Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YVONNE

(getauft am 06.12.2020)

 

Bereits in der Bodenwetterkarte vom 05.12.2020 hat die intensive Zyklone WENKE über Großbritannien auf ihrer Rückseite maritim arktische Luftmassen, mit Ursprung nördlich des Polarkreises, auf direktem Wege über den nahen Ostatlantik nach Süden transportiert. Zugleich schaufelte ein Hochdruckgebiet im Bereich der Azoren atlantische Subtropikluft von Südwesten her ins entsprechende Gebiet. Eine Erwärmung der Luftmasse führte zu einem Aufstieg der Luft und dieser Aufstieg hinterließ ein Luftdruckdefizit in bodennahen Luftschichten, relativ zur Umgebung. Da sich dieses Gebiet, zwar durch eine schwache, jedoch bereits eigenständige Zirkulation auszeichnete, konnte das junge Tiefdruckgebiet in der darauffolgenden Bodenwetterkarte vom 06.12. in der Analyse von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen YVONNE getauft werden.

Mit etwas weniger als 1005 hPa befand sich das vergleichsweise schwache Tiefdruckzentrum von YVONNE zu diesem Zeitpunkt etwa 1000 km westlich vor Irland. Das kleinräumige, zyklonale Druckgebilde bestand aus einer kurzen Okklusion, als Fortsetzung eines weiteren Tiefdruckkomplexes in unmittelbarer Nähe der Südspitze von Grönland, bis zum sogenannten Okklusionspunkt. Zur Erklärung: Eine Okklusion ist eine Mischfront, welche entsteht, wenn die schnellere Kaltfront die vorlaufende, jedoch etwas langsamere Warmfront einholt und so die wärmere Luft aufsteigen lässt. Der Punkt, an dem sich die Okklusion in Kalt- und Warmfront aufteilt, wird als Okklusionspunkt definiert. Vom Okklusionspunkt ausgehend erstreckte sich eine kurze Warmfront nach Süden und rasch nachfolgend die Kaltfront nach Südwesten. Auf das Wetter über dem europäischen Festland hatte die Zyklone YVONNE zu diesem Zeitpunkt noch keinen unmittelbaren Einfluss.

 

Tags darauf, am 07.12., verblieb die allgemeine, großräumige Strömungskonfiguration über Europa bemerkenswert stabil. Zwischen dem mächtigen, bis in hohe Luftschichten reichenden und blockierenden Hoch XAVIER über Russland sowie dem klassischen Azorenhoch kann sich das von Grönland bis zum zentralen Mittelmeer reichende Gebiet geringen Luftdrucks kaum bewegen. Indes verlagerte sich die Zyklone YVONNE erwartungsgemäß etwas weiter nach Südosten. Auf ihrem Weg bis über die Südwestspitze Irlands intensivierte sich der Kerndruck auf mittlerweile stattliche 995 hPa. Die Okklusionsfront erstreckte sich vom Tiefdruckzentrum ausgehend nach Südosten und Süden bis zum Okklusionspunkt, etwa über Porto in Portugal. Davon ausgehend verlief die Warmfront an der Küste entlang nach Süden, während sich die Kaltfront über den nahen Ostatlantik noch weiter nach Westen erstreckte.

 

