Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ZORAN

(getauft am 03.05.2015)

 

Über dem westlichen Nordatlantik befand sich bereits am 02.05. ein Gebiet tiefen Luftdrucks am südlichen Rande des westlich der Britischen Inseln liegenden Tiefs YVO. Gleichzeitig lag in diesem Gebiet in 5,5 km Höhe eine kräftige Höhenströmung vor und in ihr eingebettet eine Frontalzone. Mit dem Begriff Frontalzone ist der Übergangsbereich zwischen subtropischen und polaren Luftmassen und zugleich das Gebiet mit den kräftigsten Höhenwinden gemeint. In diesem Bereich sind die besten Bedingungen für die Entwicklung von kräftigen Tiefdruckgebieten gegeben.

Um 00 UTC wurde am Boden über dem Atlantik ein Tief mit einem Kerndruck von etwas unter 1005 hPa analysiert. Als ersichtlich wurde, dass das Tief für Mitteleuropa wetterwirksam sein sollte, wurde der Wirbel am 03.05. in der Analyse um 00 UTC, also 01 Uhr MEZ, auf den Namen ZORAN getauft. Die Warmfront erstreckte sich vom Tiefdruckzentrum über das Seegebiet südlich der Azoren und die Kaltfront befand sich in westlicher Richtung über dem mittleren Atlantik. Im weiteren Verlauf des Tages wurde das Tief ZORAN als Randtief ostwärst geführt und traf dabei die Azoren. Dort regnete es innerhalb von 24 Stunden 2 mm bis 06 UTC.

Am 04.05. war das Tief ZORAN etwas westlich der Iberischen Halbinsel und wies nun einen Kerndruck von knapp unter 1000 hPa auf. Die weitere Zugbahn brachte den Tiefdruckwirbel ZORAN in den Bereich des linken Ausgangs der stärksten Höhenströmung, was optimale Bedingung für eine Verstärkung bot. Zu dem wurde das Tief ZORAN nun in Richtung der Britischen Inseln gelenkt. Auch die Fronten verlagerten sich weiter. Die Warmfront reichte von Spanien nordostwärts über Frankreich hinweg. Die Kaltfront hingegen erstreckte sich vom Kern über die Azoren nach Westen. Aber auch sie verlagerte sich rasch nordostwärts und erreichte noch am Vormittag die Iberische Halbinsel. Die höchsten Niederschlagssummen vielen in einem Streifen vom Westen Frankreichs bis an die Südküste Englands mit 10 bis 15 mm Regen innheralb von 24 Stunden bis 06 UTC des Folgetages. In Le Mans im Nordwesten Frankreich fielen sogar 25 mm.

In der Nacht zum Folgetag griff die Warmfront des Tiefs ZORAN auf Deutschland über, brachte aber nur geringe Niederschläge. Das Tief ZORAN lag mit seinem Kern bereits über den Ärmelkanal und hatte sich auf seiner Zugbahn nach Nordosten mit einem Luftdruck im Zentrum von etwa 990 hPa merklich verstärkt. Bis zum Mittag überquerte die Warmfront Deutschland in Richtung Polen. Insgesamt war die Front aber wenig aktiv und brachte von Nordrhein-Westfalen bis Mecklenburg-Vorpommern innherhalb von 6 Stunden kaum mehr als 2 mm. Hinter der Warmfront wurde in der südwestlichen Höhenströmung maritime Subtropikluft nach Deutschland transportiert.

Direkt darauffolgend erreichte die Kaltfront vom Tiefdruckwirbel ZORAN Deutschland. Auf der Rückseite der Kaltfront wurde kühlere, maritime Subpolarluft herangeführt. So wurden in Paris, wo die Kaltfront am späten Vormittag durchzog, 19°C als Höchsttemperatur erreicht. Über Deutschland dagegen hielt die Zufuhr warmer Luftmassen nach der Warmfront an. So wurde in Magdeburg am Nachmittag mit 26,6°C als Höchsttemperatur ein Sommertag erreicht, wofür mindestens 25°C als Maximaltemperatur erreicht werden müssen.

