Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YVE

(getauft am 26.04.2020)

 

Im Laufe des 26.04.2020 entwickelte sich über der Biskaya ein zunächst noch schwach ausgeprägter Tiefdruckwirbel, der anhand der Prognosekarte für 12 Uhr UTC des darauffolgenden Tages in seiner Lage östlich von Nantes vorhergesagt und auf den Namen YVE getauft wurde. Am Tageswechsel zum 27.04. befand sich der Wirbel mit einem gegenüber dem Vortag auf unter 1010 hPa gefallenen Kerndruck zunächst noch nördlich von Santiago de Compostela vor der Nordspitze der Iberischen Halbinsel. Von seinem Zentrum erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Okklusionsfront in einem Bogen um den Kern in südöstlicher Richtung über Bilbao bis nach Mallorca und weiter nach Südwesten über das Alborán-Meer in Richtung der Meerenge von Gibraltar. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die aus dem Zusammenschluss einer Warmfront mit der ihr nachfolgenden Kaltfront hervorgeht und häufig durch ergiebige Niederschläge gekennzeichnet ist. Ein solches Niederschlagsfeld hatte sich aufgrund von Aufgleitvorgängen entlang jener Front sowie im zentralen Bereich des Wirbels entwickeln können und verlagerte sich mit dem Wirbel im Tagesverlauf von Nordspanien über Frankreich weiter nach Osten. Innerhalb von 24 Stunden waren bis 6 Uhr UTC des 28.04. in Irurita 13,9 mm, bei Pontevedra 14,2 mm und in Le Havre sowie Caen jeweils knapp 19 mm gefallen. Neben der französischen Kanalküste gestalteten sich die Niederschläge in einem Streifen entlang der Pyrenäen und südlich des Zentralmassivs besonders ergiebig. Hier wurden im selben Zeitraum im spanischen Bielsa 26,8 mm, in Orange 32,9 mm und in Nîmes bis zu 49,3 mm gemessen. Zum Vergleich: Im Stadtgebiet von Paris wurden zwischen 0,6 mm am Flughafen Orly bis 3,4 mm und 3,4 mm an der Station Paris-Montsouris registriert.

Gegen 0 Uhr UTC am 28.04. war das flache, sich jedoch zunehmend intensivierende Tief YVE über Nantes hinweg in Richtung des Ärmelkanals gezogen und befand sich mit einem Druck von knapp 1005 hPa unweit von Cherbourg über der nördlichen Normandie. Eine Okklusionsfront reichte in östlicher Richtung vom Kern bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, nördlich von Paris. Von jenem Punkt erstreckte sich eine Warmfront über Luxemburg und Stuttgart bis nach Verona im Norden Italiens und die ihr folgende Kaltfront über Genf, Marseille und Ibiza nach Südwesten. Eine weitere, jedoch lediglich in der Höhe analysierbare Okklusionsfront ging westlich des Kerns aus. Sie folgte in einem engen Bogen dem Küstenverlauf der Bretagne und endete nahe Nantes. Das Hauptniederschlagsfeld des Wirbels reichte zu diesem Zeitpunkt somit vom Kern über den Ärmelkanal und die Ardennen bis in den Süden Frankreichs und weiteten sich in den folgenden Stunden auf Südengland und Deutschland aus. Während auf der Insel verbreitet Regenmengen über 10 mm binnen 24 Stunden gemessen wurden – so meldeten die Stationen im Londoner St. James Park 14,2 mm, am Flughafen von Shoreham 15,4 mm, und in Charlwood 17,0 mm – verloren die Niederschläge auf ihrem Weg nach Deutschland allgemein an Intensität. Dennoch konnten sie vor allem im Westen des Landes regional recht ergiebig ausfallen: Der einsetzende und teils schauerartig verstärkte Dauerregen brachte beispielsweise bei Geilenkirchen 10,8 mm, in Essen 11,9 mm und in Bad Marienberg 12,4 mm. Am intensivsten gestalteten sich die Niederschläge jedoch weiterhin über Südostfrankreich und dem westlichen Alpenraum. In jener Region hatte sich entlang der sich über Südfrankreich wellenförmig deformierenden Kaltfront im Tagesverlauf ein neues Tiefdruckgebiet ausprägen können. Aufgrund von Aufgleit- und Staueffekten beim Auftreffen der feuchten Luftmassen auf die dortigen Gebirgsketten und der damit einhergehenden erzwungenen Hebung in kältere Luftschichten wurden die Niederschläge, ähnlich wie schon zuvor entlang der Pyrenäen, regional noch zusätzlich verstärkt. Innerhalb von 24 Stunden waren an der Messstation Bourg-St-Maurice 25,6 mm, in Langnau im Emmental 34,4 mm und in Nizza 54,7 mm gemessen worden. Ähnlich hohe Regenmengen konnten im Stau der Nordalpen in Teilen Südbayerns und Österreichs beobachtet werden: In Kempten waren 22,2 mm, in Bregenz 29,2 mm und auf dem Galzig 31,5 mm gefallen. Im nördlich davon gelegenem Oberstorf waren es bis zu 35,9 mm, wohingegen auf der Zugspitze anhaltender Schneefall eine Niederschlagsmenge von 18,8 mm mit sich führte. Der Osten Deutschlands war dagegen zunächst noch durch das sich vom Schwarzmeerraum Richtung Kaukasus verlagernde Hoch ODILO beeinflusst. Während im Westen des Landes unter den dichten Wolkenfeldern des Tiefs YVE die Tageshöchstwerte meist zwischen 14 und 17°C lagen, stieg das Quecksilber in Berlin und Dresden bei bis zu 9,4 Sonnenstunden auf 22,7°C beziehungsweise 23,6°C. In Cottbus und Hoyerswerda konnte mit einem Höchstwert von jeweils 25,3°C gar ein Sommertag verzeichnet werden.

