Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ZEUS

(getauft am 28.02.2019)

 

Seit etwa Mitte Februar 2019 bestimmten stets aufeinander folgende Hochdruckwetterlagen mit Antizyklonen namens DORIT, ERIKA und FRAUKE das Wettergeschehen in Deutschland und in großen Teilen Europas. Nur noch selten konnten sich Tiefausläufer in der zweiten Monatshälfte durchsetzen. Bemerkenswert war, dass vor allem nach der Monatsmitte Festlandsluftmassen subtropischen Ursprungs für diese Jahreszeit ungewöhnlich milde Verhältnisse einhergehend mit dem einen oder anderen Temperaturrekord sorgten. So erreichte beispielsweise die Temperatur am 16. Februar an der Station Berlin-Dahlem mit 16,6°C den Februarhöchstwert. Auch die Sonnenscheindauer in der 2. Februarhälfte verbuchte einen Überschuss im Vergleich zum langjährigen Mittel. Dieses, lange Zeit sonnenscheinreiche und milde, Hochdruckwetter kam zum Monatsabschluss bzw. zum Anfang des Märzes zu einem jähen Ende.

Bereits am 24. Februar zog die Zyklone mit deren Warmfront zwischen Washington und Boston in den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Vermutlich irgendwo über der USA oder Kanada entstanden, verlagerte sich das Bodentief mit dem Jetstream nach Osten und nahm Kurs in Richtung Nordatlantik. In den darauffolgenden Tagen zog der Tiefdruckkern von Ottawa über den Sankt-Lorenz-Golf bis vor die Ostküste Neufundlands. Am 28. Februar war dessen Frontensystem bereits bis zu den Azoren voran geschritten. An diesem Tag wurde das Tiefdruckgebilde in der Prognose für den Folgetag auf den Namen ZEUS getauft, da absehbar war, dass es Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa nehmen würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kaltfront die Warmfront schon zu einem großen Teil eingeholt, so dass sich eine Mischfront, als Okklusionsfront bezeichnet, vom Tiefdruckkern, welcher einen Luftdruck von ca. 970 hPa aufwies, erst nach Nordosten und dann nach Südosten über den Nordatlantik bis zum Okklusionspunkt, wo sich Warm- und Kaltfront aufspalteten, hinzog. Aufgrund des starken Druckgradienten stellte sich im Nordosten der USA eine kräftige nördliche Strömung ein, mit der Kaltluft von Kanada nach Süden transportiert werden konnte. So gab es vom Bundesstaat New York bis Neufundland am Morgen des 28. Februars Tiefstwerte von -10 bis -25°C. Noch kälter wurde es im kanadischen Bundestaat Quebec mit bis zu -37°C. Selbst in New York City reichte es für mäßigen Frost mit bis zu -5°C. Zudem gingen Schneefälle mit dem Frost einher, so erhöhte sich die Schneedecke in Boston am Tauftag von 8 auf 15 cm.

Bis zum 1. März positionierte sich der Tiefdruckkern vor die Südspitze Grönlands und wies einen Luftdruck von etwa 975 hPa auf. Derweil hatte sich das Tief in zwei Kerne aufgespalten, die mit ZEUS I und ZEUS II benannt wurden und durch die Okklusionsfront miteinander verbunden waren. Diese spaltete sich im Kern ZEUS II in eine nach Süden verlaufende Kaltfront und eine vorderläufige Warmfront, die durch einen flächenmäßig eher kleinen Warmluftsektor voneinander getrennt waren, auf. Der Warmluftsektor ist als Bereich zwischen Warm- und Kaltfront definiert, in dem mit typischerweise südwestlichem Wind milde Luft herangeführt wird. Die Warmfront streifte dabei bereits um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, den Norden der Britischen Inseln. Der Westen Islands gelangte am Vormittag in den Warmluftsektor von Tief ZEUS. Daher stieg die Temperatur in Reykjavik bis 09 Uhr MEZ auf +8°C. Im Tagesverlauf griff die okkludierte Front von ZEUS II auf Island über und brachte bis 22 Uhr MEZ in Reykjavik 15,8 mm Niederschlag, dabei sank die Temperatur auf 4°C. Auch die Britischen Inseln befanden sich im Warmluftsektor, mit dem maritime Luft der mittleren Breiten herangeführt wurde. Dabei lagen die Höchstwerte bei 8 bis 14°C, am wärmsten wurde es in Dublin mit 15,0°C. Diese Temperaturen sind zwar für Anfang März überdurchschnittlich hoch, aber bereits am 26. Februar war in London die Temperatur auf 21,2°C gestiegen. Dies stellte die höchste jemals im Winter gemessene Temperatur in Großbritannien dar. Im Laufe des Tages holte die Kaltfront die langsamer ziehende Warmfront zunehmend ein, so dass die Okklusionsfront besonders den Westen der Britischen Inseln beeinflusste. Verbreitet fielen bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC 24-stündig von Schottland über Wales, Südwestengland und Irland 5 bis 16 mm Regen wie beispielsweise 5,2 mm in Plymouth, 8,2 mm in Capel Curig in Wales und 16,5 mm auf der irischen Sherkin Island in der Keltischen See. Auch der Nordwesten Frankreichs wurde von den Niederschlägen der Okklusion erfasst. In der Bretagne fielen dabei 5 bis 11 mm. In Paris konnten ebenfalls geringe Niederschlagssummen von 1 bis 3 mm verzeichnet werden.