Die Kaltfront brachte mit dem Luftmassenwechsel auch Gewitter. Für die Entstehung von Gewittern sind bestimmte Vorraussetzungen notwendig. Neben Feuchtigkeit, die durch die Subtropikluft vorhanden war, und eine möglichst hohe Temperaturabnahme mit der Höhe, muss sich der Wind mit der Höhe drehen. Die Windscherung ist die Zunahme bzw. Richtungsänderung des Windes mit der Höhe. Gebiete mit viel Windscherung existieren dort, wo kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen. Die Kaltfront wies hohe Temperaturunterschiede auf, wodurch in diesem Bereich viel Windscherung vorhanden war. Die ersten Gewitter entstanden bereits am Vormittag, die vom Nordosten Frankreichs über die Benelux-Staaten in den Norden Deutschlands verlagerten. Dabei ordneten sich die Gewitter linienhaft an und zogen mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Osten. Um 10 UTC waren die Gewitter an der Westgrenze von Belgien und bereits um 14 UTC erreichten die ersten Gewitter Bremen. Diese Linie bewegte sich zwar weiter nach Osten, aber die einzelnen Gewitterzellen zogen in nordöstliche Richtung, dadurch beschränkte sich die Hauptgewitteraktivität auf den Norden Deutschlands. In Niedersachen bis Schleswig-Holstein traten im Zusammenhang mit Gewittern immer wieder schwere Sturmböen auf, vereinzelt auch orkanartige Böen. In Bremen wurden Böen mit 100 km/h, in Jagel 93 km/h und in Travemünde 104 km/h registriert. Außerdem brachten die Gewitter meist zwischen 10 und 15 mm Niederschlag. In Hamburg-Neuwiedenthal fielen sogar 22 mm. Am späten Nachmittag bzw. Abend erfassten die Gewitter zwischen 19 UTC und 21 UTC Mecklenburg-Vorpommern, wo insgesamt der Höhepunkt der Gewitteraktivität erreicht wurde. In Ventschow regnte es 36 mm und in Dodow 26 mm innerhalb einer Stunde. In Seehausen wurden um 18 UTC eine Windspitze von 93 km/h regestiert. Für das Auftreten von Tornados sind viel Feuchtigkeit und Windscherung von großer Bedeutung. So traten in Mecklenburg-Vorpommern sechs bestätigte Tornados auf. Der Kräftigste trat bei Bötzow zwischen 20:45 und 20:50 UTC auf und wurde als F3 Tornado klassifiziert. Bei einem F3 Tornado werden Windgeschwindigkeiten von 254–332 km/h erreicht. Im weiteren Verlauf zogen die Gewitter nach Polen, schwächten sich aber in der Nacht immer weiter ab.

Bis zum 06.05. verlagerte sich das Tiefdruckgebiet ZORAN mit seinem Kern bis westlich nach Bergen und wies in seiner Entwicklung den tiefsten Druck mit ca. 985 hPa im Kern auf. Das Frontensystem verlagerte sich weiter nach Osten und okkludierte dabei, d.h. die schnellere hintere Kaltfront holt die langsamere Warmfront ein und es bildet sich eine Mischfront aus, die sogenannte Okklusion. Diese reichte vom Tiefdruckkern über Skandinavien bis Gotland, wo sich der Okklusionpunkt befand. Der Okklusionpunkt markiert den Punkt, wo die Kaltfront die Warmfront einholt. Vom Okklusionspunkt erstreckte sich die Kaltfront im Bogen über Warschau, das Riesengebige bis zum Alpenraum. Die Warmfront reichte über das Grenzgebiet zwischen Polen und der Ukraine bis zum östlichen Rand der Ostkarparten. An der Kaltfront herrschte ein starker Temperaturgradient. In der Slowakei und in Ungarn wurden vor der Kaltfront im Warmluftsektor noch Temperaturen von 28 bis 29°C erreicht, hinter der Kaltfront dagegen meist 19 bis 21°C, im Südosten Bayerns wurden nicht einmal 15°C überschritten. Im Laufe des Tages überquerte die Kaltfront die Slowakei und Ungarn. Auch dort wurden an der Kaltfront Gewittern beobachtet, die in Poprad-Ganovce in der Slowakei 26 mm in 12 Stunden bis 18 Uhr UTC brachten.

Bis zum Folgetag teilte sich das Zentrum des Tiefs ZORAN in zwei Kerne. Das Tief ZORAN II mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa verlagerte sich noch etwas weiter nach Norden. Das Tief ZORAN I hingegen blieb fast stationär vor der norwegischen Küste und füllte sich langsam auf, d.h. der Druck im Kern des Tiefs stieg an. Dies passiert, da der horizontale Bodenwind in Richtung Tiefdruckzentrum stärker war, als die nach oben gerichtete Vertikalbewegung im Kern. Das Tief ZORAN I wies einen Luftdruck von 990 hPa im Zentrum auf. Außerdem verbindete eine Okklusion die beiden Tiefdruckkerne miteinander.

Am 08.05. blieben beide Tiefs westlich der norwegischen Küste. Der Tiefdruckwirbel ZORAN I schwächte sich weiter ab auf einen Kerndruck von ca. 995 hPa, wohingegen der Luftdruck des anderen Kerns unverändert blieb. Die Okklusion zwischen den beiden Tiefs blieb nach wie vor bestehen und verband sich mit einer Okklusion eines Tiefdruckgebietes über der Barentsee.

Auch am Folgetag änderten die beiden Tiefs ihre Position mit ihren Ausläufern kaum, schwächten sich jedoch weiter ab. In der Analyse des 10.05. verlagerten sich die beiden Tiefs ZORAN I und ZORAN II unter Abschwächung in Richtung Nordosten und schwächten sich dabei weiter ab. Im weiteren Verlauf verbindeten sich beide Tiefs wieder zu einem Kern. Der Wirbel ZORAN konnte jedoch am 11.05. nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 

 

Geschrieben am 08.08.2015 von Morten Kretschmer

Berliner Wetterkarte: 05.05.2015

Pate: Eva Hörger