Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ZORRO
(getauft am 11.08.2019)
Am 11. August 2019 wurde in der Prognosekarte der
Berliner Wetterkarte für den Folgetag ein Tiefdruckgebiet über Ostmitteleuropa
auf den Namen ZORRO getauft. Am Tag der Taufe lag das Tiefdruckgebiet YAP mit
seinem Kern vor der Südküste Norwegens. Etwa in der Mitte des Dreiecks der
Hauptstädte von Polen, Weißrussland und der Ukraine – Warschau, Minsk und Kiew
– befand sich der zugehörige Okklusionspunkt, von dem eine verwellte Front mehrere
Tausend Kilometer in südwestlicher Richtung östlich und südlich der Alpen, über
den Osten der Iberischen Halbinsel und den äußersten Norden Marokkos bis einige
Hundert Kilometer nördlich der Kanarischen Inseln reichte. An dieser verwellten
Luftmassengrenze bildete sich zwischen einem Kaltfrontanteil, der etwa von
Ungarn bis zum Okklusionspunkt reichte, und einem weiter südwestlich folgenden
Warmfrontanteil, der über Norditalien lag, zum 12. August das Tiefdruckgebiet
ZORRO.
Es lag am 12. August zu Tagesbeginn etwa über der
Lausitz, wobei der Kerndruck etwas tiefer als 1015 hPa war und an einer
hauptsächlich in höheren Luftschichten aktiven Okklusionsfront, also einer
Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, lag. Diese verlief etwa vom
Raum der nordwestpolnischen Stadt Stettin bis zur tschechischen Hauptstadt
Prag, wo sich der Okklusionspunkt befand. Von dort zog sich einerseits eine
Warmfront, die in südöstlicher bis östlicher Richtung über den Nordosten
Österreichs und Ungarn bis zu den Karpaten verlief, wo sie in eine Kaltfront
überging, die zum Tief YAP gehörte. Andererseits begann am Okklusionspunkt eine
Kaltfront, die über den Südosten Bayerns bis in die zentralen Alpen reichte, wo
sie in eine Warmfront überging, die Teil der zuvor erwähnten, langgezogenen und
verwellten Luftmassengrenze war, deren südwestliches Ende nun über Marokko lag.
Bei solchen komplexen Wetterlagen, bei denen mehrere Tiefs durch Fronten nicht
nur miteinander verbunden, sondern die zugehörigen Wolken und Niederschlagsgebiete
regelrecht miteinander verschachtelt sind, ist eine eindeutige Zuordnung von
Wettererscheinungen zu einem Tiefdruckgebiet und dessen Fronten schwierig bis
unmöglich. Bis zum Mittag des 12. August lässt sich aber zumindest für das
südwestliche Bayern und das westlich angrenzende, baden-württembergische
Oberschwaben sagen, dass teils kräftige und mit Gewittern durchsetzte
Niederschläge als Folge des Tiefs ZORRO für zweistellige 6-stündige Regenmengen
sorgten. So kamen in Lindenberg im bayerischen Teil des Allgäus 27,7 l/m²
zusammen, und im baden-württembergischen Argenbühl fielen 27,6 l/m². Am frühen
Abend fielen alleine in einer Stunde an der Wetterstation Wien-City in der
österreichischen Hauptstadt 21 l/m². Sehr auffällig waren die
Temperaturunterschiede im zentralen und südöstlichen Europa. Während an den
Wetterstationen Knin in Kroatien mit einer Höchsttemperatur von 41,0°C und
Mostar in Bosnien-Herzegowina mit 40,6°C große Hitze herrschte, stieg die
Temperatur im Raum München lediglich auf 16 bis 18°C. Von den Regionen mit
gebietsweise ergiebigem Regen und zeitweise dichten Wolken musste man in
nordwestlicher Richtung bis nach Hessen oder Sachsen-Anhalt gehen, um
Wetterstationen zu finden, an denen ein offizieller Sommertag nach
meteorologischer Definition verzeichnet wurde. Im hessischen Schlüchtern-Herolz
wurde das dafür nötig Kriterium von 25,0°C exakt erreicht. Halle-Trotha in
Sachsen-Anhalt kam auf 25,6°C. In der Nacht zum Folgetag verlagerten sich die
stellenweise von Sturmböen bis in tiefe Lagen begleiteten Schauer und Gewitter
mit ihrem Schwerpunkt nach Osten bis Nordosten und traten von Ungarn,
Österreich, Tschechien und Polen bis ins südwestliche Russland auf. Im
nordwestukrainischen Wolodymyr-Wolynskyj summierte sich der Niederschlag in der
ersten Nachthälfte auf 46 l/m² in sechs Stunden, was auch dem 12-stündigen Wert
bis zum Morgen des 13. August entsprach. Noch etwas mehr kam im letztgenannten
Zeitraum mit 47,4 l/m² im südostpolnischen Kielce zusammen.
