Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ZELIO
(getauft am 18.12.2019)
In der ersten Dezemberhälfte 2020 wurde die
Großwetterlage in Europa durch einen beständigen Trog über Westeuropa geprägt, somit
durch ein großräumiges Höhentief. Am Boden wurde dieses durch den umfangreichen
Tiefdruckkomplex YADID untermauert. Am 18.12. wurde die Entwicklung eines
Randtiefs von YADID über der Keltischen See prognostiziert und dieses wurde in
Prognose für den Folgetag auf den alphabetisch folgenden Namen ZELIO getauft.
Auf einer Analysekarte war der Name jedoch erst zwei Tage
später zu sehen, und auch erst als Bezeichnung für eine der ursprünglich
benannten Welle nachfolgenden Druckvertiefung. Diese Zyklone lag um 00 Uhr UTC
(01 Uhr MEZ) am 20.12. mittig über der Bucht von Biskaya, mit einem Kerndruck
von rund 985 hPa, und von ihr gingen zwei Fronten aus: eine Warmfront nach
Nordosten, die Brüssel passierte und über der Nordsee in eine Kaltfront
überging, und eine Kaltfront Richtung Südsüdwesten, die nach Zwischenstationen
in Madrid und der Algarve über dem östlichen Atlantik in eine Warmfront
überging. Zwischen dem Kern von Tief ZELIO und dem üblichen Hoch über der
Sahara hatte sich ein Druckunterschied von etwa 20 hPa aufgebaut, und da in der
Atmosphäre die aus solchen Gradienten entstehenden Ausgleichskräfte im
Zusammenspiel mit der Erdrotation für Wind verantwortlich sind, wurden
besonders im Norden der Iberischen Halbinsel in der Nacht auf den 20.12.
Sturmböen gemessen. Im Skigebiet Navacerrada nahe
Madrid wurde eine maximale Windgeschwindigkeit von 124 km/h gemessen, aber auch
in den weniger exponiert gelegenen Städten Burgos, Tarbes
und Perpignan wurden Messwerte um 100 km/h, Windstärke 10, erreicht. Durch die
Anströmung von feuchter Meeresluft kam es dabei auch besonders in der als
trocken bekannten Westhälfte Spaniens zu erheblichen Regenmengen. In nur 12
Stunden bis 07 Uhr MEZ wurden am Gebirgspass Puerto del Pico in der Sierra de Gredos unglaubliche 130 mm Regen gemessen, aber auch in
einer Großstadt wie Sevilla fielen rund 40 mm Regen im gleich Zeitraum – das
entspricht etwa der Hälfte des dort in einem durchschnittlichen Dezember fallenden
Regens. Weiter im Osten des Landes hielt sich die trockene Subtropenluft, bei
einer nächtlichen Minimaltemperatur von fast 16°C fiel in Palma de Mallorca
kein Regen.
In den folgenden Stunden bewegte sich die flache Welle
entsprechend der geringen geographischen Ausbreitung recht zügig nach Norden
und lag um 12 Uhr UTC bereits über der westlichen Nordsee, nahe Kingston upon
Hull. Der Kerndruck war zwischenzeitlich auf 974 hPa gesunken. In der Folge
beschränkten sich die stärksten Böen weitgehend auf das Hochgebirge (wo jedoch
zum Beispiel in Gütsch ob Andermatt bis zu 193 km/h
gemessen wurden), aber auch in Lyon sowie Dijon wurden Böen jenseits der 90
km/h registriert. Während es im Westen Frankreichs nach dem Kaltfrontdurchgang
in der Nacht aufklarte und zum Beispiel in Caen für Dezember beachtliche 6
Sonnenstunden zusammenkamen, wurden weiter östlich durch Staueffekte bedingt im
Jura bis zu 40 mm Niederschlag in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ registriert (dieser
Wert stammt von der Radarstation La Dôle bei Genf).
Weitere Niederschlagsschwerpunkte lagen zeitgleich im Tessin (maximal 63 mm),
in Ligurien (max. 101 mm) sowie in Rheinland-Pfalz (inklusive
dem Saarland) und in Ostengland (jeweils max. 20 mm).