Die Zyklone XUNAV verlagerte sich in der Bodenwetterkarte vom 08.12. um 01 Uhr MEZ (Mitteleuropäische Zeit) weiter nordwärts und machte nun endlich Platz für das Tiefdruckgebiet YVONNE. Auf ihrem Weg, weiter nach Südosten, teilte sich die Zyklone zudem in zwei Tiefdruckteilgebiete namens YVONNE I und YVONNE II auf. Das Druckgebilde YVONNE I befand sich schließlich mit einem Kerndruck von etwas weniger als 995 hPa knapp nördlich der französischen Stadt Bordeaux, während sich YVONNE II, mit einem etwas geringeren Kerndruck von 1000 hPa, zwischen Barcelona und Korsika über dem Balearen-Meer verlagerte. Die Okklusion bildete das Verbindungsglied zwischen beiden Tiefdruckzentren. Von der Zyklone YVONNE II erstreckte sich schließlich noch die Warmfront nach Osten, entlang der Südwestküste Italiens über das Tyrrhenische Meer. Die nachfolgende Kaltfront von YVONNE II hingegen verlief nach Südwesten, über Mallorca und der Iberischen Halbinsel bis zum nahen Ostatlantik. Nachdem die ehemals über Zentraleuropa vorherrschende Zyklone XUNAV in den vergangenen Tagen bereits kräftige Niederschläge in weiten Teilen des Alpenraumes gebracht hatte, setzte hier sowie in Norditalien mit Annäherung der Warmfront von Tief YVONNE erneut Niederschlag ein. Dadurch kamen 12-stündig bis 07 Uhr MEZ in der Toskana bis zu 45 mm in Renaio und 39 mm in Vallelunga zusammen. Ebenfalls kräftige Niederschläge im Zusammenhang mit dem Durchzug der Zyklone YVONNE gab es auch im Norden der Iberischen Halbinsel. Hier wurden am frühen Morgen, über einen Zeitraum von 24 Stunden Niederschlagsmengen von 54 mm in Soto de Valdeón, 60 mm in Socoa und 61 mm in San Sebastián registriert.

 

In der Bodenwetterkarte vom 09.12. von 01 Uhr MEZ hatte sich an der großräumigen Wetterlage in den vergangenen 24 Stunden nicht wirklich viel verändert. Das Gebiet geringen Luftdrucks über Mittel- und Westeuropa konnte sich ein wenig weiter südostwärts ausdehnen und reichte nun bis weit in den Mittelmeerraum hinein. Das Tiefdruckgebiet YVONNE ist mit einem Kerndruck von etwas weniger als 1000 hPa über Norditalien angelangt. Die Okklusion der Zyklone YVONNE griff in der Nacht von Südosten her auf die Osthälfte Deutschlands über und brachte sowohl etwas Regen, als auch Schnee. In einem Streifen von Baden-Württemberg über Sachsen bis nach Brandenburg kamen dabei 12-stündig bis zu 7,9 mm in Deutschneudorf-Brüderwiese, 7,0 mm in Sermuth, 6,4 mm in Grimma und 4,8 mm an der Station Sigmarszell-Zeisertsweiler zusammen. Die Station Berlin-Dahlem vernahm mit 0,9 mm den ersten messbaren Niederschlag des Monats. Der Okklusionspunkt des Tiefs befand sich am unteren Ende des assoziierten „italienischen Stiefels“, davon ausgehend erstreckte sich die vorlaufende Warmfront nach Südosten und die nachfolgende Kaltfront nach Südwesten über die nördlichen Teile von Sizilien, Tunesien, Algerien und Marokko hinweg zum Atlantischen Ozean. Im nördlichen Mittelmeerraum fanden im Bereich der Zyklone YVONNE die teils ergiebigen Niederschläge ihre Fortsetzung. In Kroatien in Pazin fielen bis in die Morgenstunden des 09.12. 24-stündig 103,6 mm und in Makarska 78,5 mm, in Slowenien in Nova Gorica 80,7 mm. In Norditalien wurden in Bibione 66,2 mm registriert und in Bordano bis zum Abend 12-stündig noch einmal 119,8 mm. Die Station auf dem Monte Baldo vermeldete binnen 24 Stunden 116 cm Neuschnee, so dass dort die Schneedecke auf insgesamt 193 cm anwuchs.

 

Am 10.12. zeigten sich über dem nahen Ostatlantik sowie dem europäischen Festland immense Luftdruckgegensätze. Südlich des 40. Breitengrades, bis nach Afrika reichend, gab es bereits über mehrere Tage hinweg hohen Luftdruck und über Russland herrschte weiterhin das großräumige und weiterhin blockierende Hochdruckgebiet XAVIER mit mehr als 1040 hPa. Dem gegenüber stand ein weiträumiges Gebiet tiefen Luftdrucks von der Labradorsee (südlich von Grönland) über Großbritannien, Mitteleuropa bis ans östliche Mittelmeer reichend, bestehend aus ANDIRA (ca. 975 hPa), ZÖLESTINE I (ca. 975 hPa), ZÖLESTINE II (ca. 995 hPa) sowie YVONNE (ca. 1005 hPa). Der Kerndruck der Zyklone YVONNE hatte sich weiter abgeschwächt, nunmehr auf einen Luftdruck von etwas weniger als 1005 hPa.

