Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
YVONNE
Im Laufe des
11.07.2020 näherte sich ein Tiefdruckgebiet, auch Wirbel oder Zyklone genannt,
den Britischen Inseln. Hierbei beschreibt die Zyklone den sich drehenden
Tiefdruckwirbel anhand seiner Drehrichtung (gegen den Uhrzeigersinn), im
Gegensatz zum Zyklon, der ein ausgewachsener Wirbelsturm ist. Die Britischen
Inseln lagen an diesem Tag noch unter dem Einfluss des Hochdruckgebiets YOANN,
auf dessen Rückseite sich bereits tags zuvor eben jenes angesprochene
Tiefdruckgebilde etablieren konnte. Antizyklone YOANN, dessen Zentrum sich im
Tagesverlauf Irland näherte, blockierte hierbei das Tief, sodass dieses nicht
weiter ostwärts ziehen konnte.
Bis
zum Morgen des 12.07. zog Hoch YOANN weiter in östliche Richtung, und lag nun
mit Zentrum über Amsterdam, von wo aus es Einfluss auf das Wetter in Westeuropa
nahm. Die Zyklone auf dessen Rückseite hatte es sich indes weiterentwickelt und
nahm Kurs auf Irland, wobei sich die Warm- und Kaltfront des Tiefs um dieses
eindrehten und so eine Okklusionsfront bildeten. Hierbei entsteht durch die
Vereinigung von Kalt- und Warmfront eine Mischfront, bei der der Warmsektor,
der vorher zwischen den Fronten lag, in höhere Luftschichten angehoben wird.
Dabei kühlt er sich ab, und da kalte Luft weniger Feuchtigkeit enthalten kann
als warme, fällt diese dann als Niederschlag - je nach Temperatur fest oder
flüssig- aus. Da der Wirbel in den nächsten Tagen voraussichtlich Einfluss auf
das Wetter in Europa nehmen würde, tauften die Meteorologen der Berliner
Wetterkarte (BWK) diesen in der Analyse auf den Namen YVONNE, unter dem er
fortan in Wetterkarten und Wetterberichten geführt wurde.
Am 13.07.
befand sich Tief YVONNE mit einer ausgeprägten Okklusionsfront zwischen Irland
und Island. Der Okklusionspunkt der Front - also der Punkt, an dem die
Kaltfront die Warmfront eingeholt hat – lag über Cape Wrath
in den schottischen Highlands. Das Kap stellt den nordwestlichsten Punkt
Großbritanniens dar. Der Name stammt vom altnordischen Wort für „Umkehrpunkt“,
welcher so hieß, weil dort Wikinger oft in ihre Heimat umkehrten. Ausgehend vom
Okklusionspunkt erstreckte sich die Warmfront von Edinburgh über die Westküste
Wales und Englands und die Kaltfront über weite Teile Schottlands und Irlands.
Im Laufe des Tages wanderte die Zyklone weiter ostwärts in Richtung Norwegen.
Bis 02 Uhr
MESZ des 14.07. zog Tiefdruckwirbel YVONNE vor die westliche Küste Norwegens.
Der Okklusionspunkt der Front lag über dem Rogaland
und die Kaltfront der Zyklone zog im Tagesverlauf auf Nordwestdeutschland zu. Mit
der Front kam auch ein Regengebiet, das bis zum Abend Niederschlagsmengen von
ca. 10 mm nach Schleswig-Holstein brachte. So meldete die Station Hattstedt bis 20 Uhr MESZ eine 12-stündige Niederschlagsmenge
von 9,8 mm. Auch weiter im Westen fielen zum Teil beachtliche Regensummen - die
Seenahe Station Koksijde
nahe der Grenze zu Frankreich meldete im selben Zeitraum sogar 57 mm
Niederschlag. Dahingegen erreichten Gegenden, die weiter im Süden lagen mit Mengen
um 1 mm deutlich weniger.
Am
15.07. wurde der Kern der Zyklone über dem Skagerrak zwischen der Nordküste
Jütlands und der Südküste Norwegens lokalisiert und auf der 02 Uhr MESZ
Bodenwetterkarte der BWK zeichneten die Meteorologen eine lange Kaltfront über
den Nordwesten Deutschlands, die über Frankreich bis zur Biskaya reichte. Vor
dieser Kaltfront entwickelte sich eine Konvergenzlinie, die zwar Charakteristiken
einer Kaltfront aufwies, jedoch das Wetter bis auf einige örtliche Schauer nicht
signifikant beeinflusste. Die Station Ballerstedt in
der Nähe von Stendal meldete aufgrund der Konvergenzlinie 12-stündig
Regenmengen von 6 mm und auch einige andere Ortschaften in der Region zwischen
der Altmark und Vorpommern verzeichneten meist nur geringe Niederschlagsmengen.
