Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ZEHRA
(getauft am 22.02.2020)
Am 22. Februar 2020 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem Nordatlantik in der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den nächsten
Tag auf den Namen ZEHRA getauft.
Das Tiefdruckgebiet ZEHRA bildete sich am 23.
Februar erwartungsgemäß als Wellentief an einer Luftmassengrenze, die sich, vom
Tief YULIA westlich von Irland ausgehend, in westsüdwestlicher Richtung über
den Atlantik zog und südöstlich von Bermuda über den von der Berliner Wetterkarte
abgedeckten Bereich hinaus erstreckte. Das Zentrum der Zyklone ZEHRA lag mit
einem Kerndruck von unter 1010 hPa etwa zwischen dem zu Kanada gehörenden
Neufundland und der portugiesischen Inselgruppe der Azoren. Nach Osten bis
Nordosten erstreckte sich vom Tief ZEHRA eine Warmfront, die ungefähr 800 km
nördlich der Azoren in die Kaltfront des Tiefdruckgebietes YULIA überging. Vom
Kern des Wirbels ZEHRA verlief die erwähnte Luftmassengrenze als Kaltfront bis
etwa 1200 km südöstlich von Neufundland und ähnlich weit östlich von Bermuda
entfernt, ehe sie sich als Warmfront eines rund 800 km ostsüdöstlich von
Bermuda gelegenen, unbenannten Tiefs fortsetzte. Die zum Tiefdruckgebiet ZEHRA
gehörenden Wolken und Niederschlagsgebiete zogen im Tagesverlauf über das westliche
Europa und brachten in der Nacht zum Folgetag besonders auf den Britischen
Inseln Regen, gebietsweise Schnee. Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum
Morgen des 24. Februar sind wegen des vorlaufenden Tiefs YULIA für die
Beurteilung der Wetterwirksamkeit des Tiefdruckgebietes ZEHRA wenig
aussagekräftig. Eher trifft dies für die Summen des Niederschlages der letzten
zwölf Stunden zu. Aus dem walisischen Capel Curig wurden 21 l/m² gemeldet, die
nordirischen Wetterstationen Thomastown, Glenanne und Murlough kamen jeweils
auf 16 l/m² und in Mace Head in Irland fielen 24 l/m² Regen.
Mittlerweile hatte sich das Tiefdruckgebiet ZEHRA
weit in ostnordöstlicher Richtung bewegt und nun, am 24.02. um 01 Uhr MEZ, lag
das Zentrum mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa ungefähr 500 km westlich der
irischen Westküste. In östlicher bis südöstlicher Richtung zog sich eine
Warmfront über den Süden Irlands und den Südwesten Großbritanniens sowie den
westlichen Ärmelkanal bis nach Frankreich, wo sie nördlich der Hauptstadt Paris
in die Kaltfront des Tiefs YULIA überging, das mit seinem Kern über dem
polnisch-ukrainischen Grenzgebiet lag. Außerdem ging vom Zentrum des Wirbels
ZEHRA eine Kaltfront aus, die in südwestlicher bis westsüdwestlicher Richtung
bis etwa 600 km nordwestlich der Azoren analysiert wurde, wo sie in die
Warmfront des gleichen unbenannten Tiefs wie am Vortag überging. Südlich der
Zyklone ZEHRA spannte sich zwischen der Warm- und der Kaltfront der Warmsektor
auf, in dem die Isobaren, also die Linien gleichen Luftdruckes eine
Westsüdwest-Ostnordost-Ausrichtung zeigten. Gemäß der daraus folgenden
Bewegungsrichtung, nämlich ungefähr nach Ostnordost, verlagerte sich das Tief
ZEHRA weiter. Mittags wurde das Zentrum des Tiefdruckgebietes ZEHRA auf der Mitteleuropakarte
der Berliner Wetterkarte über dem nördlichen England bzw. dem südlichen
Schottland bestimmt. Von dort zog sich eine kurze Okklusionsfront, also eine
Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, nach Südosten bis zum
Okklusionspunkt über der westlichen Nordsee, etwa 100 km von der englischen Ostküste
entfernt. Dort zogen sich eine Warmfront und eine Kaltfront wie bei einem
Reißverschluss zusammen. Die Warmfront verlief in südöstlicher Richtung über
die Nordsee, überquerte die Niederlande sowie den Westen und Südwesten
Deutschlands bis zum Bodensee, um über Vorarlberg im Westen Österreichs mehr
nach Osten zu schwenken und in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs mit
Zentrum über Südtirol überzugehen. Die vom Okklusionspunkt des Tiefdruckgebietes
ZEHRA ausgehende Kaltfront zog sich in südwestlicher Richtung über die Nordsee
bis zur ostenglischen Bucht The Wash und weiter über das Festland. Es gab
weiteren, teils länger andauernden Niederschlag im Zusammenhang mit dem Tief
ZEHRA in West- und teils auch Mitteleuropa, der meist als Regen fiel.