Zudem hatte die Kaltfront nun die Warmfront weiter eingeholt, sodass die insgesamt vier Tiefdruckminima nun von einer sich wellenden Okklusionsfront verbunden wurden. Als Abschluss schloss sich noch eine Kaltfront dem Tiefdruckkern über Griechenland nach Südwesten bis zur libyschen Hauptstadt Tripolis an. Die Ausläufer des sich über die Adria erstreckenden Tiefdruckgebietes YVONNE, dessen Wolken auch die Regionen nördlich der Alpen erreichten, sorgten im Süden Deutschlands für Schneezuwachs. Der Ostalbkreis sowie das Allgäu verzeichneten mit bis zu 8 cm Plus gegenüber dem Vortag den größten Schneezuwachs. Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis in der Früh um 06 Uhr UTC (koordinierte Weltzeit) lagen im Süden Deutschlands meist bei 7 bis 9 mm, lediglich am Ostrand des Bodensees wurden auch über 10 mm registriert. Deutlich höher fielen die Niederschläge aber erneut im Norden Italiens aus, in Auronzo wurden 78,8 mm gemessen. Noch stärker waren Schauer und Gewitter auf der Vorderseite der Zyklone YVONNE an der kroatischen Adriaküste, 89 mm kamen bis zum Mittag in 6 Stunden am Flughafen Dubrovnik-Cilipi zusammen, kurzzeitig sank dort die Temperatur um 2 Kelvin. Mehr als 118 mm betrug die 24-stündige Tagesniederschlagssumme bis in der Früh des darauffolgenden Tages.

 

Die seit knapp 10 Tagen eingefahrene Großwetterlage über Europa setzte sich auch in der Bodenwetterkarte vom 11.12. weiter fort. Das schwache, jedoch beständige Tiefdruckgebiet YVONNE verlagerte sich lediglich etwas weiter nordöstlich und befand sich nun mit einem Kerndruck von etwas weniger als 1010 hPa über den nordägäischen Inseln, zwischen Griechenland und der Türkei. Vom Zentrum ausgehend erstreckte sich nach Norden die wellende Okklusionsfront über Osteuropa bis knapp zur Ostsee. Nach Süden verlief hingegen die Kaltfront über das östliche Mittelmeer hinweg bis zur Grenze zwischen Libyen und Ägypten. Sowohl die Zyklone YVONNE über Südosteuropa, als auch die Antizyklone XAVIER, nahe der russischen Stadt Ufa, schaufelten kalte Luft, also Subpolarluft (xP) nach Deutschland. So lag die 12-stündige Höchsttemperatur von Ostsachsen bis nach Vorpommern bei unter 0°C. In Berlin-Dahlem lag die höchste Temperatur zwischen 7 und 19 Uhr MEZ sogar bei lediglich -0,7°C.

 

Am 12.12. wurde die Zyklone YVONNE sowohl von dem Tief ZÖLESTINE, als auch vom stationären Hochdruckgebiet XAVIER über Russland knapp 1000 Kilometer weiter nach Nordosten gedrängt und befand sich schließlich über dem nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres mit einem Kerndruck von etwa 1010 hPa. Zwar bestand das Tief YVONNE weiterhin aus einer langgestreckten Okklusionsfront über Rumänien, Polen, entlang der Ostsee bis knapp an das Weiße Meer heran, sowie einer kurzen Warmfront über das Schwarze Meer hinweg reichend, jedoch befand sich das Tiefdruckgebiet bereits in einem fortgeschrittenen Stadium.

Nach einer beachtlichen Lebensdauer von insgesamt 7 Tagen, teils kräftigen Niederschlägen in Form von Regen, aber auch etwas Schnee, konnte in der Bodenwetterkarte vom 13.12., von den Meteorologen kein Gebiet geringen Luftdrucks mehr dem Tiefdruckgebiet YVONNE zugeordnet werden.