Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet YVO

(getauft am 30.04.2015)

 

Am Morgen des 29.04.2015 bildete sich östlich von Neufundland am Rande eines schon stark gealterten Tiefdruckwirbels ein kleines Randtief, an dessen Tiefdruckzentrum eine bis Neufundland reichende und sich südwärts verlagernde Okklusionsfront gebunden war. In Richtung Südosten wurde eine zweite Okklusion identifiziert, welche sich weiter südöstlich in eine kurze Kaltfront und eine bis zu den Azoren reichende Warmfront aufteilte. Unter dem Begriff Okklusion bzw. Okklusionsfront versteht man in der Meteorologie die Ausbildung einer Mischfront aus Warm- und Kaltfront. Diese entsteht, wenn die in einem Tiefdruckgebiet nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorangehende Warmfront einholt und es aufgrund dessen zu einer Vermischung beider Frontenarten kommt. Der Punkt, an dem Warm- und Kaltfront auf einander treffen, nennt sich Okklusionspunkt. Im Tagesverlauf des 29. April zog das Tief mit geringer Zuggeschwindigkeit weiter ostwärts, wobei die nach Westen reichende Okklusion quasi stationär verblieb.

Bis 01 Uhr MEZ des 30.04. hatte sich das Zentrum, in dem ein Luftdruck von etwas über 990 hPa herrschte, ca. 100 km in Richtung Osten verlagert und wurde von der Berliner Wetterkarte auf den Namen YVO getauft. Die nach Osten reichende Okklusion mit der vom Okklusionspunkt ausgehenden Warm- und Kaltfront hatten sich in ihrer Ausdehnung kaum verändert, lediglich waren sie weiter in Richtung europäisches Festland gezogen. Vor der Warmfront hatte sich zusätzlich eine zweite, ca. 3000 km lange Warmfront ausgebildet. Rückseitig des Zentrums von Tief YVO bildete sich zudem ein zweites Tiefdruckzentrum aus, von dem eine nordostwärts gerichtete Okklusion ausging, welche weiter östlich in eine sich nach Westen erstreckende Kaltfront überging. In beiden Tiefdruckzentren herrschte zu diesem Zeitpunkt ein Luftdruck von ungefähr 990 hPa. Im Tagesverlauf des 30.04. verlagerte sich der Tiefdruckkomplex des Wirbels YVO ostwärts, wobei der weiter westlich liegende Tiefdruckkern sich verstärkte und der östlich liegende sich leicht abschwächte. In den Vormittagsstunden erreichte die vorgelagerte Warmfront die französische Atlantikküste. Verbreitet setzten Regenfälle ein, welche sich in den darauffolgenden Stunden bis zur Mitte Frankreichs ausbreiteten. Am späten Abend und in der Nacht zog die nachfolgende, zweite Warmfront des östlichen Tiefdruckkerns über das westliche Frankreich und das nördliche Spanien hinweg. Diese Warmfront ging weiter westlich am Okklusionspunkt in eine Okklusion über, welche sich quer über den nördlichen Atlantik erstreckte. Vom Okklusionspunkt ging außerdem eine Kaltfront in Richtung Süden aus. An das zweite Tiefzentrum waren ebenfalls eine Okklusion und eine Kaltfront gebunden.

Bis 07 Uhr MEZ des 01.05. wurden in der französischen Gemeinde Niort 49,4 mm Niederschlag gemessen, in La Roche-Sur-Yon 47,4 mm und an der nordwestspanischen Station Vigo/Peinador 32,8 mm. Bis zum Vormittag war die Warmfront bis über den Süden Deutschlands und den angrenzenden Alpenraum gezogen und sorgte auch dort für länger anhaltende Niederschläge. Zudem traten auf den Gipfeln der Schweizer Alpen verbreitet Sturmböen auf, wie beispielsweise auf dem Säntis, wo Böen bis 112 km/h registriert wurden. Im Tagesverlauf des 01.05.2015 schwächte sich das voran ziehende, östliche Tiefzentrum immer stärker ab, sodass bis zum darauffolgenden Morgen nur noch ein Tiefdruckkern erkennbar war. Dafür bildete sich am Nachmittag des 01.05. am östlichen Rand der Welle ein kleines Randtief über dem Alpenraum mit einem Luftdruck von ca. 1005 hPa aus. Auf der Analysekarte der Berliner Wetterkarte wurde das Tiefdruckgebiet, welches sich über dem Alpenraum gebildet hatte, als Tief YVO II bezeichnet, wodurch der über dem Atlantik liegende, ehemals als Tief YVO bezeichnete Wirbel nachfolgend als YVO I bezeichnet wurde. Die im Bereich des Tiefdruckkomplex YVO auftretenden Niederschlagsgebiete sorgten entlang der Fronten am Abend und in der Nacht auf den 02.05. von Nordspanien bis Süddeutschland für länger anhaltende und zum Teil kräftige Regenfälle. Dabei traten vor allem im Bereich der französisch-schweizer Grenze im Stau der Alpen unwetterartige Niederschlagssummen auf. So wurden auf dem La Dole, einem 1677 m hohen Berggipfel im Schweizer Jura, 99,7 mm Niederschlag bis 07 Uhr MEZ gemessen. Auch in Deutschland traten mit 74,9 mm auf dem Feldberg und 43,6 mm im bayerischen Lechfeld hohe Niederschlagsummen auf.