Signifikanter waren dahingegen die Temperaturunterschiede zwischen dem
Nordwesten und dem Osten Deutschlands. So verbuchte Hamburg im Nordwesten, und
damit im Einflussbereich des Tiefs YVONNE, um 16 Uhr MESZ eine Temperatur von
18◦C, und Meppen sogar nur 14◦C, während
weiter im Osten, im Einflussbereich der Antizyklone YOANN, mit 28◦C
im Berliner Raum deutlich höhere Temperaturen gemessen wurden. Die Kaltfront
des Wirbels YVONNE zog im weiteren Tagesverlauf über Deutschland und brachte
dabei schauerartigen Regen und Gewitter mit sich. Über Nacht bildete sich
hinter der Front teilweise auch Nebel. Die größten Niederschlagsmengen
registrierte die Station Inn-Reisach in Bayern mit 38
mm über 24 Stunden über Nacht und auch in Grönigen
in Sachsen-Anhalt kamen ca. 28 mm zusammen. Im Norden und Nordosten fielen mit
18 mm in Braunlage in Niedersachsen und 17 mm in Demmin
in Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise geringere Mengen und im Nordwesten
Deutschlands meldeten mehrere Stationen gar keinen Niederschlag. Altenstadt in Bayern
erreichte zudem noch starke Böen. Diese Station meldete Böen bis zu 69 km/h,
was auf der Beaufort Skala stürmischen Böen der Stärke 8 entspricht.
Bis zum
Morgen des 16.07. war die Kaltfront des Tiefdruckgebietes YVONNE über
Deutschland hinweggezogen und verlagerte sich auf der 02 Uhr MESZ
Bodenwetterkarte der BWK etwa von Warschau über Wien, die Alpen bis kurz vor
Marseille in Frankreich. Deutschland lag an diesem Tag in einem schwachen
westlichen bis nördlichen Luftstrom zwischen Tief YVONNE, dessen Kern noch über
demselben Gebiet wie am Vortag lag, und Hoch ZEBEDÄUS vor der Biskaya sowie in
höheren Schichten im Einflussgebiet eines Kaltlufttropfens, allgemeiner auch
Höhentief genannt. Ein Höhentief ist ein Tiefdruckgebiet, das nur auf
Höhenwetterkarten, nicht aber auf Bodenwetterkarten sichtbar ist. Es entsteht,
wenn kalte Luft aus großer Höhe absinkt, wodurch in Schichten die weiter oben
liegen der Luftdruck vermindert ist, während er am Boden verstärkt ist. Höhentiefs
zeichnen sich durch niedrige Temperaturen im Vergleich zur Umgebung aus und
können einen signifikanten Einfluss auf das Wetter haben. Kaltlufttropfen sind
Höhentiefs in der oberen Troposphäre, also auf bis zu 15 km Höhe in den
mittleren Breitengraden. Die Troposphäre ist die unterste Schicht der
Erdatmosphäre und reicht vom Erdboden bis in etwa 8 km Höhe an den Polen und
bis 18 km am Äquator. In ihr spielt sich der Großteil unseres Wetters ab. Dieses
Höhentief war recht wetterwirksam und brachte stärkere Schauer und Gewitter in
den Osten Deutschlands. Im Süden Deutschlands fiel dagegen meist lang
anhaltender Regen, der deutschlandweit für die größten Niederschlagsmengen des
Tages sorgte. So meldete Aschau-Stein in Bayern über 24 Stunden bis zum nächsten
Morgen fast 70 mm Regen und in Baden-Württemberg fielen mit 50 mm
in Baiersbronn-Ruhestein
vergleichbare Mengen. Insgesamt war damit dieser Tag, wie auch der vorige Tag,
in vielen Gegenden nass, trüb und kühl.
Am
17.07. lag die Zyklone YVONNE auf der 02 Uhr MESZ Bodenwetterkarte der BWK vor
der Küste Jūrmalas in Lettland
und der Kaltlufttropfen befand sich auf der 500 hPa Höhenwetterkarte etwas nach
Süden verschoben darüber. Im weiteren Tagesverlauf zog das Tief südwärts, wobei
im Einflussgebiet meist wechselhaftes und kühles Wetter mit starken lokalen
Variationen herrschte. So maß Lunz im Osten Österreichs 12-stündig bis 20 Uhr
MESZ 29 mm Regen bei maximal 15°C, während etwas weiter
östlich in Eisenstadt die Regenmengen im nicht messbaren Bereich blieben und
die Temperatur dort auf 22°C stieg. Auch in Belgrad gab es örtlich
starke Unterschiede. So meldete die Station Surčin
12-stündig bis zum nächsten Morgen 60 mm Niederschlag, während am Flughafen
Belgrad über 24 Stunden mit nur 15 mm weniger fiel als an der Station
12-stündig. Auch die Temperaturunterschiede waren teils beachtlich. So stieg
die Temperatur in Rumänien vielerorts auf über 30◦C, während
sie in Surčin nur 22°C betrug.
Letztmalig
tauchte Tiefdruckwirbel YVONNE am 18.07. auf den Bodenwetterkarten der BWK auf.
Um 02 Uhr MESZ lag die Zyklone über der Grenze zwischen Bulgarien und Rumänien,
wo sie sich im Tagesverlauf auflöste und nur noch eine schwache Okklusionsfront
zurück ließ.