Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ZYPRIAN
(getauft
am 03.07.2021)
In
der Nacht zum 03.07.2021 begann sich über dem Westatlantik am Rande eines
ausgeprägten Höhentroges im Grenzbereich zwischen kalter Luft im Norden und
subtropischen Luftmassen im Süden ein neuer Tiefdruckwirbel auszuprägen, der
anhand der Prognosekarte für 12 UTC (14 Uhr MESZ) des darauffolgenden Tages in
seiner Position nördlich der Azoren vorhergesagt und auf den Namen ZYPRIAN
getauft wurde. Von der westlichen Strömung des Jetstreams getrieben und sich
auf seinem Weg beständig verstärkend verlagerte sich sein Zentrum in den darauf
folgenden 36 Stunden zügig in Richtung Europa.
Hebungsprozesse
im Kernbereich des Tiefdruckwirbels als auch entlang seiner sich weiter
ausprägenden Fronten ließen dabei ein ergiebiges Niederschlagsband entstehen,
das in den frühen Mittagsstunden des 05.07. zunächst auf den Westen Frankreichs
traf und sich anschließend über den Ärmelkanal auf England und Wales
ausweitete. Dabei waren binnen 24 Stunden bis 06 UTC des darauffolgenden
Morgens in Dünkirchen 13,9 mm, bei Brest 15,1 mm und in Quimper 22,6 mm
gefallen. Auch nördlich des Kanals waren Regenmengen über 15 mm keine
Seltenheit: Im selben Zeitraum wurden auf der Insel Scilly 18,8 mm, in
Bournemouth 26,6 mm und im walisischen Rhyl 28,8 mm gemessen.
Blieb es in Paris mit maximal 0,4 mm vergleichsweise trocken, waren in London
bis zu 13,8 mm gemessen worden. Gleichzeitig hatte sich an der Südflanke des
Wirbels ein zwar räumlich eng begrenztes, dafür jedoch markantes Sturmfeld
ausbilden können, welches in der Nacht die Bretagne heimsuchte. So
registrierten die Anemometer in und um Brest Spitzengeschwindigkeiten von 115
km/h und somit Stärke 11, orkanartiger Sturm. An einigen Messstationen entlang
der Küsten erreichte der vorwiegend südwestliche Wind gegen Mitternacht auch
volle Orkanstärke. Beispielsweise auf der Ile De Batz mit 120,5 km/h, am
Leuchtturm Pointe du Raz mit 139,0 km/h oder aber auf der vorgelagerten Insel
Ouessant mit bis zu 144,1 km/h. Etwas weniger stark blies der Wind
entlang der Kanalküsten, erreichte mit Böen zwischen Stärke 7 und 8, vereinzelt
auch 9 vielerorts dennoch Sturmstärke.
In
der Nacht zum 06.07. hatte der Sturmwirbel ZYPRIAN seinen Höhepunkt erreicht.
Mit einem auf unter 995 hPa gefallenen Kerndruck befand sich sein Zentrum um 00
UTC über der Mündung des Ärmelkanals, mittig zwischen der Bretagne und dem
englischen Cornwall. Von seinem Kern zog sich eine Okklusionsfront über
Südwales in Richtung der Themsemündung. Eine Okklusionsfront beschreibt dabei
eine Mischfront, die aus dem Zusammenschluss einer Warm- mit der ihr
nacheilenden Kaltfront hervorgeht und zumeist durch ergiebige Niederschläge
geprägt ist. Die Stelle, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, wird
als Okklusionspunkt bezeichnet. Von einem solchen über der Themsemündung zog
sich die Warmfront in südöstlicher Richtung über Amsterdam bis nach Bonn und
die ihr folgende Kaltfront in einem Bogen über Paris, Bordeaux und Lissabon in
westlicher Richtung auf den Atlantik hinaus. Während die Kaltfront über der
Iberischen Halbinsel nur geringfügig wetterwirksam war, hatten sich über
Frankreich teils gewittrige Schauer ausgebildet, die im Tagesverlauf mit der
Front rasch nach Deutschland abzogen. Besonders in einem Streifen von
Mecklenburg über Niedersachsen bis nach Baden-Württemberg konnten die