Der Kerndruck des Tiefs IVO I, welches sich noch über dem Atlantik befand, lag nach wie vor bei ca. 990 hPa. Von diesem Zentrum gingen eine kurze Okklusion nach Westen sowie eine südostwärts gerichtete bis Spanien reichende Warmfront und eine nach Südwesten verlaufende Kaltfront aus. Das Tief YVO II verlagerte sich in der Folgezeit zügig im Bereich der Kaltfront des über Skandinavien liegenden Tiefs XENOPHON II über Österreich und die Slowakei bis nach Weißrussland und entfernte sich so immer weiter vom Tiefdruckwirbel YVO I, welcher lediglich bis vor die irische Küste gezogen war, bis wohin auch die kurze Okklusion vom Kern her reichte. Der Okklusionspunkt befand sich über der irischen Provinz Connacht, von wo aus die Warmfront bis Baden-Württemberg reichte und die Kaltfront nach Süden bis vor die portugiesische Küste. Im Kaltluftsektor wurde zudem noch eine zweite, nachfolgende Kaltfront identifiziert, hinter der postfrontal maritime Arktikluft über den Atlantik geführt wurde.

Bis zum 04.05.2015 um 01 Uhr MEZ hatte sich das Tief YVO II wieder aufgelöst, der Wirbel YVO I, welcher nachfolgend wieder nur als Tief YVO bezeichnet wurde, hatte sich langsam nordwestwärts verlagert. Eine Okklusion reichte von der schottischen Küste über Dänemark bis über den Osten Deutschlands. Dort teilte sie sich in eine bis zum mittleren Balkan reichende Warm- und eine bis Frankreich führende Kaltfront auf. Vom Tiefzentrum, in dem der Luftdruck auf unter 985 hPa gefallen war, reichte eine Kaltfront über Großbritannien bis zur Nordwestspitze der Bretagne, wo sie in die Warmfront des sich vor der iberischen Halbinsel gebildeten Tiefs ZORAN überging. Die 24-stündigen Niederschlagssummen konzentrierten sich wie schon am Vortag vom nordwestlichen Spanien, über die Mitte Frankreichs bis in den westlichen Alpenraum und Süddeutschland. Ein zweiter Bereich hoher Niederschlagssummen war zudem in Irland und dem westlichen Großbritannien zu finden. So fielen innerhalb von 24 Stunden im irischen Roches Point 43,0 mm Niederschlag bis 07 Uhr MEZ, im französischen Nantes 34,7 mm und in Freudenstadt im Schwarzwald 18,8 mm.

In der Folge gelangte das Tief YVO immer stärker in den Einflussbereich des kräftiger werdenden und nach Norden ziehenden Tiefdruckgebiets ZORAN, weshalb das Tiefdruckzentrum quasi stationär verblieb und der Kerndruck von unter 985 hPa sich kaum änderte. Die Okklusion war nach Nordosten bis auf eine Linie von der norwegischen Stadt Trondheim, wo sich ein weiterer unbenannter Kern befand, und weiter bis zur polnisch-ukrainischen Grenze gezogen, die Warmfront hatte sich bis in den Norden der Türkei verlagert und die Kaltfront bis nach Ungarn. Eine zweite Kaltfront zog ostwärts auf Irland zu. Entlang dieser Frontensysteme war es erneut flächendeckend zu stärkeren Niederschlägen gekommen, besonders über Mittel- und Westeuropa. So ist bis zum Morgen des 04.05. in den vorangegangenen 24 Stunden an jeder deutschen Wetterstation Niederschlag registriert worden. Der Schwerpunkt der Niederschläge befand sich im Südwesten Deutschlands, wo verbreitet 10 bis 15 mm gemessen wurden und in der Schweiz, wo auf den Gipfeln bis zu 50 mm Niederschlag fielen. In der schottischen Stadt Eskdalemuir wurden 27,6 mm gemessen.

Aufgrund der schnellen Verlagerung des Tiefs ZORAN nach Norden und dessen immer stärker werdenden Einflusses auf das Tief YVO zog dieses auch weiter nach Nordosten. Die Niederschläge, welche im Bereich der weiter nordwärts ziehenden Okklusion auftraten, schwächten sich immer mehr ab und brachten im Vergleich zu den vorherigen Tagen nur noch geringe Niederschlagssummen. So wurden im schwedischen Kilsbergen-Suttarboda bis 07 Uhr MEZ des 05.05. lediglich 14,9 mm gemessen, in der Hauptstadt der Färöer-Inseln Thorshavn immerhin noch 25,6 mm. In der Folgezeit überquerte das Tief YVO in nordöstliche Richtung mit seinem Zentrum in der Nacht zum 06.05 den Norden Irlands.

Die vom Kern ausgehende und über Nordnorwegen bis Sankt Petersburg reichende Okklusion hatte sich im Bodenniveau so weit abgeschwächt, dass sie nur noch in höheren Luftschichten identifiziert werden konnte, weshalb auch keine signifikanten Niederschlagsmengen mehr in diesen Regionen auftraten. Im weiteren Tagesverlauf des 06.05. schwächte sich der Tiefdruckwirbel YVO immer stärker ab und löste sich in den Nachmittagsstunden endgültig auf.

Das Tiefdruckgebiet YVO war insgesamt 8 Tage auf den Analysekarten der Berliner Wetterkarte auszumachen, wovon der Wirbel YVO knapp 6 Tage das Wettergeschehen in Europa beeinflusste und vor allem im Gebiet der westlichen Alpen für viel Niederschlag sorgte.


 

Geschrieben von Maximilian Steinbach am 27.07.2015

Wetterkarte: 02.05.2015

Pate: Christoph Weissenbäck