Nachmittags und abends schneite es vor allem von der ostfriesischen
Nordseeküste bis nach Mecklenburg. Entlang der Küste von der Normandie bis nach
Borkum wurden Sturmböen registriert. Morgens schneite es gebietsweise vor allem
in Südskandinavien und in der westlichen Ukraine, während der Niederschlag von
Polen über die Mitte und den Norden Deutschlands bis zur Nordsee meist in
flüssiger Form, also als Regen, teils schauerartig verstärkt, teils als
Sprühregen fiel. Die 24-stündigen Mengen bis zum Morgen des 25. Februar waren
auf den Britischen Inseln, genauer in Capel Curig mit 39 l/m², und im Norden
Deutschlands, hier kamen bis zu 25 l/m² in Braunlage im niedersächsischen Teil
des Harzes zusammen, am höchsten. Aus Eelde in den Niederlanden wurden 22 l/m²
gemeldet und die französische Wetterstation Saint-Segal in der Bretagne kam auf
13 l/m².
Am 25.02. lag das Tiefdruckgebiet ZEHRA mit seinem
Zentrum über der zentralen Nordsee. Der Kerndruck hatte sich weiter auf unter
985 hPa vertieft. Vom Tief ZEHRA verlief in ostsüdöstlicher Richtung eine
Okklusionsfront bis ins dänische Jütland, wo sich der Okklusionspunkt befand.
Von dort war einerseits eine Warmfront zu sehen, die über die Ostsee, den
äußersten Nordosten Deutschlands, Südwestpolen und die Slowakei bis nach Ungarn
verlief und über dem nordwestlichen Balkan in eine Kaltfront überging, die zum
Tiefdrucksystem YULIA über der östlichen Ukraine gehörte. Andererseits zweigte
am Okklusionspunkt des Tiefs ZEHRA eine Kaltfront ab, die über Nord- und
Nordwestdeutschland, die Niederlande, Belgien und den Norden Frankreichs zur
Biskaya reichte und ihren Weg über das Meer knapp nordwestlich der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel bis ungefähr 300 km nördlich der Azoren
fortsetzte, wo sie in die Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes mit
Zentrum südlich von Neufundland und ostnordöstlich von Bermuda überging.
Vormittags erreichte der Wind in Hörnum auf Sylt in Böen Orkanstärke bis 119
km/h. Mittags zeigte die entsprechende Mitteleuropakarte der Berliner
Wetterkarte, dass sich das Tief ZEHRA mit seinem Kern zum dänischen Festland,
also Jütland, verlagert hatte, und dass die zuvor beschriebene Kaltfront nun
leicht verwellt von Nordost nach Südwest über Mitteleuropa lag. Sie verlief im
abgebildeten Kartenausschnitt vom nordöstlichen Polen nach Westen bis
Südwesten, erreichte den Osten Brandenburgs, um Berlin südöstlich zu passieren
und über den Unterharz, den Thüringer Wald und den südlichen Oberrheingraben
ins nordöstliche bis zentrale Frankreich zu führen. Nachmittags kam es
besonders an Nord- und Ostsee weiterhin zu teils schweren Sturmböen. Vereinzelt
traten an der Ostsee, wie in Glücksburg-Meierwik, und an der Nordsee in Hörnum
auf Sylt orkanartige Böen auf. Neben Regenschauern wurden vor allem in
Norddeutschland auch Graupel und Gewitter beobachtet. Im Warmsektor des
Tiefdruckgebietes ZEHRA erreichte die Temperatur in Bitterfeld-Wolfen in
Sachsen-Anhalt 13°C. Mit Durchzug der Kaltfront ging nachts der Niederschlag besonders
im Süden und Westen Deutschlands von Regen in Schnee über. Am Morgen des
Folgetages wurden vom Kahlen Asten im Rothaargebirge 12 cm Neuschnee gemeldet,
ebensoviel wie von der Wetterstation Schmücke im Thüringer Wald. Auf dem
Brocken im Harz gab es 7 cm Neuschnee. Im Tiefland wurde vor allem aus
Nordrhein-Westfalen aus einigen Regionen eine Schneedecke gemeldet. Die höchste
24-stündige Niederschlagsmenge verzeichnete das baden-württembergische
Baiersbronn-Mitteltal mit 32 l/m². Im südschwedischen Växjö kamen 26 l/m²
zusammen.