Zum 29.04. war das Zentrum des Wirbels YVE von Nordfrankreich nach Norddeutschland gezogen und befand sich um 0 Uhr UTC mit unverändertem Kerndruck südlich von Berlin. In östlicher Richtung reichte von seinem Zentrum eine Warmfront nach Polen, die sich nahe Warschau mit dem Frontensystem des bei St. Petersburg liegenden Tiefs XENIA verband, sowie eine Kaltfront in westlicher Richtung bis nach Amsterdam. Das Hoch ODILO hatte seinen Einfluss verloren, sodass sich nachfolgend in gesamt Deutschland ein wechselhafter Wettercharakter durchsetze. Während im Norden anhaltender Regen dominierte, bildeten sich im Süden vermehrt Schauer aus, die im Osten des Landes auch gewittrig ausfallen konnten. So wurden in Frankfurt am Main 8,1 mm, in Lüdenscheid 10,4 mm und bei Boizenburg 13,0 mm registriert. Im Verbund mit einem kurzlebigen Tief, welches sich am Vortag am Rande des Wirbels YVE über dem östlichen Alpenraum bilden konnte, wurden in Fürstenzell 17,3 mm, in Regensburg 20,3 mm und auf österreichischer Seite am Flughafen von Graz 21,8 mm sowie am Alpinzentrum Rudolsfhütte 32,0 mm gemessen. Gewitter im Berliner Raum führten in Berlin-Dahlem 5,9 mm, in Berlin-Schönefeld 16,1 mm und in Potsdam 16,6 mm mit sich, wobei das Gros der Regenmenge Potsdams, 10,8 mm, in nur einer Stunde fiel. In einigen Teilen Thüringens, Sachsens und Nordbayerns blieb es hingegen auch niederschlagsfrei. Die Höchstwerte lagen im äußersten Norden und Südosten bei 9 bis 14°C, sonst wurden zumeist zwischen 15 und 18°C, und in wenigen einigen Regionen, wie im Raum Frankfurt (Main), auch bis 22°C gemessen. Im Tagesverlauf verlagerten sich die Niederschläge unter zunehmender Abschwächung mit dem Tief weiter nach Osten. Auch in Polen und in Tschechien konnten lokal intensive Schauer beobachtet werden. Waren verbreitet Niederschlagsmengen unter 5 mm und nur in wenigen Regionen um oder knapp über 10 mm gefallen, wurden aus dem polnischen Lublin 21,0 mm, dem schlesischen Bielsko-Biała 26,2mm und dem tschechischen Polom 30,8 mm gemeldet.

