Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ZOOEY
(getauft am 12.05.2016)
Zu Beginn der
zweiten Maidekade wurde das Wettergeschehen über dem atlantisch-europäischen
Raum von dem umfangreichen und hoch reichenden Tief XANDREA über dem nahen
Ostatlantik mit Zentrum vor der portugiesischen Küste gesteuert. Dabei befand
sich Mitteleuropa und damit Deutschland zunächst am Rande dieses Tiefs im
Bereich trocken-warmer Festlandsluft und bei viel Sonnenschein wurden die
ersten Sommertage des Jahres erreicht.
Im Verlauf des 10.
Mai entwickelte sich über dem grönländischen Raum ein neues Tief, welches sich
bis zum darauf folgenden Tag zu einer abgeschlossenen Zyklone mit eigenem
Frontensystem und Kern weiterentwickelte. Zunächst verblieb der sich weiter intensivierende
Wirbel nahezu stationär im Bereich des nordöstlichen Nordatlantik. Dabei begann
das Tief auf seiner Rückseite arktische Kaltluft anzuzapfen und gen Nordmeer
und Skandinavien zu lenken. Die Kaltluft sollte in den folgenden Tagen bis nach
Deutschland vordringen. Daher wurde das neu entstandene Tief am Morgen des 12.
Mai auf den Namen ZOOEY getauft. Zu diesem Zeitpunkt befand es sich mit einem
Luftdruck von knapp unter 995 hPa über dem nördlichen Nordmeer. Dabei spannten
sich die Ausläufer in Form einer Kaltfront vom Kern bogenförmig aus über die
Norwegische See, die Färöer-Inseln, südlich an Island vorbei bis vor die
Grönländische Küste. In den folgenden Stunden erreichten mit der Kaltfront vom
Nordmeer her schauerartige Niederschläge Skandinavien, wobei bis zum Abend um
18 Uhr UTC, was 20 Uhr MESZ entspricht, meist 2 bis 5 l/m² zwischen
Nordnorwegen, Lappland und Mittelschweden fielen. Nachts zog das
Niederschlagsband mit ähnlicher Intensität langsam über Schweden weiter
ostwärts, während es in der dahinter einfließenden Kaltluft entlang der
norwegischen Küste zu weiteren Schauern kam.
Währenddessen
hatte sich das Tief ZOOEY ohne wesentliche Druckänderung bis zum Tagesende
langsam weiter südostwärts bis auf wenige hundert Kilometer vor die norwegische
Küste verlagert. Die Kaltfront hatte bereits Norwegen und weite Teile Schwedens
passiert und war nach Süden bis zur Nordsee und Schottland vorangekommen. Dabei
war im frontalen Bereich über dem Skagerrak, im Lee der südlichen Skanden, ein zweiter kleiner Kern entstanden, der den Namen
ZOOEY II erhielt. Gleichzeitig hatte sich im Vorfeld der Zyklone eine schwache
Warmfront gebildet, die allerdings nur den äußersten Nordwesten Russlands
streifte.
Auch am 13. Mai
setzten sich die Niederschläge über Skandinavien mit ähnlicher Intensität fort.
Zum einen hielten die Regenschauer an der Kaltfront in etwa zwischen Finnmark,
finnisch Lappland und Südschweden weiter an, zum anderen entwickelten sich in
der dahinter einströmenden maritimen Arktikluft weitere Schauer, vor allem an
der westnorwegischen Küste. Weitaus bemerkenswerter war allerdings der
Temperaturrückgang von 8 bis 10 Grad, der mit dem Einströmen der Arktikluft verursacht
wurde. Zum Beispiel wurden im mittelschwedischen Torpshammar
nach 21,3°C, am 13.05 nur noch maximal 11,0°C gemessen. Auch über den
Britischen Inseln machte sich die Kaltfrontpassage neben kompakteren
Wolkenfeldern, die allerdings keinen Regen brachte, vor allem anhand eines
markanten Temperatursprungs bemerkbar. So wurde am späten Nachmittag dieses
Tages um 16 Uhr UTC, am Flughafen London-Gatewick
südlich des Zentrums noch eine Temperatur von 18°C gemessen, während nördlich
des Stadtgebietes am Flughafen Luton nur noch 10°C gemessen wurden. Am Abend
und in der Nacht zum 14.05. erfasste die Kaltfront mit ihren kompakten
Wolkenfeldern auch Norddeutschland und die Benelux-Staaten. Regen fiel mit
Ausnahme des direkten Nordseeküstenumfelds, wo meist unter 1 l/m² registriert
wurden, auch hier nicht. Anders über Skandinavien und dem Baltikum, wo
dynamische Prozesse im Umfeld des zweiten Tiefdruckkerns für teils kräftige
Niederschläge sorgten. Während über Mittelschweden länger anhaltender Regen
stellenweise bis zu 15 l/m² brachte, kam es über dem Baltikum zu kräftigen
Gewitterschauern mit vereinzelt 38 l/m² Niederschlag bis zum drauf folgenden
Morgen, so wie im westlitauischen Laukuva.