aufziehenden Niederschläge mitunter recht kräftig ausfallen. Während es in der
Osthälfte des Landes zunächst noch trocken blieb, meldete Schwerin eine
12-stündige Niederschlagssumme von 12,9 mm, Rheinau von 18,7 mm und Destedt von
23,7 mm. Begleitet wurden die Niederschläge von Böen zwischen 50 und 60
Stundenkilometer, Stärke 7. Von Brandenburg bis Bayern stieg die Temperatur in
der über weiten Teilen Mittel- und Osteuropas dominierenden feucht-warmen
Subtropikluft auf Werte um oder über 30°C. So kletterte das Quecksilber in
Berlin-Schönefeld auf 31,1°C und in der Innenstadt von München auf 31,5°C. In
der hinter der Kaltfront nach Westdeutschland einfließenden polaren Meeresluft
wurden dagegen vergleichsweise kühle 18,2°C in Idar-Oberstein und 25,3°C am
Flughafen von Hamburg erreicht. Während es im Westen des Landes bei
auflockernder Bewölkung am Abend bereits wieder trocken blieb, verlagerten sich
die Niederschläge entlang der Kaltfront in der Nacht in den Osten. Sie hatten
im Tagesverlauf an Intensität noch gewinnen können und führten zwölfstündig bei
Dresden 20,4 mm, in Ingolstadt 30,1 mm und auf dem Marienberg bis zu 47,9 mm
mit sich. An der Station Kühnhaide wurden gar bis zu 55,3 mm registriert.
Ähnliche Regenmengen waren zuvor auch in der Region um Lyon gemessen worden:
Kräftige Schauer und Gewitter brachten Amberieu 44,6
mm und Lyon selbst 52,1 mm. Im Vergleich dazu etwas weniger intensiv gestalteten
sich die Niederschläge entlang des Zentrums des Wirbels, welches aufgrund der
blockierenden Wirkung des kräftigen Russlandhochs CORNELIEKE von seiner
ursprünglich östlichen Zugbahn über England nach Norden abgelenkt wurde. Durch
anhaltenden, leichten bis mäßigen Regen waren innerhalb von 24 Stunden im
Londoner St. James Park 7,4 mm, am Flughafen von Blackpool 13,8 mm und im
nordenglischen Küstenort Boulmer bis zu 19,2 mm gefallen.
Bis
00 UTC des 07.07. hatte das Zentrum des Wirbels ZYPRIAN England überquert und
lag mit einem auf knapp 1000 hPa leicht angestiegenen Kerndruck über
Ostschottland, nördlich von Edinburgh. Eine erste Okklusionsfront reichte
nördlich des Kerns beginnend in einem Bogen über Bergen und Malmö bis ins
polnische Koszalin.
Ab dort den Charakter einer Kaltfront annehmend zog sie sich allmählich
wellenförmig deformierend über Prag, Venedig und Spanien auf den Atlantik
hinaus. Eine zweite Okklusionsfront erstreckte sich südwestlich des Kerns über
Cornwall in Richtung der Keltischen See. Sich kaum noch verlagernd und an
Dynamik verlierend wurde das Tief im Tagesverlauf in seiner Position östlich
von Edinburgh annähernd stationär. An seiner Westflanke gelangte mit einer
nördlichen Strömung nochmals ein Schwung feuchter Meeresluft nach Süden. Der
durch dichte Wolkenfelder und anhaltenden Regen geprägte Wettercharakter hielt
somit in Großbritannien zunächst noch weiter an, doch begannen die
Niederschläge an Stärke zu verlieren und sich allmählich aufzulösen. Dennoch
konnte der teils schauerartig verstärkte Regen lokal recht ergiebig ausfallen:
Dominierte in den meisten Regionen leichter Regen oder Sprühregen mit
Niederschlagsmengen von unter einem Millimeter binnen 24 Stunden, waren durch
Schauer oder schauerartigen Regen in Nottingham 11,0 mm, in Boulmer 17,6 mm und im südenglischen Dunkeswell 23,0 mm gefallen. Der Wind hatte
ebenfalls nachgelesen und spielte abseits der Schauer kaum noch eine Rolle.