Gegen 0 Uhr UTC des 30.04. lag das Zentrum des allmählich an Intensität verlierenden Tiefs YVE bereits über der westlichen Ukraine. Von seinem Kern, der mit einem Druck von weiterhin knapp 1005 hPa bei Ternopil lag, ging sowohl eine Warm- als auch zwei Kaltfronten aus: Während sich die Warmfront über Kiew nach Osten erstreckte und sich im weiteren Verlauf mit dem Frontensystem des sich Richtung Ural verlagernden Wirbels XENIA verband, reichte eine erste, lediglich in der Höhe ausgeprägte und sich wellenförmig deformierende Kaltfront über Belgrad, Sofia und Athen nach Südwesten und eine zweite, jedoch auch am Boden analysierbare Kaltfront über Krakau in Richtung Berlin. Nahe Berlin verband sich diese anschließend mit der Warmfront des Großbritannientiefs ZLATINA. Seinen Einfluss auf Deutschland hatte das Tief YVE verloren, doch kündigten sich bereits die aus Westen aufziehenden Ausläufer des Atlantikwirbels ZLATINA an, die neben dichten Wolken erneut Regen heranführten. Die dem Tief YVE zuzuordnenden Niederschläge hatten sich über Osteuropa in der Nacht weitgehend aufgelöst. Mit Annäherung an das Schwarze Meer wurden jedoch nochmals feuchte Luftmassen entlang seiner Süd- und Ostflanke in den Norden geführt, wodurch sich entlang seiner Höhenkaltfront von der Ukraine über Moldawien bis nach Rumänien nochmals teils kräftige Schauer und Gewitter bilden konnten. Während es in der östlichen Ukraine weitgehend trocken blieb, fiel während eines Schauers in Kiew eine vierundzwanzig-stündige Niederschlagssumme von 3,0 mm und während Gewitter in Tschernihiw und Konotop 14,0 mm beziehungsweise 17,0 mm. Durch teils gewittrig durchsetzte Schauer wurden im rumänischen Cluj-Napoca 12,4 mm und durch wiederholte Gewitter im moldawischen Bravicea 15,0 mm sowie im ebenfalls moldawischen Dubăsari 25,0 mm registriert.

Sich zunehmend auflösend lag der Kern des Wirbels YVE am 01.05. mit einem auf 1010 hPa angestiegenem Druck unweit von Kiew. Eine Warmfront zog sich vom Zentrum nach Osten und verband sich über Westrussland erneut mit der Kaltfront des Tiefs XENIA mit Zentrum östlich des Urals. Des Weiteren erstreckte sich eine Kaltfront vom Kern nach Westen, die über den Ostkarpaten in das weitläufige Frontensystem des sich über die Nordsee nach Osten verlagernden Tiefdruckkomplexes ZLATINA überging. In den folgenden Stunden schwächte sich der Tiefdruckwirbel YVE soweit ab, dass er nachfolgend auf der Berliner Wetterkarte nicht mehr als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr namentlich verzeichnet werden konnte. Für Mitteleuropa war das sich im Tagesverlauf auch auf Osteuropa ausweitende Tief ZLATINA wetterbestimmend geworden. Letzte, dem Wirbel YVE direkt zuzuordnende Niederschläge konzentrierten sich im Wesentlichen auf einem engen Streifen von Charkiw in der Ostukraine bis nach Woronesch im Westen Russlands und führten zwischen 2,0 mm in Kursk und 5,0 mm Bogoroditskoe-Fenino mit sich. Im südlich von Charkiw gelegenem Isjum wurden letzte Gewitter beobachtet, die noch bis zu 13,0 mm brachten.