Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ZARMINA
(getauft
am 07.11.2018)
In den ersten Novembertagen entstand
über dem mittleren Westen der USA ein neues Tiefdruckgebiet. Genau genommen kam
es um den 05. und 06. November an der Südflanke eines sehr breiten Höhentroges,
also einem Bereich niedrigen Luftdrucks in Höhe der mittleren Troposphäre, über
den Great Plains zu einer Zyklogenese. Das sich entwickelnde Tief wurde mit
einer kräftigen Höhenströmung rasch weiter nordostwärts über die Großen Seen
hinweg in Richtung Nordostkanada gelenkt. Auf den ersten Blick mag es
ungewöhnlich wirken, dass ein mehrere tausend Kilometer entferntes Tief einmal
Einfluss auf das Wetter in Europa haben würde. In der Realität kommt es jedoch
häufiger vor, dass sich Zyklonen über dem Osten des nordamerikanischen
Kontinents oder dem angrenzenden Westatlantik bilden und mit der westlichen
Höhenströmung in Richtung Europa ziehen. So prognostizierten es auch dieses Mal
verschiedene Wettermodelle, wie zum Beispiel das amerikanische Globalmodell GFS.
Folglich wurde das gerade entstandene Tief am 07. November in der Prognose für
den Folgetag auf den Namen ZARMINA getauft.
Erstmals im Ausschnitt der Berliner
Wetterkarte analysiert werden konnte das Tief ZARMINA in der Nacht zum 08.
November über der Labrador-Halbinsel. Hier lag der niedrigste Luftdruck um 00
UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, bei knapp unter 990 hPa. Ausläufer des Wirbels
in Form der Warmfront spannten sich in südöstliche Richtungen über die
Labradorsee bis zum Neufundland-Becken, die Kaltfront dagegen verlief südwärts
etwa parallel zur nordamerikanischen Ostküste bis zur Sargassosee. Unter
weiterer Verstärkung zog das Tief in den folgenden 48 Stunden rasch über den
Nordatlantik in Richtung der Britischen Inseln. Dabei nahm es das vorhergehende
Tief YAPRAK, welches sich zu diesem Zeitpunkt über dem Nordostatlantik befand,
in seine Zirkulation mit auf.
Einfluss auf das Wettergeschehen
Europas hatte das Tief ZARMINA, das sich um 00 Uhr UTC des 09. November mit
knapp 975 hPa Kerndruck westlich von Irland und südlich von Island befand, im Verlauf
dieses Tages, als vom Atlantik kräftige Regenschauer über den Britischen
Inseln, Nordwestfrankreich und der Iberischen Halbinsel aufzogen. Diese standen
in Zusammenhang mit dem okkludierenden Frontensystem der Zyklone und brachten
etwa in Dublin zwischen 06 und 18 Uhr UTC 15 l/m², im französischen Brest 18
l/m² und im galizischen A Coruña 12 l/m². Im spanischen Wallfahrtsort Santiago
de Compostela waren es gar 28 l/m² in 12 Stunden.
Einhergehend mit den Niederschlägen an der Front frischte auch der Wind kräftig
und böig auf; er erreichte in Böen verbreitet Stärke 7 bis 8, in Küstennähe
wurden auch Sturmböen, vereinzelt nahe der Orkanstärke gemessen. Im irischen
Cork kam es mittags wiederholt zu Sturmböen bis 96 km/h, an der französischen
Atlantikküste wurden auf der Belle-Île sogar schwere
Sturmböen bis 106 km/h registriert.
In der sich anschließenden Nacht
weiteten sich die Niederschlagsfelder rasch auf Frankreich und England aus,
wobei der Regen nicht überall so ergiebig ausfiel. Über weiten Teilen
Frankreichs regnete es meist nur leicht mit 2-3 l/m² zwischen 18 Uhr und 06 Uhr
UTC des Folgetages, über Großbritannien waren es im selben Zeitraum meist
zwischen 5 und 15 l/m². Der Wind blieb weiter kräftig, vor allem an der
französischen und britischen Atlantikküste kam es zu schweren Sturm- oder
orkanartigen Böen. Aber auch weiter im Landesinneren wurden örtlich Sturmböen
gemessen, wie etwa im mittelenglischen Stoke-on-Trent mit bis zu 83 km/h.