Am Morgen des
14. Mai befand sich der Hauptkern von Tief ZOOEY im Bereich der Lofoten, wo um
00 Uhr UTC an der Wetterstation Bø i Vesterålen ein Luftdruck von 998,9 hPa gemessen wurde. Die
Ausläufer des Tiefs, die weiterhin größtenteils Kaltfrontcharakter besaßen,
waren zwar nur wenig weiter ostwärts, dafür aber recht weit südwärts bis nach
Norddeutschland und Nordfrankreich vorangekommen. Während die Kaltfrontpassage
auch über Deutschland und Frankreich ohne nennenswerte Niederschläge einherging
und sich in der dahinter einströmenden maritimen Arktikluft im Tagesverlauf
lediglich einzelne leichte Schauer entwickelten, erreichten die Temperaturen
zwischen Nordseeküste und Mittelgebirgen nur noch kühle 12 bis 15°C, nach
durchschnittlich 20 bis 23°C tags zuvor. Der Niederschlagsschwerpunkt des
Tiefsdrucksystems ZOOEY war weiter über Fennoskandien
und dem Baltikum zu finden. Dabei kam es zum Zusammenschluss des zweiten
Tiefdruckkerns über Südschweden mit dem Richtung Osteuropa ziehenden Tief
YEKATERINA. Hierdurch intensivierten sich die teils gewittrigen Regengüsse und
zwischen 06 und 18 UTC wurden etwa im Raum Helsinki bis zu 12 l/m² gemessen, 20
l/m² waren es im estnischen Pärnu und gar 24 l/m² im
litauischen Šiauliai. Auch in der Nacht setzten sich
die Niederschläge in diesem Gebiet fort, wobei es bis zum darauf folgenden
Morgen 06 Uhr UTC z.B. weitere 22 l/m² in Kaunas regnete. Auch der Raum
Hamburg-Bremen wurde von nächtlichen Regenschauern erfasst, wobei in
Bremerhaven beispielsweise 15 l/m² fielen.
Bis zum frühen
Morgen des 15. Mai hatte sich der ursprüngliche Hauptkern des Tiefs, ZOOEY I,
nordwärts in Richtung Spitzbergen entfernt und gleichzeitig im Kern auf knapp
unter 1005 hPa abgeschwächt. Dagegen hatte sich der Tiefdruckkomplex ZOOEY II -
YEKATERINA auf unter 1000 hPa vertieft, wobei das Zentrum einen schmalen Bereich
vom Baltikum bis zur Ukraine bildete. Die verschiedenen Kerne waren durch eine Okklussionsfront, d.h. einer Mischfront mit sowohl Warm-
als auch Kaltfrontcharakter, miteinander verbunden. Die Kaltluftzufuhr aus
Norden, die sich durch gleich zwei aufeinanderfolgende Kaltfronten bemerkbar
machte, hatte zu diesem Zeitpunkt eine Linie Ukraine - Karpatenbecken - Alpen -
Pyrenäen erreicht. Die Niederschlagsaktivitäten des Tages konzentrierten sich
im Wesentlichen auf die frontalen Bereiche zwischen Kola-Halbinsel - Finnland -
Südschweden - Baltikum - Weißrussland bis zur Ukraine. Der Schwerpunkt mit über
10 l/m² lag dabei zwischen Westfinnland und Südschweden, wobei in der
Hafenstadt Turku bis zum Abend zwölfstündlich 29 l/m² registriert wurden. Sonst
blieben die Niederschlagssummen über dem Baltikum wie auch über Osteuropa bei
meist unter 10 l/m². Postfrontal kam es in der eingeflossenen Meereskaltluft
über Mitteleuropa zu weiteren Regenschauern, die aufgrund des schauerartigen
Charakters recht uneinheitlich verteilt waren. Beispielsweise fielen in Hamburg
7 l/m², in Potsdam 4 l/m² und in Berlin-Tempelhof dagegen nur 0,1 l/m². Die Höchsttemperaturen
lagen in der kühlen Subpolarluft über Mitteleuropa und Skandinavien bei gebietsweisem
Sonnenschein bei unter 15°C, unter Regenwolken im frontalen Bereich sogar unter
10°C.