Auf der Bodenwetterkarte des 26.02. lag das
Tiefdruckgebiet ZEHRA mit einem im Vergleich zum Vortag nahezu unveränderten
Kerndruck über Südschweden. Eine von dort ausgehende Okklusionsfront beschrieb
einen Bogen über die Ostsee inklusive des Rigaischen Meerbusens nach Lettland,
um in der Gegend der Grenze von Litauen zu Weißrussland am Okklusionspunkt zu
enden. Von dort führte zum einen eine Warmfront über Weißrussland und die
Ukraine bis nahe der nordwestlichen Schwarzmeerküste in der Nähe der Grenzen zu
Moldawien und Rumänien knapp nördlich der Donaumündung. Zum anderen verlief vom
Okklusionspunkt des Tiefs ZEHRA eine Kaltfront nach Süden bis Südwesten über
Polen, die Slowakei, Österreich sowie die Ostalpen nach Norditalien, um das
Mittelmeer vom Golf von Genua bis zur ostspanischen Küste zu überqueren, über
dem Süden Spaniens mehr auf West zu drehen und ungefähr 500 km nördlich der zu
Portugal gehörenden Inselgruppe Madeira in eine Warmfront des Tiefdruckgebietes
BIANCA überzugehen, das südsüdöstlich der Südspitze Grönlands und östlich von
Neufundland lag. Vormittags regnete es in Norddeutschland, während in der Mitte
und im Süden des Landes häufiger Schneefall gemeldet wurde. In Berlin gab es
Schneeregen, an der Wetterstation Berlin-Dahlem, der Heimat der Berliner
Wetterkarte zwischenzeitlich auch Schnee. Mittags wurden an den
brandenburgischen Wetterstationen Schönefeld und Potsdam immerhin Schneeflecken
festgestellt. Auf der Mittagskarte der Berliner Wetterkarte ist zu sehen, dass
vom nun über der Ostsee nördlich der polnischen Stadt Danzig liegenden Tief
ZEHRA eine Okklusion ausging, die entlang der polnischen Küste, über die
Pommersche Bucht in den Norden von Mecklenburg-Vorpommern und bis in die
dänische Südsee zum Grenzgebiet zwischen Schleswig-Holstein und dem dänischen
Jütland verlief. Vielerorts wurde in Deutschland eine leicht positive
Höchsttemperatur erreicht, so dass der Schnee meist nicht lange liegenblieb. Im
estnischen Virtsu kamen bis zum Abend in 12 Stunden 28 l/m² Niederschlag
zusammen. Von der schwedischen Insel Gotska Sandön in der Ostsee nördlich der
Insel Gotland wurden im gleichen Zeitraum 9 l/m² gemeldet. Bis zum Morgen des
Folgetages fielen 12-stündig in Gulbene in Lettland 14 l/m².
Am 27. Februar war das Tiefdruckgebiet ZEHRA zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es lag mit einem Kerndruck von unter 990 hPa an der Ostseeküste des südlichen
Baltikums im Westen Litauens und Lettlands. Bei der schwedischen Ostseeinsel
Gotland begann die Okklusionsfront, die sich um das Zentrum des Tiefs ZEHRA im
Uhrzeigersinn zunächst nach Norden, danach mehr nach Nordosten bis Osten zog
und über Estland bis in den Nordwesten Russlands führte, wo sie in die
Kaltfront eines unbenannten Tiefdrucksystems über dem europäischen Norden des
Landes überging.