Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ZILJANA

(getauft am 25.07.2016)

 

Im Laufe des 22. Juli zogen unbenannte Tiefdruckausläufer mit der Westwindströmung über den Nordatlantik hinweg. Dabei gelangten am Folgetag warme Luftmassen von dem südlich gelegenen Azorenhoch nach Norden, wo sie auf die Kaltfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes mit Kern südlich von Grönland über dem Nordatlantik trafen. Infolgedessen nahm die Kaltfront teilweise Warmfrontcharakter an. Auf der 500-hPa-Karte, also in einer Höhe von etwa 5,5 km, korrespondierte genau über dem Kern des unbenannten Tiefs ein abgeschlossenes Höhentief – eingebettet in einem schwach ausgeprägten Trog, also einem Vorstoß kälterer Luftmassen nach Süden, über dem zentralen Nordatlantik. Das Gebiet, an dem die warmen Luftmassen am Boden aus dem Süden auf die kälteren Luftmassen aus dem Norden stießen, befand sich auf der Vorderseite dieses Höhentroges, wo die Bildung von Tiefdruckgebieten begünstigt ist. Infolge dieser Wellenstörung und der Bedingungen in der Höhe entstand am gleichen Tag ein noch unbenanntes Wellentief am Übergang der Kalt- in die Warmfront etwa 1000 km westlich von der südlichen Küste Irlands entfernt. Ein Wellentief entwickelt sich aus einer Wellenstörung und ist ein relativ schmales Tiefdruckgebiet an einer wellenförmig deformierten Front ohne zyklonal rotierenden Kern.

Bis zum darauffolgenden Tag spaltete sich das Wellentief vom Nordatlantiktief ab und verlagerte sich mit der Westwindströmung gen Osten und damit Richtung Europa. Um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, befand sich das nun eigenständige Tiefdruckgebiet mit dem Kern über der Südwestspitze Irlands. Die Kaltfront zog sich bogenförmig südwestwärts über den Atlantik, während die vorderläufige Warmfront etwa 600 km Richtung Süden über der Biskaya endete. Im Tagesverlauf zog das Tief verstärkt auf die Vorderseite des dazugehörigen Troges nordostwärts über Irland und Großbritannien hinweg. In den folgenden Tagen wird dieses Tiefdruckgebiet mit Kurs auf Nordeuropa und Mitteleuropa u.a. Einfluss auf die Wetterabläufe in Norwegen, Schweden und zum großen Teil in Deutschland nehmen. Daher wurde es am 25. Juli in der Analyse um 00 Uhr UTC von der Berliner Wetterkarte auf den Namen ZILJANA getauft. Zu diesem Zeitpunkt positionierte sich der Tiefdruckkern mit einem auf 1010 hPa gesunkenen Luftdruck über dem Nordosten Schottlands. Die Kaltfront, welche sich bogenförmig südwestwärts über der Nordsee, Südengland, der Bretagne, der Biskaya und dem Nordatlantik erstreckte, hatte die Warmfront bereits eingeholt und wies somit teilweise Okklusionscharakter auf. Eine Okklusion wird auch als Mischfront bezeichnet, wobei die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront eingeholt und die warme Luft vom Boden angehoben hat. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfronten in sich vereint. In Deutschland gab es am Tauftag östlich von der Elbe noch einmal einen Heißen Tag, also Temperaturhöchstwerte von über 30°C. Bis zu 32°C wurde es von der Magdeburger Börde bis zum Berliner Raum. Westlich der Elbe als auch im Süden Deutschlands wurde es mit Werten zwischen 26 und 29°C fast überall ein Sommertag, also ein Tag wo die 25°C-Marke überschritten wird, verbucht. In der zweiten Tageshälfte überquerte die Kaltfront vom Bodentief ZILJANA Deutschland langsam von West nach Ost. In ihrem Bereich, als auch vor allem unter dem Einfluss einer vorgelagerten Konvergenzlinie, die am Vortag am Abend von Rügen bis zum Bodensee reichte, kam es meist zu leichten, vereinzelt aber auch zu kräftigen, gewittrigen Schauern. Konvergenzlinien entstehen meist, wenn Winde aus unterschiedlichen Richtungen zusammen strömen und sind oftmals, besonders im Sommerhalbjahr, vor Kaltfronten vorgelagert. Sie sind mit meist unwetterartigen Gewittern verbunden, während die nachfolgende Kaltfront oftmals nur wenig wetterwirksam ist. So wurden bis 18 Uhr UTC innerhalb von 12 Stunden an einigen Stationen im Süden Bayerns, Baden-Württembergs und in weiten Teilen Österreichs mehr als das Doppelte an Niederschlag verzeichnet. Altenstadt meldete 36 mm, der Salzburger Flughafen 33 mm und der Flughafen in Ingolstadt sogar 61 mm. Im baden-württembergischen Mühlacker gab es durch ein Starkregenereignis eine 1-stündige Niederschlagsmenge von 20,6 mm um 23 Uhr UTC des 25. Juli. In Norddeutschland entwickelten sich nur ganz vereinzelt Wärmegewitter, dabei wurde in Hamburg im gleichen Zeitraum 7 mm, in Neuruppin 8 mm und in Waren 2 mm registriert.