Seit dem 12. Februar stellte sich über Mitteleuropa die sogenannte Omegagroßwetterlage ein. Darunter versteht man in der Meteorologie eine Wetterlage, die von einem stabilen Hochdruckgebiet charakterisiert wird, das seinerseits von zwei Höhentiefs, eines westlich und eines östlich davon, flankiert wird. Das so entstandene Druckgebilde erinnert an den griechischen Großbuchstaben Omega. Durch die oftmals lang andauernde, stabile Omegawetterlage kann es zu extremen Wettererscheinungen wie z.B. langanhaltende Wärme- und Trockenperioden kommen. Nicht selten werden bezüglich der Höchst- und Tiefsttemperaturen Rekorde gebrochen. Auch war dieses Muster über Mittel- und Westeuropa vorherrschend. Diese Konstellation wurde dann letztendlich von dem kräftigen Tiefdruckkern von Tief ZEUS langsam von Westen her abgebaut. Zum Mitternachtstermin des 2. März konnte Tief ZEUS dann schon drei Tiefdruckkerne vorweisen. Dabei befand sich der Kern I mit einem abermals angestiegenen Luftdruck von ungefähr 985 hPa frontenlos über der Labradorsee, Kern II südöstlich von Grönland und Kern III vor der Südwestküste Islands. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kaltfront vom Vortag die Warmfront eingeholt. Die nun vollständig okkludierte Front verband die Kerne II und III und verlief weiter nach Süden über die Britischen Inseln und die Biskaya hinweg bis über den Nordwesten der Iberischen Halbinsel.

Im Verlauf des 2. März verlagerte sich die sich langsam abschwächende Okklusionsfront von Ostengland und Frankreich bis zum Abend in den Westen Deutschlands. So gab es bis zum 3. März um 00 Uhr UTC in der Mitte und der Westhälfte Deutschlands teils schauerartig verstärkte Regenfälle, welche innerhalb von 12 Stunden meist 1 bis 3 mm brachten, besonders in Nordrhein-Westfalen auch Mengen bis 6 mm. Mit Vordringen der Front von Tief ZEUS gelangte Deutschland kurzzeitig auf die Ostflanke des Höhenrückens, was bedeutete, dass deutlich kältere Luft als zuletzt aus Norden einfließen konnte. So wurden beispielsweise am 27. Februar unter Hochdruckeinfluss noch 15 bis knapp 22°C von Ost nach West erreicht, während am 2. März deutschlandweit der Jahreszeit eher entsprechenden Temperaturen von 4 bis 13°C gemessen wurden.

Aufgrund der Positionen der drei Tiefdruckkerne von der Südspitze Grönlands bis Island konnte sich ein großräumiger Höhentrog über dem Nordatlantik bilden. Durch die zyklonale Drehrichtung floss während der gesamten Lebensdauer von Tief ZEUS hochreichend Kaltluft nach Süden über den Atlantik. Aufgrund des Aufeinandertreffens der Kaltluft aus dem Norden und der Warmluft aus dem Süden kam es über dem mittleren Nordatlantik zu kräftigen Zyklogenesen bzw. Tiefdruckbildungen. Als erstes Tief infolgedessen entstand das Sturmtief ALEXANDER am 1. März sowie am 2. März das Nachfolgetief BENNET, welches sich zu einem Orkantief verstärken sollte. Damit begann eine Serie von Sturm- bzw. Orkantiefs, die bis zum 18. März anhielt und mit dem Orkan EBERHARD am 10. und 11. März ihren Höhepunkt fand. Resümierend kann man sagen, dass Tief ZEUS trotz seiner relativ kurzen Lebensspanne maßgeblich das Wettergeschehen beeinflusste und veränderte. Aufgrund der rasanten Entwicklung und der raschen Verlagerung nach Osten von Tief ALEXANDER wurden die Kerne und Fronten des Tiefs ZEUS schließlich mit in die Zirkulation der Zyklone ALEXANDER aufgenommen. Somit konnte das Tief ZEUS am 2. März das letzte Mal als eigenständiges Tiefdruckgebilde auf dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte ausfindig gemacht werden.