Lediglich an besonders exponierten Lagen erreichte er, wie am Luftstützpunkt
Fylingdales oder auf dem schottischen Cairnwell mit Böen von 53,7 km/h
beziehungsweise 70,4 km/h, Stärke 7 bis 8. Die Niederschläge entlang der
Kaltfront waren in den Morgenstunden aus Deutschland abgezogen und verlagerten sich
über Polen in Richtung Baltikum. In der Nacht waren sie dabei bereits auf
Schweden getroffen und weiteten sich in Verbindung mit Tief YAP über dem
Nordmeer nunmehr auch auf Norwegen aus. Beim Auftreffen auf die dortigen
Gebirgsketten und dem damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten jener
feuchten Luftmassen in deutlich kühlere Schichten sowie auch durch Stauprozesse
erfuhren die Niederschläge dort noch zusätzliche Intensivierung. Waren am
Leuchtrum der im Skagerrak vor Schweden liegenden Insel Måseskär 13,0 mm und
nördlich bei Gävle nördlich von Stockholm 37,0 mm gefallen, wurden im selben
Zeitraum im südnorwegischen Konsmo 41,4 mm und bei Reipa in der Provinz
Nordland 45,8 mm verzeichnet. Auf der Vorderseite des Tiefdrucksystems
YAP-ZYPRIAN und dem mit ihnen korrelierenden Höhentrogs, dessen Achse an jenem
Tag vom Nordmeer über England bis nach Ostspanien reichte, wurden mit einer
südwestlichen Strömung kontinuierlich subtropische Luftmassen aus dem
Mittelmeerraum bis weit in den Norden geführt, während gleichzeitig auf seiner
Rückseite polare Meeresluft aus Norden einfloss und jene weiter nach Osten
abdrängte. Bereits am Vortag waren in weiten Regionen Südosteuropas
Temperaturen über 35°C gemessen worden und stiegen noch weiter an. So wurden
beispielsweise in Mostar (Bosnien-Herzegowina) 39,2°C und im montenegrinischen
Podgorica 39,4°C gemessen. Die Heißluft drang am Rande des stabilen Hochs CORNELIEKE über Osteuropa bis weit in den Norden
Russlands vor: Im rumänischen Arad wurden 35,1°C, im estnischen Kunda 32,3°C
und im russischen Jarensk, nördlich von Kirov 32,4°C erreicht. Selbst im
nördlich des Polarkreises gelegenen, norwegischen Banak wurden bis zu 32,5°C
und in Murmansk 29,6°C verzeichnet. In Deutschland war die zuvor vorherrschende
Subtropikluft hingegen vollständig durch kühlere, sich über dem Festland
allmählich erwärmende Meeresluft polaren Ursprungs ersetzt worden. Die Temperaturen
lagen zumeist zwischen 23°C in Norden und 18°C im Vorfeld der Alpen, die
25°C-Marke wurde nur vereinzelt überschritten. Während in den Morgenstunden die
Niederschläge entlang der weiter okkludierenden Kaltfront aus Ostdeutschland
abgezogen waren, zog aus Westen neuer Regen auf, wodurch der wechselhafte und
zu Schauern neigende Wettercharakter seine Fortsetzung fand: Blieb es von
Mecklenburg-Vorpommern bis zum Oberrhein bei einem Sonne-Wolken-Mix oftmals
niederschlagsfrei, wurden in Glücksburg 8,5 mm, bei Konstanz 12,8 mm und in Weiden
16,4 mm registriert. Im bayrischen Pilsach-Laaber kamen bis zu 29,4 mm
zusammen. Im Stau der Westalpen hielten in einem räumlich eng begrenzten Gebiet
die schauerartigen Niederschläge ebenfalls weiter an. Sie führten in Grenoble 31,9 mm, in Andermatt 53,5 mm und an der
Messstation am Lago di Robièi 69,4 mm mit sich. Über der Nordhälfte Polens
entwickelten sich im Tagesverlauf einzelne, am Abend und in der Nacht in sich
zusammenfallende Schauer oder Gewitter, mit Regenmengen zwischen 9,2 mm in
Danzig und 13,2 mm bei Darłówko sowie Tageshöchstwerten, die vor dem
Frontendurchgang 32°C und dahinter noch 20°C erreichten.