Bis um 00 Uhr UTC des 26. Juli kamen in Staulagen wie im Harz oder im Thüringer Wald 12-stündige Niederschlagsmengen von beispielsweise fast 18 mm in Braunlage und Schmücke zusammen. Im weiteren Tagesverlauf wurde das Tiefdruckzentrum mit einem leicht verstärkten Kerndruck von ca. 1005 hPa über den Färöer-Inseln lokalisiert. Die dazugehörige Kaltfront überquerte bis dahin die Nordhälfte Frankreichs, die Niederlande, Belgien und ragte bis in die Nordwesthälfte Deutschlands und in die Südwesthälfte Südskandinaviens hinein, brachte allerdings in den meisten dieser Regionen innerhalb der letzten 24 Stunden nur geringe Regenmengen von 0,1 bis 0,5 mm. Im niederländischen Groningen-Eelde fielen bis 3 mm. Vom Kern in Richtung Nordosten ausgehend verlief eine Okklusionsfront bogenförmig Richtung Osten bis sie sich schließlich über dem Nordmeer 200 km vor Kristiansund im Okklusionspunkt in eine Warmfront und die Kaltfront teilte. Der Okklusionspunkt stellt den Ort da, wo die Kaltfront die Warmfront eingeholt hat. Die vorderläufige Warmfront erstreckte sich von diesem Punkt nach Nordosten bis sie ungefähr über der russischen Halbinsel Kola in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs, welches sich zu diesem Zeitpunkt über der Karasee befand, überging. Deutschland lag dabei im Übergangsbereich zwischen subtropischen Luftmassen über ganz Südosteuropa und etwas kühlerer, von Tief ZILJANA mitgebrachter, Meeresluft über Nordwesteuropa. Die zugehörige Luftmassengrenze erstreckte sich vom Stettiner Haff über Mitteldeutschland hinweg bis nach Ostfrankreich. Die Temperaturgegensätze im Bereich der Front waren allerdings nur gering ausgeprägt. So konnte im Nordwesten Deutschlands nach dem Kaltfrontdurchgang trotzdem noch an vielen Orten wie z.B. in Soltau und Schwerin Werte um 25°C gemessen werden. Nur von Schleswig-Holstein bis zum Emsland war es mit 21 bis 23°C etwas kühler. Im Osten und Süden Deutschlands wurden dagegen wieder 26 bis 30°C erreicht. Dabei bildeten sich bei einer weiterhin labilen Luftmasse mit hoher Feuchtigkeit über der Südosthälfte wieder vermehrt Schauer und Gewitter, die punktuell erneut hohe Regenmengen produzierten. Beispielsweise kamen auf dem fast 1000 m hohen gelegenen südbayerischen Hohenpeißenberg innerhalb einer Stunde nach einem Gewitter mit Starkregen bis 16 Uhr UTC 27,5 mm Niederschlag zusammen. Im bayerischen Altenburg wurden Spitzenwerte von 62 mm innerhalb 6 Stunden bis 18 Uhr UTC gemeldet. Im baden-württembergischen Geislingen bzw. Stötten fielen bis 21 Uhr UTC sogar 36 mm innerhalb einer Stunde. Während man im bayerischen Raum nur etwa 2 bis 6 Sonnenstunden verzeichnen konnte, blieb der gesamte norddeutsche Raum weitgehend von Gewittern oder Schauern verschont und wies mit 11 bis 13 Stunden Sonne an der Nord- und Ostseeküste die maximale Sonnenscheindauer dieser Jahreszeit auf.