Im Laufe der Nacht überquerte die Kaltfront von Tief
ZELIO dann auch Deutschland, brachte dabei aber im internationalen Vergleich
nichtige Niederschlagssummen unter 10 mm 12-stündig mit sich. Auch ein
signifikanter Temperaturabfall war kaum zu bemerken. Das Tiefdruckzentrum
selbst lag am 21.12. um 00 Uhr UTC mit unter 970 hPa vor der schottischen
Ostküste und hatte sich somit dem Tief YADID auf wenige 100 km angenähert. Die
Kaltfront erstreckte sich derweil über Südnorwegen, Dänemark und Berlin bis an
die Ostalpen, die die Front dann auch unterbrachen. Hinter der Kaltfront war
zudem auch noch eine Okklusionsfront entstanden – grob gesagt eine Mischung aus
Warm- und Kaltfront – die jedoch außer der Nordsee kein Land berührte. Da bei
einer südlichen Strömung im Süden Norwegens viel feuchte Luft auf hohe Berge traf,
ist es wenig verwunderlich, dass es dort in der Nacht zu deutlich mehr
Niederschlag kam. Der Küstenort Landvik gewann das
virtuelle Wettrennen um die höchste 12-stündige Regenmenge mit 26 mm bis 07 Uhr
MEZ. Aus einer Verwellung im Bereich der Okklusionsfront
entstand im Tagesverlauf ein eigenständiges Tiefdruckgebiet, das jedoch mangels
Wetterwirksamkeit für Zentraleuropa von der Berliner Wetterkarte nicht benannt
wurde. Der Kern von Tief ZELIO verstärkte sich noch ein wenig und vereinigte
sich folglich unter Beibehaltung des eigenen Namens mit Tief YADID. Bei einer
Lage deutlich nördlich des Jetstreams war der Tiefdruckkern
jedoch relativ stationär im Bereich nördlich der Britischen Inseln. Abgesehen
von der Ostküste Islands, die in einer starken östlichen Strömung beständigen
Regen, Schneeregen und Schnee registrierte, mit maximal 74,3 mm in Neskaupstaður in 24 Stunden bis 06 Uhr UTC am 22.12., war
der Einfluss auf das europäische Wetter an diesem Tag gering.
Um 00 Uhr UTC am 22.12. lag das Tief ZELIO südwestlich
der Färöer-Inseln und besaß einen Kerndruck von rund 965 hPa. Aus dem Kern
entsprang eine Okklusionsfront, die nach einer Kurve über das Europäische
Nordmeer Norwegen und Schweden überquerte und im Kern des gestern entstandenen,
unbenannten Randtiefs endete. Auf der Wetterkarte war auch noch eine zweite
Okklusion zu erkennen, ein Überbleibsel von Tief YADID, welches westlich von
Schottland entsprang und in Wellenform Richtung Grönland verlief. Geringe
Niederschlagsmengen in Island, Irland sowie Schottland gingen an diesem Tag auf
das Konto von Tief ZELIO, deutlich kräftiger war allerdings der Regen im
Bereich des nachfolgenden Tiefs AILTON über Südengland, Frankreich und Belgien.
Auch in den folgenden Tagen befand sich das Tief weiter über oder in der Nähe
von Schottland, war aber unter weiterer Abschwächung und Verkleinerung nur noch
für einzelne Schauer, besonders an der schottischen Westküste, verantwortlich.
Innerhalb des gleichen Tiefdruckkomplexes sprang der Name
ZELIO zum 25.12. noch auf ein Tiefdruckgebiet mit einem Luftdruck von knapp
1010 hPa über den Westfjorden, der charakteristischen Halbinsel im Nordwesten
Islands, über. In den darauffolgenden 24 Stunden zog dieses einige 100 km nach
Norden, zwischen Grönland und der zu Norwegen gehörenden Insel Jan Mayen. Am
27.12. wurde der Name schlussendlich nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte
verwendet.