Sich
allmählich auffüllend befand sich der Schwerpunkt des einstigen Sturmtiefs
ZYPRIAN am 08.07. weiterhin nordöstlich vor Edinburgh, sein Kerndruck war in
den vergangenen 24 Stunden auf 1015 hPa angestiegen. Nördlich des Kerns zog
sich seine erste Okklusionsfront in einem Bogen über das Nordmeer, Trondheim
und der zu Finnland gehörenden Inselgruppe Åland bis nach Litauen. Dort ging
sie anschließend in eine über Norditalien und Marokko nach Teneriffa reichende
Kaltfront über, die sich aufgrund der über Österreich einsetzenden Entwicklung
eines neuen, eigenständigen Tiefdruckwirbels weiter zu verwellen begann. Jener
neue Wirbel wurde im Tagesverlauf für Osteuropa wetterbestimmend. Eine zweite,
wenn auch wenig wetterwirksame Okklusionsfront zog südlich des Kerns über die
Bretagne und Biskaya ebenfalls auf den Atlantik hinaus. Über Deutschland und
dem Alpenraum bildeten sich aufgrund einer markanten Gegenstromlage, in der in
den tieferen Luftschichten Ost-, in den hohen Südwestwind dominierte, sowie in
Verbindung mit dem sich über Österreich bildenden Tief ARNO und bis in die Höhe
gesättigten Luftmassen teils äußerst regenreiche Schauer und Gewitter, die mit
Niederschlagssummen jenseits von 50 Millimetern in manchen Regionen kleinere Bäche
und Flüsse über die Ufer traten ließen. Auch in den übrigen Landesteilen
bildeten sich im Tagesverlauf neue Schauer und Gewitter mit Regenmengen
zwischen 17,1 mm in Hamburg und 32,6 mm bei Plauen. Aus Stötten wurden dagegen
67,4 mm und aus Hof 74,6 mm gemeldet, wobei das Groß der Niederschläge, 61 mm
beziehungsweise 52 mm, in den Stunden zwischen 03 und 06 UTC des nächsten Morgens
fiel. Ähnliche und lokal teils noch größere Regenmengen wurden aus der Schweiz
und Österreich berichtet. So wurden in Innsbruck 64,1 mm, in St. Gallen 73,7 mm
und in der Gemeinde Cevio als auch am Alpinzentrum Rudolfshütte jeweils 78,8 mm
gemessen. Im Gegensatz dazu hatten im kernnahen Umfeld des Tiefs ZYPRIAN die
Niederschläge weitgehend nachgelassen. In weiten Teilen Großbritanniens blieb
es bereits gänzlich niederschlagsfrei. Sonst fielen aus zunehmend auflockernder
Bewölkung zwischen 0,2 und 2,2 mm. Lediglich in Irland hielt sich ein dunstiger
und durch anhaltenden Sprühregen geprägter Wettercharakter. Ergiebiger
gestalteten sich die Niederschläge noch entlang der Okklusionsfront über
Norwegen. Ehe auch sie sich abzuregnen begannen, wurden durch schauerartig
verstärkten Regen in Sauda 25,7 mm, an der Station Hovden-Lundane 28,6 mm und
in Bergen, je nach Stadtlage, zwischen 22,3 und 39,6 mm registriert. Die Zufuhr
subtropischer Warmluft nach Norden hielt dagegen an. Lagen die Temperaturen in
Großbritannien um 20°C und in Deutschland zwischen 26°C und 18°C im Dauerregen,
stieg in Wien das Quecksilber auf 37,1°C, im ungarischen Paks 38,7°C sowie auf
33,5°C in St. Petersburg. Selbst ganz im Norden Russlands, am Weißen Meer bei
Archangelsk, wurden noch bis zu 30,3°C erreicht. Etwas kühler als am Vortag war
es dagegen in Murmansk mit 25,5°C, tags darauf wurden dort nur noch 16,7°C
gemessen.
Sich
in vorangeschrittener Auflösung befindend lag das Zentrum des Tiefs ZYPRIAN
gegen 00 UTC des 09.07. zwischen Schottland und Südnorwegen über dem südlichen
Nordmeer. Sein Druck war auf knapp 1020 hPa angestiegen, ein zugehöriges
Frontensystem hatte es keines mehr. Bereits in den Morgenstunden schwächten
sich die Reste des einstigen Sturmwirbels soweit ab, dass er nachfolgend nicht
mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert und somit auch nicht mehr auf
jener namentlich verzeichnet werden konnte. Tief ARNO war in der Zwischenzeit
für Mittel- und Osteuropa sowie Zwischenhocheinfluss für Westeuropa
wetterbestimmend geworden, während über Russland weiterhin Hoch CORNELIEKE
dominierend blieb. Letzte, dem Tief ZYRPIAN zuzuordnende Niederschläge
konzentrierten sich auf die Region um Bergen.