Unterdessen befand sich der
Sturmwirbel ZARMINA am Morgen des 10. November mit seinem Zentrum etwa 550 km
nordwestlich von Schottland. Der Luftdruck war im Kern auf mittlerweile unter
965 hPa gefallen, was den Höhepunkt in der Entwicklung der Zyklone darstellte.
Ausläufer in Form einer Okklusion, also einer Mischform aus Warm- und Kaltfront,
spannten sich südwärts über Großbritannien und Westfrankreich bis zum
Okklusionspunkt über der Biskaya. Dort trennten sich die Ausläufer in zwei Fronten,
die in südwestliche Richtungen über die Iberische Halbinsel hinweg zum subtropischen
Atlantik verliefen. Die kürzere Warmfront reichte noch ungefähr bis nach
Madeira, die folgende Kaltfront bis ins Seegebiet der Azoren.
Während das Tief ZARMINA in den
folgenden Tagen mit Kern über dem Nordostatlantik verblieb, drangen die
Ausläufer mit weiterem Regen langsam über Spanien, Frankreich und die Beneluxstaaten
bis nach Deutschland vor und erreichten gleichzeitig auch den Süden
Skandinaviens sowie Island. Aufgrund des schauerartigen Charakters waren die
Regenmengen weiterhin recht unregelmäßig verteilt, meist fielen einige Liter
pro Quadratmeter, punktuell auch mehr als 10 l/m² in 12 Stunden. Ein
Schwerpunkt bildete am 10. November die Saar-Lor-Lux-Region,
in der Luxemburg 15 l/m² meldete; einen anderen bildete Südnorwegen, mit 19
l/m² in Bjørnholt bei Oslo. Auch Island wurde von der
Wolkenspirale des Tiefs erfasst. Nach Analyse des amerikanischen GFS-Modells,
in Ermangelung an Messwerten, lag die Intensität der Regen- und Schneefälle an
der Westküste bei mehr als 10 l/m² in 12 Stunden.
Gleichzeitig wehte der Wind
unverändert kräftig, mit einzelnen Sturmböen im frontalen Bereich.
Beispielsweise wurden in Lyon Böen der Stärke 8 mit 72 km/h, an der
norwegischen Südwestküste in Bergen Stärke 9.
Die Britischen Inseln befanden sich
bereits hinter der Kaltfrontokklusion, im Zustrom subpolarer Meereskaltluft.
Bei Temperaturen um oder etwas über 10°C kam es zu einzelnen Schauern, die
allenfalls punktuell eine mäßige Intensität von mehr als 5 l/m² in 12 Stunden
erreichten.
In der Nacht zum 11. November setzten
sich Niederschläge nicht nur entlang der Fronten, sondern im gesamten
Einflussbereich der Zyklone fort, mit allerdings weiterhin recht
uneinheitlicher Intensität von teils weniger als 1 l/m² bis hin zu über 20 l/m²
innerhalb von 12 Stunden. Über Deutschland, wo es nur im äußersten Osten und
Südosten noch trocken blieb, regnete es vor allem über dem Saarland,
Rheinland-Pfalz und Hessen längere Zeit, sodass Saarbrücken 11 l/m² und der Flughafen
Frankfurt 7 l/m² maß. Dagegen fiel in Hamburg 1 l/m² und weiten Teilen
Niedersachsens kaum Niederschlag, wie in Hannover mit 0,7 l/m².
Unterdessen schwächte sich die
Zyklone am 11. November immer mehr über dem Atlantik ab. Mehr noch, die
Ausläufer des Tiefs über Westeuropa und dem westlichen Mitteleuropa kamen nur
noch zögerlich voran und verwellten. Hierdurch nahm
die Niederschlagsintensität insgesamt ab.
Über den Beneluxstaaten und
Deutschland fielen noch zwischen wenigen Zehnteln und einigen Litern pro
Quadratmeter, etwa in Berlin und Essen jeweils 2 l/m², in Amsterdam und
Frankfurt 4 l/m², oder in Brüssel 9 l/m². Über Frankreich hatte der Regen sogar
vielerorts nachgelassen. Nur noch gebietsweise, wie etwa über dem Pariser Raum,
wurden mit 6 l/m² in 12 Stunden nennenswerte Mengen verzeichnet. Nach wie vor
kräftig und verbreitet blieben die Niederschläge über Skandinavien, die sich
von Norwegen allmählich auch auf Schweden und Finnland ausbreiteten. Da auf der
Vorderseite des Tiefs ZARMINA verhältnismäßig milde Luft weit nordwärts bis
nach Lappland vordrang, bzw. schon vorgedrungen war, fielen die Niederschläge
hier durchweg als Regen. Dabei wurden in Kopenhagen 5 l/m², in Göteborg 8 l/m²,
in Lillehammer 10 l/m² und in Kongsberg,
nördlich von Oslo, 27 l/m² zwischen 06 und 18 UTC registriert. Mit der
Abschwächung des Tiefs ließ auch der Wind spürbar nach, lediglich entlang der
Nord- und Ostseeküste sowie der britischen Küste wehte noch ein frischer und
böiger Wind, mit einzelnen starken bis stürmischen Böen.