Bis zum Nachttermin des Folgetages verlagerte sich der Tiefdruckkomplex ZILJANA nur geringfügig nach Westen. Der Kern blieb nahezu stationär über den Färöer-Inseln und war mit dem immer noch gleichgebliebenen Kerndruck von etwa 1005 hPa nicht sehr stark ausgeprägt. Der Okklusionsprozeß schritt weiter fort, so dass die Okklusionsfront schon wesentlich weitläufiger als am Vortag war. Sie umlief den Kern von Süd über West nach Nord und erstreckte sich dann über dem Nordmeer bis zum Okklusionspunkt kurz vor den Lofoten, eine Inselgruppe bestehend aus etwa 80 Inseln vor der Küste Norwegens. Die sehr lange Kaltfront zog sich vom Okklusionspunkt an über Schweden, der Ostsee, Polen und Tschechien bis Deutschland, wo sie in eine weitere Luftmassengrenze überging. Diese erstreckte sich über Mitteldeutschland, so dass über Niedersachsen und der Altmark neue Schauerzellen entstanden. Dabei wurde die größte Niederschlagssumme innerhalb 6 Stunden bis 06 Uhr UTC mit 34 mm in Winterfeld-Sallenthin registriert. Die Schauer und Gewitterzellen zogen am Vormittag über die Prignitz nordostwärts hinweg und brachten beispielsweise in einem
3-stündigen Zeitraum bis 09 Uhr UTC in dem an der brandenburgischen-mecklenburg-vorpommerischen Grenze gelegenen Meyenburg eine Regenmenge von ca. 52 mm. Im Tagesverlauf erreichte die Gewitterlage in Deutschland einen weiteren Höhepunkt: Die Luftmassengrenze verschob sich nach Ostdeutschland und trennte die schwülwarme, sehr feuchte und weiterhin labile Luftmasse im Osten von stabil geschichteter Meeresluft im Westen. Auch in den Tageshöchstwerten machte sich das bemerkbar: die subtropische Luft im Osten und im süddeutschen Raum sorgte noch einmal für Tageshöchstwerte bis 28°C am Flughafen Berlin Schönefeld und 29°C im bayerischen Gottfrieding. Währenddessen ließ die maritime Subpolarluft in Nordwestdeutschland die Temperaturen nur auf 20 bis 25°C ansteigen, wie z.B. in Dortmund, wo Höchstwerte von 22°C gemeldet wurden. Schon in den frühen Morgenstunden und am Vormittag zogen Gewitterzellen unter Verstärkung über die Altmark hinweg zur Prignitz und sorgten für starke Regenfälle in Meyenburg: bis zum Abend 18 Uhr UTC summierten sich die Regenfälle in dieser Region in einem 12-stündigen Zeitraum auf 98 mm, etwas weiter nordöstlich in Waren an der Müritz wurden immerhin noch 68 mm im gleichen Zeitraum registriert. Zum Vergleich: der klimatologische Mittelwert für den Juli liegt in Berlin-Dahlem bei 53 mm. Zudem bildete sich im Warmsektor, der die gesamte Südosthälfte Deutschlands überdeckte, eine Konvergenzlinie über Sachsen-Anhalt und Sachsen aus, an der sich rasch Gewitter bildeten, die sich linienhaft anordneten. Die Station Wittenberg lag direkt innerhalb dieser Gewitterlinie und konnte innerhalb von 2 Stunden am Nachmittag ergiebige Regenfälle mit 96 mm nachweisen. Zwischen 15 und 16 Uhr erreichte die Gewitterlinie mit starker Intensität auch den Berliner Raum. In einem Zeitraum von 30 min konnten in dem Gewittercluster über 7000 Blitze registriert werden. Innerhalb 3 Stunden fielen in Berlin-Dahlem 24 mm, in Tempelhof 31 mm und im nördlich gelegenen Berlin-Buch sogar 73 mm. Bis zum Abend zogen die Gewitter weiter nach Westpolen und verdrängten die schwülwarme, subtropische Luft nach Osten.

Bis zum 28. Juli blieb der Kern von Tief ZILJANA weiterhin nahezu stationär mit gleichgebliebenem Luftdruck von 1005 hPa über den Färöer-Inseln. Jedoch spalteten sich bis um 00 Uhr UTC alle Fronten vom Kern ab, so dass Tief ZILJANA frontenlos blieb. Das ehemalige Frontengebilde wurde zunehmend von dem im Tagesverlauf kurz vor der Küste Norwegens über dem Nordmeer entstandenen Randtief ARVENN aufgenommen. Dieses Randtief machte sich bereits über dem Nordwesten von Deutschland mit seinen Fronten in Form von leichtem Regen bemerkbar.

Bis zum 29. Juli lag der Tiefdruckkern von der Zyklone ZILJANA weiterhin unverändert frontenlos mit immer noch gleichgebliebenem Druck über den Färöer-Inseln. Mittlerweile war das Tief ZILJANA nur noch wenig wetterwirksam und bildete zusammen mit der Zyklone ARVENN einen Tiefdruckkomplex. An ihrem Rand drang von Westen her allmählich kühlere Meeresluft bis nach Mitteleuropa vor. Dabei wurde die subtropische Warmluft weiter nach Osteuropa abgedrängt und bedingt durch das Randtief ARVENN setzte sich das wechselhafte Wetter in Deutschland fort. Im Tagesverlauf des 29. Juli vereinte sich der Tiefdruckkomplex vollständig und verblieb als kräftiges Tiefdruckgebiet ARVENN. Infolgedessen konnte das Tief ZILJANA am 29. Juli das letzte Mal als eigenständiges Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 

 

Geschrieben am 23.09.2016 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 27.07.2016

Pate: Udo Karow