Mittlerweile lag das Zentrum des Tiefdruckgebietes
ZORRO mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa über dem südlichen Finnland am
Rand des steuernden Tiefs YAP, das sich über Mittelskandinavien befand. Vom
Kern des Tiefs ZORRO verlief eine Okklusionsfront in etwa in südlicher Richtung
über das Baltikum bis knapp südöstlich der litauischen Hauptstadt Vilnius, wo
sich der Okklusionspunkt befand. Von dort verlief eine Warmfront nach Süden bis
Südosten über Weißrussland und die Ukraine bis zur Schwarzmeerküste westlich
der Krim. Außerdem ging vom Okklusionspunkt eine Kaltfront aus, die in
südlicher bis südwestlicher Richtung über Ost- und Südosteuropa bis etwa ins
kroatisch-slowenisch-ungarische Grenzgebiet reichte und dort in eine Warmfront
überging, die Teil der zuvor beschriebenen, verwellten Luftmassengrenze war,
welche sich nach Südwesten bis über den Rand des von der Berliner Wetterkarte
abgedeckten Bereich hinaus ins marokkanisch-algerische Grenzgebiet erstreckte.
Ein großes Gebiet mit Schauern und Gewittern zog, mit seinem Zentrum ungefähr
dem Okklusionspunkt folgend, vom südlichen Baltikum, Weißrussland sowie dem
Südwesten Russlands im Tagesverlauf nach Nordosten bis Osten. Auch an der
Kaltfront traten gewittrige Schauer auf, die beispielsweise an der
Wetterstation auf dem Berg Kojšovská hol’a in der Slowakei 6-stündig bis zum Mittag 12 l/m²
brachten. Bis zum späten Nachmittag bzw. zum frühen Abend fielen im russischen
Ostaschkow in der Oblast Twer in den Waldaihöhen 50 l/m². Dort lag die
Höchsttemperatur nur noch bei 16,5°C, während sie am Vortag mit 23,8°C deutlich
höher gelegen hatte. Im finnischen Möksy kamen bis
zum Abend 12-stündig 26,1 l/m² Niederschlag zusammen. Bis zum Morgen des 14.
August lag der Niederschlagsschwerpunkt, bezogen auf die 12-stündigen Mengen,
im nordwestlichen Russland, wo in Wologda, der Hauptstadt der gleichnamigen
Oblast, 30 l/m² gemessen wurden. Im finnischen Ranua kamen bis zum Morgen
12-stündig 24,9 l/m² zusammen.
Das Tiefdruckgebiet ZORRO war am 14. August zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Der Kern lag nun knapp nordwestlich der russischen Hauptstadt Moskau mit einem
Luftdruck von etwas unter 1010 hPa. Dort befand sich auch ungefähr der
Okklusionspunkt, von dem in westlicher bis nordwestlicher Richtung eine Okklusionsfront
über den Nordwesten Russlands und das zentrale Finnland bis zum Bottnischen
Meerbusen etwas nördlich der finnischen Stadt Vaasa verlief. Vom
Okklusionspunkt gingen außerdem eine Warmfront und eine Kaltfront aus. Erstere
zog sich in südöstlicher bis südlicher Richtung bis etwa an die Grenze zur
östlichen Ukraine, während letztere weiter westlich folgte und über den
Südwesten Russlands bis zur westlichen Ukraine reichte, wo sie in die Warmfront
der zuvor mehrmals zitierten, verwellten Luftmassengrenze überging, an der sich
mittlerweile ein unbenanntes Tief über Norditalien gebildet hatte. In den von
den Fronten des Tiefdruckgebietes ZORRO beeinflussten Gebieten regnete es
tagsüber gelegentlich, teils traten auch Gewitter auf, und nachfolgend stellte
sich leicht wechselhaftes Wetter mit wechselnder Bewölkung ein, wobei tiefer
Luftdruck vom Hochdruckgebiet BEATRIX abgelöst wurde, das aus Südwesten bis in
den Westen Russlands zog.