Unterdessen kam
es zu einer Weiterentwicklung der Zyklone. Während der Tiefdruckkern ZOOEY I sich
einer Zirkulation von Tiefdruckgebieten über dem nördlichen Nordmeer anschloss,
verblieb das nun wieder als ZOOEY bezeichnete Tief nahezu stationär über der
mittleren Ostsee und lag mit einem Kerdruck von 996
hPa genau zwischen Schweden und dem Baltikum. Die Ausläufer erstreckten sich
von dort aus nordostwärts über Finnland als Warmfront, südostwärts über
Weißrussland bis zur Ukraine als Okklusion und schließlich von dort aus über
die Balkanhalbinsel bis nach Südeuropa als Kaltfront. Vor allem südlich des
Zentrums zogen von der Ostsee wiederholt Schauer nach Polen und ins südliche
Baltikum, wobei bis zum Abend z.B. in Lebork 16 l/m²
fielen oder in Kaliningrad 14 l/m². Nördlich des Zentrums über Schweden und
Finnland ließ die Niederschlagsneigung dagegen nach, meist wurden nicht mehr
als 2 l/m² zwischen 06 und 18 Uhr UTC registriert. Auch über Mitteleuropa erhöhte
sich die Schauertätigkeit ähnlich wie an den Vortagen im Tagesverlauf, wobei
sich der Schwerpunkt südwärts nach Süddeutschland und Oberösterreich verschob.
Die Regen-, in Lagen über 800 bis 1000 m auch Schneeregen- oder Schneeschauer
brachten etwa in München 6 l/m², oder in Linz 10 l/m² in 12 Stunden. Gleichzeitig
entwickelten sich auch über Südosteuropa entlang der Richtung Schwarzmeer
vorankommende Kaltfront teils kräftige Schauer und Gewitter, die im
bulgarischen Varna für 31 l/m², im rumänischen Fogarasch etwa für 12 l/m² sorgten. Begünstigt durch eine
kleinräumige Zyklogenese im Bereich der ukrainischen Schwarzmeerküste setzten
sich diese auch nachts mit ähnlicher Intensität fort. So regnete es in Winnyzja, 200 km südwestlich von Kiew bis zum darauf
folgenden Morgen 20 l/m².
Mittlerweile
hatte sich der Wirbel ZOOEY begonnen vom Luftdruck her aufzufüllen, sodass am
17.05 um 00 Uhr UTC der Kerndruck bei nur noch wenig unter 1005 hPa lag. Diese
Entwicklung setzte sich in den folgenden Stunden kontinuierlich fort, mit der
Folge, dass sich die Zyklone ZOOEY bis zum Tagesende vollständig auflöste.
Der Einfluss des
Tiefs ZOOEY blieb jedoch darüber hinaus noch für einige Tage bestehen. Zum
einen wurden die frontalen Strukturen über Osteuropa und Skandinavien durch
sich weiterentwickelnden Tiefs über der Ukraine und dem Nordmeer in die
Zirkulation mit aufgenommen. Zum anderen sorgte die durch das Tief bis nach
Osteuropa herantransportierte Meereskaltluft subpolaren bzw. polaren Ursprungs
zunächst noch für weitere Schauer, ehe sie langsam in eine kontinentale
Luftmasse umgewandelt wurde.
Geschrieben am 17.06.2016 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 13.05.2016
Pate: Myke Hurley