Nachts änderte sich an dieser
Konstellation wenig: Weiterer Regen zwischen Benelux, Nordwestdeutschland und
Dänemark, mit Intensitäten von 2-5 l/m² in 12 Stunden, etwas kräftigere
Niederschläge mit teils zweistelligen Regenraten über der Südhälfte
Skandinaviens, bspw. 12 l/m² in Oslo, sowie einzelne kräftige Schauer mit mehr
als 10 l/m² in Küstennähe über den Britischen Inseln.
Um 00 Uhr UTC des 12. November lag
das Zentrum von Tief ZARMINA etwa 400 bis 500 km westlich der irischen Küste.
Nach Analyse des britischen Wetterdienstes MetOffice
betrug der Luftdruck hier um 06 Uhr UTC 985 hPa, allerdings mit weiter
steigender Tendenz. Im Bereich der wellenden Front über Westeuropa hatte sich
in der Nacht über der Biskaya ein sogenanntes Wellentief gebildet, welches sich
in den folgenden Stunden zu einem eigenständigen Druckgebiet entwickelte und
den südlichen Abschnitt der Ausläufer mehr und mehr in seine Zirkulation mit
aufnahm. Der nördliche Teil der Ausläufer in Form einer Okklusion hingegen war
noch mit dem Kern des Tiefs ZARMINA verknüpft und spannte sich zu diesem
Zeitpunkt über das Nordmeer bis nach Südskandinavien. Während das Wellentief
mit neuen Niederschlagsfeldern im Tagesverlauf über Frankreich, Benelux und
Norddeutschland Richtung Ostsee zog, ließen die frontalen Niederschläge, die
direkt mit dem Tief ZARMINA verbunden waren, auch über Skandinavien allmählich
nach. Genauer zogen sie mehr und mehr in Richtung Finnland sowie ins mittlere
und nördliche Schweden und Norwegen zurück. Die Intensität lag meist bei 2 bis
5 l/m² in 12 Stunden; so fielen etwa in Bergen 5 l/m², in Tromsø
2 l/m², in Trondheim 3 l/m² und in Helsinki 5 l/m². Auch über den Britischen
Inseln, in Nähe zum Tiefdruckzentrum, kam es wie an den vorangegangenen Tagen
zu Regenschauern, die etwa in Carlisle 8 l/m², in
Dublin 4 l/m², im Londoner St. James’s Park 7 l/m²
und in Valley, in Nordwestwales, 15 l/m² in selbiger Messperiode brachten. Der
Wind spielte mit fortschreitender Abschwächung des Tiefs kaum eine Rolle mehr.
Lediglich südlich des Tiefdruckkerns über England und Wales und auch hier nur
an küstennahen oder exponierten Stellen erreichte der Wind noch Sturmstärke, so
wehte er im walisischen Capel Curig nachmittags mit
bis zu 89 km/h.
In den Frühstunden des 13. November
konnte das Tief ZARMINA letztmalig auf der Bodendruckkarte der Berliner
Wetterkarte analysiert werden. Das Zentrum befand sich zu diesem Zeitpunkt über
Schottland, mit einem Luftdruck von noch etwas unter 1000 hPa. Der Einfluss der
Zyklone reichte in etwa noch von Island über die Britischen Inseln bis nach
Südnorwegen. In den folgenden Stunden näherte sich vom Atlantik unter rascher
Verstärkung ein neuer Tiefdruckkomplex West- und Nordeuropa. Dieser nahm
schließlich Tief ZARMINA in seine Zirkulation mit auf. Die daraus wachsende
Zyklone BÄRBEL sollte in den folgenden Tagen für eine Fortsetzung des
wechselhaften, gebietsweise auch milden Wetters über Teilen West- und
Mitteleuropas bis nach Skandinavien sorgen.