga 50 l/m² oder im schleswig-holsteinischen Leck 45 l/m². Zu dieser Zeit befand sich das Tiefdruckgebiet YVETTE im Raum Norddeutschland und den angrenzenden Gebieten, wobei der Kerndruck unter 1010 hPa, über Dänemark unter 1002 hPa lag. Die Schauer- und Gewittertätigkeit hielt an, zunächst besonders im Osten und Nordosten Europas, wo unter anderem in Riga Gewitter gemeldet wurden, später mehr im norddeutschen und dänischen Raum.

In Karup in Jütland gab es bis zum Morgen des 18. August 64 l/m² und in Greifswald 40 l/m². Der Kern der Zyklone YVETTE war über Norddänemark, dem Skagerrak und dem südlichen Norwegen angekommen. Einerseits wurden im Baltikum und in der Kaliningrader Oblast zum Teil ergiebige Niederschläge, wie in Königsberg mit 13 l/m², gemeldet, andererseits führte die Kaltfront unter anderem in der Ukraine zu einem Temperatursturz: In Kiew wurden nur noch 23°C im Vergleich zu 36°C am Vortag erreicht.

Am 19. August hatte das Tiefdruckgebiet YVETTE seine Position kaum geändert, und es wurden im Bereich der Ostsee und des Baltikums weiterhin zum Teil kräftige Regengüsse registriert, wie in Riga, wo innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 20. August 34 l/m² fielen. Tagsüber zog der Kern des Wirbels YVETTE weiter nach Osten, brachte unter anderem in Westrussland Schauer und Gewitter, und war am nächsten Tag bereits am Ural in der Gegend südlich von Perm angelangt. Am 22. August war das Tiefdruckgebiet YVETTE zum letzten Mal in der äußersten Nordostecke der Berliner Wetterkarte im Bereich des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen als eigenes Druckgebilde zu erkennen.

 


Geschrieben von Heiko Wiese am 27.09.2010

Ausgewählte Berliner Wetterkarte: 15. August 2010

Pate: Yvette Schwarze